20 EvangeliarNicäa oder Nicomedia, Anfangund Ende 13. Jahrhundert241 Blatt, 20,5 x 15 cmMs. Ludwig II 5; 83.MB.69Tafel: Die Transfiguration, Fol. 45vMit der Plünderung Konstantinopels <strong>im</strong> Jahre 1204 durch die Kreuzfahrer ausWesteuropa verlagerte sich die politische Verwaltung des byzantinischen Reichs aus derKaiserstadt, die nun von den Besatzern beherrscht wurde. Aufgrund künstlerischer undpaläographischer Vergleiche mit anderen <strong>Handschriften</strong> kann das Evangeliar <strong>im</strong> Besitzdes <strong>Getty</strong> <strong>Museum</strong>s auf diesen kritischen Augenblick in der europäischen Geschichtedatiert werden. Sein genauer Entstehungsort konnte nicht festgestellt werden, Nicäa(heute Iznik), Nicomedia (Izmit) - beide nicht weit von Konstantinopel entfernt -sowie Zypern wurden als mögliche Orte genannt. Die Handschrift ist damit einwichtiges Zeugnis der anhaltenden Kunstproduktion in den byzantinischenProvinzen zu einer Zeit des politischen Umbruchs.Dieses Tetraevangelion (der griechische Ausdruck für ein Evangeliar) enthältneunzehn ganzseitige Illuminationen, und zwar die Bildnisse der vier Evangelistenund fünfzehn Bilder, die verschiedene wichtige Feiertage des christlichen Kalendersillustrieren. Jedoch nur die Evangelisten-Bildnisse und zwei Festtagsbilder lassen sichauf den Anfang des 13. Jahrhunderts datieren, die anderen dreizehn Bilder dagegenwurden erst gegen Ende desselben Jahrhunderts gemalt. Diese späteren Seitenwurden als Ersatz für einen Teil des früheren Zyklus eingefügt, die <strong>im</strong> Laufe des13. Jahrhunderts zerfallen waren. Die byzantinischen Buchmaler überzogen dasnackte Pergament oft mit Eiweiß, wodurch die Seite anfangs ein glattes und seidigglänzendes Aussehen erhielt, während später die Farbe der Miniatur stark abblätterte.Das Problem war so weit verbreitet, daß Planudes, Vorsteher eines klösterlichenSkriptoriums, <strong>im</strong> Jahre 1295 in einem Brief schrieb:Denn wenn die Pergamentbögen irgendwie mit Wasser in Berührung kommen, brichtdie Handschrift auf und vermengt sich mit dem Ei, und das Werk des Schreibers löstsich ohne eine Spur in Luft auf.Die Miniatur der Transfiguration ist repräsentativ für den späteren paläologischenStil, der seine Blüte erlebte, nachdem die Kreuzfahrer <strong>im</strong> Jahre 1261 vertriebenworden waren. Benannt wurde der Stil nach dem Herrschergeschlecht, das bis ins15. Jahrhundert Bestand hatte. Merkmale dieses Stils sind großformatige Figuren,die auf frühere byzantinische Vorlagen zurückgehen, und durch theatralische Gestenund Gefühlsintensität belebt sind. Die Transfiguration und die anderen paläologischenIllustrationen können auf die Zeit um 1285 datiert werden, jedoch konnte, wie auchbei den früheren Miniaturen des Buches, ihr Entstehungsort nicht lokalisiert werden.ASC53 ILLUMINIERTE HANDSCHRIFTEN
21 Zwei Miniaturen aus einemBuch der alttestamentarischenProphetenSizilien, ca. 13007,3 x 17,4 cmMs. 35; 88.MS.125Tafel: Die Vision des Zacharias,Blatt 2Seit der Renaissance hat so mancher Sammler alte illuminierte <strong>Handschriften</strong> mehrwegen ihrer Ausschmückung als wegen ihrer Textinhalte geschätzt. So kam es, daß zueiner Zeit, da Buchliebhaber <strong>im</strong>mer noch Aufträge über neue illuminierte <strong>Handschriften</strong>erteilten, andere Sammler Miniaturen und gemalte Dekorationen aus alten Büchernausschnitten. Diese Gepflogenheit existierte für einige Jahrhunderte. Im späten18. Jahrhundert stellte der Baseler Kunsthändler Pieter Birmann ein Album mit 475Ausschnitten aus einer Vielzahl mittelalterlicher <strong>Handschriften</strong> aller Arten zusammen.Das <strong>Getty</strong> <strong>Museum</strong> besitzt zwei Miniaturen aus diesem Album, auf der hier nichtabgebildeten Miniatur wird Die Ermordung des Sennacherib dargestellt. Beide stammenvermutlich aus einem Buch mit den Schriften der alttestamentarischen Propheten.Das hier dargestellte, seltene Sujet ist die erste der acht Visionen des Zacharias.Eine Übersetzung aus der lateinischen Vulgata-Bibel, die der Illuminatorwahrscheinlich als Vorlage benutzte, lautet:Ich hatte des Nachts ein Gesicht, und siehe, ein Mann ritt auf einem roten Pferde, under stand zwischen den Myrten <strong>im</strong> Talgrund, und hinter ihm waren rote, scheckige undweiße Rosse. Da sagte ich: "Was bedeuten diese da, o Herr?" Und es antwortete derEngel, der in mir sprach, und sagte: "Ich will dir zeigen, was diese da bedeuten." Danahm der Mann, der zwischen den Myrten hielt, das Wort und sprach: "Das sind die,welche Jahwe ausgesandt hat, die Erde zu durchstreifen." Und diese wandten sich nunan den Engel Jahwes, der zwischen den Myrten hielt, und sprachen: "Wir haben dieErde durchstreift, und siehe, die ganze Erde liegt still und friedlich da."(Zacharias 1,8-11)Der Künstler weicht von dem mystischen Text ab, indem er den Mann in der Visionauf ein Pferd steigend zeigt, anstatt einfach nur zwischen den Myrten stehend. Ebensobildet er nur eines anstelle von zwei roten Pferden ab und stellt den Engel an ZachariasSeite.Die langgestreckten Proportionen der Figuren und ihre kleinen Köpfe sind zudiesem Zeitpunkt für die byzantinische Kunst besonders charakteristisch. Die Ergebnisseder Textforschung und paläographischen Untersuchungen lassen darauf schließen, daßder Illuminator, obgleich er wahrscheinlich ein Grieche war, diese Miniaturen in einin Westeuropa geschriebenes Buch malte. Ein solcher Künstler dürfte in einer dergriechischen Siedlungen in Sizilien gelebt haben.TK54 ILLUMINIERTE HANDSCHRIFTEN
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52 Miniatur aus einemStundenbuchVer
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GLOSSARApokryphenDie Apokryphen des
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VERZEICHNISDie Zahlenangaben verwei