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Meisterwerke im J. Paul Getty Museum - Illuminierte Handschriften

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49 <strong>Getty</strong>-EpistelnFrankreich, ca. 1520-1530112 Blatt, 16,4 x 10,3 cmMs. Ludwig I 15; 83.MA.64Tafeln: Meister der <strong>Getty</strong>-Episteln,Der Heilige <strong>Paul</strong>us und Textseite,Fol. 5v-6Siehe S. 114-115Sowohl inhaltlich als auch von der Aufmachung her ist dieses französische Buch einRenaissance-Werk. In ihm manifestieren sich deutlich die verschiedenen Wege, aufdenen sich die Wiedergeburt der Bildung und der bildenden und plastischen Künste<strong>im</strong> 16. Jahrhundert von Italien ausgehend in ganz Europa ausbreitete. Zu Beginn desJahrhunderts wandten sich die Gelehrten mit frischem Eifer dem Studium der Briefedes Apostels <strong>Paul</strong>us zu. Der Humanist Erasmus von Rotterdam (ca. 1466-1536) undandere Kirchenreformer beschäftigten sich mit seinen Römerbriefen. Die Auslegungder Apostelbriefe in dem Sinne, daß sie eine Rechtfertigung eher durch Glauben alsdurch Handeln sanktionierten, wurde zum theologischen Streitthema.Der Meister der <strong>Getty</strong>-Episteln war der führende Künstler einer beliebtenWerkstatt <strong>im</strong> Loiretal, die sich während der zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts auf dieAusschmückung von Andachtsbüchern verlegte. Seine Kunst hat viele Ursprünge undVorbilder. Die muskulöse und in eine schwere Kutte gehüllte Gestalt des Apostels <strong>Paul</strong>usist letztlich von Michelangelos Stil inspiriert, aber der Künstler, der sein Handwerkin Flandern erlernte, kannte die Kunst des italienischen Meisters wahrscheinlich nurdurch dessen nordeuropäische Anhänger. Die sich dahinschlängelnde, hügelige undweite Kulisse spiegelt die aufkommende Kunst der Landschaftsmalerei wider, die dieflämische Schule in Antwerpen um diese Zeit berühmt machte.Die Bordüre aus Früchten und Blumen ist ebenfalls flämisch inspiriert, währendder kunstvolle Architekturrahmen um die Miniatur viele Elemente antiker römischerArchitektur aufweist, die erst kurz zuvor in Italien wiederaufgelebt war. Ebenfallsausgesprochen italienisch ist die klare und leicht lesbare humanistische Schreibschrift,in der wiederum karolingische Schriftformen auflebten, welche die Humanistenfür antik hielten. Auch das Absetzen der Rubriken (Uberschriften) vom Text, ihresymmetrische Gestaltung und die weitläufige Anordnung der Einzelteile spiegelt eineneue Auffassung der Seitengestaltung wider, die sich in italienischen Druckwerkenfindet. Bei dieser zweiseitigen Eröffnungssequenz wurde dem Text ebensoviel Sorgfaltgewidmet wie der Komposition der Miniatur. So sind auf den Seiten der <strong>Getty</strong>-Epistelnverschiedene Stränge künstlerischer, intellektueller und technischer Kultur derRenaissance miteinander verflochten.TK116 ILLUMINIERTE HANDSCHRIFTEN

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