Amazonien: Stadt, Land, Fluss - FDCL
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Blutige Gewalteskalation in <strong>Amazonien</strong> – Vorgeschichte und der Baguazo vom 5. Juni 2009<br />
Zwei massive Protestwellen erschütterten Perus <strong>Amazonien</strong> innerhalb eines Jahres. Im August 2008<br />
dauerten Blockaden und Streiks in mehreren Provinzen rund 10 Tage. Begleitet von regierungsseitig<br />
erlassenen Ausnahmezuständen endeten sie mit einem Übereinkommen zwischen Parlament und<br />
den indigenen Verhandlungsvertretern von AIDESEP (Nationale Organisation Perus der indigenen<br />
Völker <strong>Amazonien</strong>s) unter Führung von deren damaligem Präsidenten Alberto Pizango. Das Parlament<br />
nahm dann im September zwei Dekrete zurück, die den <strong>Land</strong>verkauf indigener Gemeinschaften<br />
an Investoren vereinfachen sollten. Die Regierung hatte die Indigenen zuvor zu diesen Gesetzen nie<br />
befragt oder darüber informiert. Sie nutzte statt dessen ein Mandat zur beschleunigten Gesetzgebung,<br />
das sie für 180 Tage vom Parlament im Dezember 2007 erhalten hatte. Mit diesem Mandat<br />
sollten rechtliche Anpassungen vorgenommen werden, um das mit den USA ausgehandelte und<br />
unterzeichnete Freihandelsabkommen (seit dem 1. Februar 2009 in Kraft) umzusetzen.<br />
Auf diese Weise entstand in der ersten Jahreshälfte 2008 ein Paket von insgesamt 102 Gesetzen,<br />
die das Parlament nie passieren mussten. Von ihnen berührten viele die Rechte und Interessen indigener<br />
Gemeinschaften, deren Forderungen nach der Rücknahme der zwei <strong>Land</strong>dekrete im September<br />
noch nicht erfüllt waren. Zahlreiche politische Manöver verzögerten die weitere Bearbeitung der<br />
Forderungen. So kam es Mitte April 2009 erneut zum Streik in <strong>Amazonien</strong> – erneute Blockaden<br />
von Strassen, Flüssen und Ölförderstationen gefolgt von Einsätzen des Militärs, um Blockaden zu<br />
brechen, erneute Ausnahmezustände und Außerkraftsetzung von Grundrechten. Fast 60 Tage dieser<br />
zweiten massiven und weitestgehend friedlichen Protestwelle waren vorbei. Im Parlament in Lima<br />
wurde weiterhin mit den indigenen Forderungen gespielt, indem diese in unverbindlichen außerparlamentarischen<br />
Runden Tischen verhandelt werden sollten. Anfang Juni dieses Jahres kam es dann in<br />
der Nähe der Provinzstadt Bagua, gelegen im nördlichen Departamento Amazonas, zu einer seit Ende<br />
der 1980er nicht gesehenen Eskalation von Gewalt – und damals durchlebte Perus Bevölkerung einen<br />
blutigen internen Krieg, der im wesentlichen zwischen der maoistischen Guerilla des Leuchtenden<br />
Pfades (Sendero Luminoso) und staatlichen Einsatzkräften (Militär, Polizei) ausgefochten wurde.<br />
Unweit von Bagua verläuft die Fernstraße Belaunde Terry. Sie ist eine wichtige Transportroute, welche<br />
die nördliche Küstenzone um Chiclayo mit dem nördlichen Amazonastiefland Perus verbindet.<br />
Um die zweitausend Angehörige verschiedener indigener Gruppen hatten seit Ende Mai in Höhe von<br />
Kilometer 200 der Strasse an der curva del diablo (Teufelskurve) eine Blockade errichtet. Lange Anmarschwege<br />
hatten sie hinter sich gebracht. Vor Ort lebten sie in dieser Zeit Tag und Nacht. Am 5.<br />
Juni rückte in den frühen Morgenstunden eine circa 500 Mann starke Sondereinheit der Polizei gegen<br />
bietssystems. Nahezu alle aktiven Konzessionen<br />
überdecken registrierte und titulierte <strong>Land</strong>flächen<br />
von indigenen Gemeinden im Amazonasgebiet.<br />
Weitere 17 Blocks überkreuzen sich mit Gebieten,<br />
in denen indigene Gruppen und Völker in freiwilliger<br />
Isolierung leben.<br />
Aus den sich überlagernden Nutzungsansprüchen<br />
resultieren gezwungenermaßen Nutzungskonflikte.<br />
Die Bevölkerung in den für<br />
Erdöl- und Erdgasexploration ausgewiesenen<br />
Gebieten wird an den Planungen weder beteiligt<br />
noch adäquat informiert. Die vorherige,<br />
freie und informierte Befragung der betroffenen<br />
indigenen Gemeinschaften, welche die Konvention<br />
169 der Internationalen Arbeitsorganisation<br />
(ILO) fordert, hat Peru noch immer nicht<br />
umgesetzt. Es ist jedoch bereits seit 1994 Un-<br />
terzeichner des Abkommens. Nutzungskonflikte<br />
resultieren jedoch auch aus fehlender<br />
Kohärenz der Politik staatlicher Behörden und<br />
der fehlenden Koordination zwischen ihnen. Zu<br />
diesem Schluss kommt die peruanische Ombudsstelle<br />
für Menschenrechte (Defensoria del<br />
Pueblo) in einem Bericht aus dem letzten Jahr.<br />
Dort untersuchte sie die im Jahr 2007 von Peru-<br />
Petro ausgeschriebenen Konzessionen im Hinblick<br />
darauf, wie sie mit Gebieten des Naturschutzgebietssystems<br />
(ANP) und Schutzzonen<br />
für indigene Gruppen überlappen. Angestoßen<br />
wurde die Untersuchung, nachdem Presse und<br />
zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppen aus<br />
Peru darauf aufmerksam machten, dass elf der<br />
18 ausgeschriebenen Konzessionen derartige<br />
Nutzungskonflikte produzieren würden. So