Die „Marie Antoinette“ - Roland Verlag GmbH
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8 THEATER BREMEN Hans-Joachim Frey<br />
<strong>Die</strong> <strong>„Marie</strong> <strong>Antoinette“</strong> war sein<br />
Schicksal. Jedenfalls in seiner Funktion<br />
als Generalintendant des Theater<br />
Bremen. Nach dem finanziellen Misserfolg<br />
des Musicals zog Hans-Joachim Frey<br />
im August 2009 persönlich die Konsequenzen<br />
und bat die Stadt Bremen um eine vorzeitige<br />
Beendigung seines seit 2007 laufenden<br />
Vertrages zum Ende dieser Spielzeit.<br />
Für foyer hat Peter Schulz mit dem scheidenden<br />
Intendanten gesprochen.<br />
Ihre Arbeit in Bremen weist zahlreiche<br />
künstlerische Glanzpunkte auf. Ich denke<br />
insbesondere an die Wagner-Oper „Ri-<br />
enzi“,<br />
an „Gegen<br />
die<br />
Wand“,<br />
aber auch an dreimal Rossini oder „Norma“.<br />
Doch das alles, so hat es den Anschein,<br />
zählt in vielen Augen nicht mehr…<br />
Stimmt, alles wird überschattet von einem<br />
einzigen Stück, das im übrigen künstlerisch<br />
ein voller Erfolg war und immerhin<br />
zum „Musical des Jahres“ gewählt wurde.<br />
Aber die Intendanz in Bremen war – das<br />
zeigen die Beispiele meiner Vorgäner – immer<br />
ein Pulverfass der Polarisierung, immer<br />
mit vielen Emotionen verbunden. Hier<br />
gibt es eine große Bürgerschicht mit der<br />
Sehnsucht nach sinnlichem, aber zugleich<br />
die Forderung nach politischem Theater;<br />
hier wird leider auch rasch eine Schublade<br />
aufgezogen. So war es bei <strong>„Marie</strong> <strong>Antoinette“</strong>,<br />
das trotz seines hohen Niveaus als<br />
kompletter Misserfolg abgestuft wurde. Auf<br />
der anderen Seite konnte ich – Sie nannten<br />
das Stichwort – mit „Rienzi“ eine ausgesprochen<br />
selten gespielte Oper realisieren,<br />
wobei die Urenkelin des Komponisten<br />
Regie führte. Wo gab es so etwas schon zuvor?<br />
Trotzdem wurde „Rienzi“ als „Event“<br />
abqualifiziert, obwohl es sich um eine völlig<br />
ernsthafte Auseinandersetzung mit dem<br />
Jugendwerk Richard Wagners handelte. Das<br />
empfand ich als<br />
ausgesprochen<br />
schade mit Blick<br />
auf die inhaltliche<br />
Arbeit, die wir hier in den vergangenen Jahren<br />
gemacht haben.<br />
Hinsichtlich des Musiktheaters wage ich<br />
den Satz: Es war kein einziger Flop dabei.<br />
Wobei ein großer Spannungsbogen geschlagen<br />
wurde von – um zwei Beispiele<br />
zu nennen – „Maometto“ bis zu den „Gehetzten“,<br />
also von Tradition zu Avantgarde.<br />
Hat Sie das besonders gereizt?<br />
Das Musiktheater ist bekanntlich meine<br />
künstlerische Heimat, weshalb ich schon<br />
stolz darauf bin, hier drei Uraufführungen<br />
und insgesamt sechs zeitgenössische Wer-<br />
foyer-Gespräch mit dem<br />
scheidenden Generalintendanten<br />
Hans-Joachim Frey<br />
„AUF ZU<br />
NEUEN UFERN“<br />
ke auf die Bühne gebracht zu haben. Dazu<br />
kamen „Ausgrabungen“ wie die Zemlinsky-Stücke,<br />
„Gegen die Wand“ oder eben<br />
„Rienzi“. Daneben galt mein Streben der<br />
Pflege gewisser Repertoireteile, die bisher<br />
weniger gespielt wurden, also das Belcanto.<br />
Das führte zum Rossini-Zyklus, zu Bellini<br />
und zur Kooperation mit dem Pesaro-<br />
Festival etwa in Sachen „Maometto“.<br />
Ein bisschen Intendanten-Glück gehört<br />
aber auch dazu, oder?<br />
Hinsichtlich des Musiktheaters wage ich<br />
den Satz: Es war kein einziger Flop dabei.<br />
Für mich ist es allerdings fatal, dass alles<br />
am finanziellen Ergebnis von <strong>„Marie</strong> <strong>Antoinette“</strong><br />
gemessen wird, was schließlich<br />
zum Vertragsende führte, wobei der Vergleich<br />
mit anderen aktuellen Theaterereignissen<br />
etwa in Lissabon oder Moskau interessant<br />
ist: Dort wurde aus künstlerischen<br />
Gründen entlassen. Ich kenne wenige Beispiele,<br />
wo dies aufgrund finanzieller Erträge<br />
geschah, wobei ich noch einmal betone:<br />
Es war meine Entscheidung zu gehen. Ein<br />
Klaus Pierwoß hätte dies in meiner Situation<br />
sicher nicht getan, der hätte gekämpft<br />
bis heute. Übrigens war die finanzielle Situation<br />
des Bremer Theaters zu seiner Zeit<br />
damals ebenso kritisch, wenn nicht sogar<br />
schlimmer als heute.