46 Miniatur aus einemAndachtsbuch oder einerliturgischen HandschriftMöglicherweise Mantua,ca. 1460-147020,1 x 12,9 cmMs. 55; 94.MS.13Tafel: Girolamo da Cremona,PfingstenDie italienischen Künstler des 15. Jahrhunderts wandten be<strong>im</strong> Entwurf von Gemäldenmathematische Prinzipien an. Diese Kompositionsregeln der Renaissance - häufigabgeändert und überarbeitet - wirken sich bis zum heutigen Tag auf die europäischeMalerei aus. Bei dieser Miniatur des Pfingstereignisses, bei dem der Heilige Geist aufdie Apostel herabkommt, sind fast alle Elemente symmetrisch um eine unsichtbareMittelachse angeordnet. Die feierliche, säulenartige Figur der Jungfrau Maria und derHeilige Geist in Form einer strahlenden, von oben herabschwebenden Taube markierendiese Achse. Die Fenster, die Türen in den seitlichen Wänden, das Paar Kerzenhalterauf dem S<strong>im</strong>s und die Aposteln selbst sind in gleichen Abständen um diese Achseangeordnet. Die beiden Apostelgruppen sind spiegelgleich arrangiert, mit drei Personenin der hinteren, zwei in der mittleren Reihe und jeweils einem Apostel <strong>im</strong> Vordergrund.Die zu beiden Seiten der Jungfrau knienden Figuren öffnen sich wie zwei Flügel, dieuns aufnehmen wollen. Der Betrachter blickt den Aposteln <strong>im</strong> Vordergrund über dieSchultern und n<strong>im</strong>mt so an der Szene teil.Der Künstler vermeidet die Eintönigkeit strikter Symmetrie durch das Variierenvon Details, wie zum Beispiel die Farben der Apostelgewänder, die Gesten der Männer,die Anordnung der Bücher um die Kerzen. Außerdem steht ein Fenster offen, dasden Blick nach außen freigibt, während das andere geschlossen ist. Aufgrund derklaren geometrischen Anordnung, der <strong>im</strong>posanten Größe der Jungfrau und denhochaufragenden Proportionen des Raumes vermittelt das Bild einen Eindruck vonMonumentalität, obwohl die Miniatur selbst <strong>im</strong> ganzen nur etwa 20 cm hoch ist.Der Illuminator ist Girolamo da Cremona (tätig 1458-1483), ein Protege desgroßen Malers Andrea Mantegna (ca. 1431 -1506). Girolamo bewegte sich an denmächtigen norditalienischen Höfen. Er illuminierte Bücher in Ferrara, Mantua, Sienaund Venedig. Neben der wohlüberlegten Bildkomposition bereitet Girolamos Kunstauch noch in anderer Hinsicht großes Vergnügen: Er besitzt die Fähigkeit, dieBeschaffenheit der verschiedenen Materialien treffend zu beschreiben, von densteinernen Einfassungen der Fenster und den gewölbten Glasscheiben über diemattroten Mauerziegel bis hin zu den gefärbten Ledereinbänden der Bücher.Dieses Pfingstbild wurde für ein liturgisches Buch oder für ein Buch zur privatenAndacht gemalt. Es sind keine weiteren Teile des Manuskripts bekannt.TKILLUMINIERTE HANDSCHRIFTEN 109
47 Gualenghi-d'Este-StundenbuchFerrara, ca. 1469211 Blatt, 10,8 x 7,9 cmMs. Ludwig IX 13; 83.ML.109Tafeln: Taddeo Crivelli,Der Heilige Gregor der Große,Fol. 172vHeilige Katharina, Fol. 187vDer Heilige Beilinus empfängtdie Familie Gualenghi am Altar,Fol. 199vDer Heilige Antonius der Abt,Fol. 204vEiner der populärsten Aspekte christlicher Religionsausübung <strong>im</strong> Mittelalter undin der Renaissance war die Heiligenverehrung. Die Heiligen dienten als Vermittlerzwischen H<strong>im</strong>mel und Erde und vollbrachten für die treuen Gläubigen GlaubensundHeilungswunder. Die Gläubigen sahen sie als besondere Fürsprecher vor Gott undbaten sie um ihre Hilfe. Außerdem nahmen sich die einfachen Leute das tugendhafteLeben und Wirken dieser heiligen Männer und Frauen für ihr eigenes Leben zumVorbild. In der plastischen und bildenden Kunst fand der Heiligenkult <strong>im</strong> Bau vonReliquienschreinen und Kirchen, in denen ihre Gebeine ihre letzte Ruhestätte fanden,seinen Ausdruck. Ebenso schlug er sich in der Abfassung illustrierter Bücher, dieihren Legenden gewidmet waren (vgl. Nr. 23), und in den zahlreichen Darstellungenin der Bildhauerei und der Malerei nieder. Die Heiligenverehrung war auch einunverzichtbarer Bestandteil vieler Stundenbücher, die in den "Suffragien"genannten Abschnitten kurze, oft illustrierte Gebete an die Heiligen enthielten.In diesem Stundenbuch, das für Andrea Gualengo (gest. 1480) und seine Gemahlin,Orsina d'Este, geschaffen wurde, ist der Großteil der figürlichen Verzierung denSuffragien gewidmet. Andrea kam aus einer Familie von hochgestellten Höflingenam Hofe der Este in Ferrara und hatte selbst während der Regierungszeit von Borsod'Este (1450 -1471) und Ercole d'Este (1471-1505) wichtige Posten als Berater110 ILLUMINIERTE HANDSCHRIFTEN
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Meisterwerkeim J. Paul Getty Museum
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HINWEIS AN DEN LESERDie folgenden A
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2 Zwei Blätter aus einemEvangeliar
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4 BenediktionaleRegensburg, ca. 103
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7 Neues TestamentKonstantinopel, 11
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10 Kanontafeln aus dem Zeyt c un-Ev
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12 Zwei Miniaturen aus einemPsalter
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14 Wenzeslaus-PsalterParis, ca. 125
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folgt den Worten (ad verbum) des Ps
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18 BestiariumFlandern, ca. 1270102
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20 EvangeliarNicäa oder Nicomedia,
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- Seite 77: 31 StundenbuchParis, ca. 1415-14202
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- Seite 91 und 92: 37 StundenbuchVermutlich Gent,ca. 1
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