Die „Marie Antoinette“ - Roland Verlag GmbH
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22 THEATER IM NORDEN Opernpremieren<br />
Samson und Dalila<br />
Opernpremieren an norddeutschen Theatern<br />
Text: Simon Neubauer<br />
alle Einladungen in den Müll geworfen hat.<br />
Das unterhaltsame Stück mit der gestisch<br />
und stimmungsvoll unterstreichenden Musik<br />
von scar Strasnoy lebte überwiegend<br />
vom nervigen Porträt, das Miriam Gordon-<br />
Stewart der Hauptakteurin inmitten eines<br />
differenziert zeichnenden kleinen Ensembles<br />
mit parodierender Wonne vermittelt.<br />
Stadttheater Bremerhaven<br />
„Samson und Dalila“<br />
Kann man ein religiöses Drama, das sich<br />
laut Bibel vor mehreren tausend Jahren abgespielt<br />
hat, in einen aktuellen Nahost-<br />
Thriller verwandeln? Man kann, jedenfalls<br />
versuchte es Stefan Heinrichs, als er<br />
„Samson und Dalila“ inszenierte, die einzige<br />
Oper von Camille Saint-Saëns, von der<br />
man meist nur das schmeichelnde Duett<br />
„Sieh, mein Herz erschließt sich dir“ kennt.<br />
Da stehen sich nun also zwei in Religion,<br />
Kultur und Gesellschaft höchst verschiedene<br />
Völker gegenüber, nach der Bibel die unterdrückten<br />
Juden und die ihre Gewaltherrschaft<br />
rigoros ausübenden Philister. Geht<br />
man jetzt von der Kostümierung im Bremer-<br />
havener Stadttheater aus, sind aber die verhärmt<br />
flehenden, ihren Allah anbetenden<br />
Moslems die Gefangenen, die Juden, genauer<br />
die Israeli, herrschen, militärisch bestens<br />
ausgerüstet, als Besatzer. Ist also Israel der<br />
Feind und der Iran der Freund?<br />
Natürlich kann man bei solchen Konstellationen<br />
nicht mehr erwarten, dass in Samsons<br />
langem Haar das Geheimnis seiner<br />
ungeheuren Kraft verborgen liegt. Sie würde<br />
ihm auch nichts nützen, als er von der<br />
Zuneigung heuchelnden Dalila in Feindeshand<br />
und in den öden Kerker gerät.<br />
Er mag danach trachten, sich als Selbstmordattentäter<br />
zu betätigen, aber, verurteilt<br />
von einer Art Volksgerichtshof, bleibt<br />
ihm, weil bomben- und waffenlos, nur eine<br />
andere Rache: Er betet zu Gott und dieser<br />
Gott schickt ein Flugzeug, das sich wie<br />
im September 2001 in einen New Yorker<br />
World Trade Tower stürzt. Und da gehen<br />
dann alle unter, das juxig feiernde, Luftschlangen<br />
werfende, in Abendrobe und<br />
mit Karnevalshütchen Polonäse tanzende<br />
Volk ebenso wie das Komplott-Paar Mullah<br />
(Oberpriester) und Dalila, die gar nicht<br />
früh genug mit ihrem „Führungsoffizier“<br />
den Beischlaf vollziehen kann.<br />
Der Schluss mit dem von welchem Gott<br />
auch immer gesandten Vernichtungs-Flugzeug<br />
war aber den Premierenbesuchern<br />
dann doch zuviel: es reagierte mit einem<br />
in diesem Haus lange nicht mehr vernommenen<br />
Buhsturm, wobei mancher Frust<br />
wegen mangelnder Personenführung der<br />
Geheimdienstler, Partisanen und Waffenträger<br />
mitschwingen mochte.<br />
Manolito Mario Franz kämpfte sich mutig<br />
durch die eigentlich einen differenzierten<br />
Charakter erfordernden Aufgaben Samsons,<br />
wobei ihm das eherne Höhenregister<br />
besser glückte als die Geschmeidigkeit des<br />
Liebenden. Zdravka Ambric gab mit üppig<br />
fließendem, aussagestarken Mezzo der Dalila<br />
die deutlich geforderte Raffinesse und<br />
eine Portion Hohn. Kai-Moritz von Blanckenburg<br />
machte mit Bassesschwärze aus<br />
dem Hohepriester einen Gewaltmenschen.<br />
Starken Eindruck hinterließen die bewegten<br />
Chöre der Guten und der Bösen. Stephan<br />
Tetzlaff dirigierte wie stets mit Hingabe,<br />
wobei sich allerdings immer wieder<br />
auch pauschal geformter Klang in die aufrauschenden<br />
Wogen mischte, das Lyrische<br />
hingegen hatte Duft und Zärtlichkeit.