35 Les Visions du chevalier TondalGent und Valenciennes, 147545 Blatt, 36,3 x 26,2 cmMs. 30; 87.MN.141Tafeln: S<strong>im</strong>on Marmionzugeschrieben,Das Haus des Phristinus, Fol. 21vTondal ist scheinbar tot, Fol. 11Das Glück der treuen Eheleute,Fol. 37Visionen einer Reise durch die Hölle stellen eines der beliebtesten Genres dermittelalterlichen Literatur dar, darunter Die Visionen des Ritters Tondal, die Geschichteeines moralisch fehlgeleiteten irischen Ritters. Geschrieben wurde der Text, der späterin fünfzehn andere Sprachen übersetzt wurde, um 1149 von Marcus, einem irischenMönch, in Regensburg. Diese französische Übersetzung vom März 1475 wurde fürMargarete von York, Herzogin von Burgund und Gemahlin von Karl dem Kühnen,angefertigt. Die Geschichte des jungen und selbstsüchtigen Tondals lautet: Als ereinen Freund aufsucht, um eine Schuld einzutreiben, bricht er wie tot zusammen. Indiesem Zustand führt ein Engel seine Seele auf eine Reise, schützt ihn unterwegs vorden Dämonen und Qualen der Hölle. Tondals Seele wird Zeuge der fürchterlichenBestrafungen, die auf die verschiedenen Sünden stehen, so beispielsweise dashöhlenartige Haus des Phristinus, wo Seelen, die sich der Völlerei und der Unzuchtschuldig gemacht haben, von den Flammen und den Höllenungeheuern gequältwerden. Die Seele wandert dann, auf der Reise in das Paradies, durch das Fegefeuer.Unterwegs trifft sie auf diejenigen, die einen besseren Lebenswandel führten undzuversichtlich auf die Erlösung vertrauen. Am Ende erkennt Tondal den Irrtumseiner Lebensweise und kehrt in ein Leben christlicher Buße zurück.Die Miniaturen des Bandes werden S<strong>im</strong>on Marmion (ca. 1420-1489), einemhochgeschätzten Maler und Illuminator am Hofe von Burgund, zugeschrieben. InAbweichung von seinem charakteristischen Gebrauch von Pastelltönen (die beispielsweisein Das Glück der treuen Eheleute zu bewundern sind), beschwört Marmion hier dieunergründliche Finsternis und das flackernde Leuchten der Hölle herauf.TK85 ILLUMINIERTE HANDSCHRIFTEN
36 StundenbuchProvence, ca. 1480-1490198 Blatt, 11,5 x 8,6 cmMs. 48; 93.ML.6Tafeln: Die He<strong>im</strong>suchung, Fol. 34Georges Trubert, SchmerzensreicheMadonna, Fol. 159Der Hauptilluminator dieses Buches ist Georges Trubert (tätig ca. 1469-1508), derKönig Rene I. von Anjou (1409-1480) während seines letzten Lebensjahrzehntsan seinem Hof in der Provence diente. Er hielt sich danach noch weitere zehn Jahrein Südfrankreich auf. Selbst ein Dichter und ein Schriftsteller, war Rene auch einweitsichtiger Förderer der Künste. Das Buch enthält verschiedene Miniaturen,die sich auf best<strong>im</strong>mte Gemälde in seinem Besitz beziehen, darunter ein älteresGemälde oder eine Ikone mit einer weinenden, oder trauernden, Madonna, das ineinen anscheinend <strong>im</strong>aginären Altar-Reliquienschrein kopiert wurde. Ein weitererKünstler, der an diesem Buch mitarbeitete und Die He<strong>im</strong>suchung malte, verrätvisuelle Ähnlichkeiten zu den Miniaturen Truberts und anderer Künstler, dieweiter <strong>im</strong> Norden <strong>im</strong> Loiretal arbeiteten.Die Illuminatoren dieses Buches erkunden verschiedene Wege, um die gemaltenObjekte greifbar und vor dem flachen Hintergrund dreid<strong>im</strong>ensional erscheinen zulassen. Die Bordüre der Miniatur, die das Treffen der Jungfrau Maria, die bereitsmit Jesus schwanger ist, mit der betagten Elisabeth, die den späteren Johannes denTäufer unter ihrem Herzen trägt, zeigt, enthält Vögel, Blattwerk und musizierendeDrolerien. Sie ist monochrom in Braun gemalt. Dadurch entsteht der Eindruckeiner Holzschnittarbeit mit einem flachen Relief. Die Blätter dieser "Schnitzerei"überschneiden sich an den Rändern der gemalten Bordüre mit dem Pergamentgrund,wodurch der Eindruck der räumlichen Tiefe verstärkt wird.Ungewöhnlicher und enigmatischer ist die Miniatur eines metallenen Altar-Reliquienschreins, der die Schmerzensreiche Madonna enthält. Der prachtvolle Altarwird mit geöffneten Flügeln aus Gold, Silber und Email dargestellt, von denen derrechte Flügel einen Schatten auf die Seite zu werfen scheint. Der Altar steht auf einemgrasbewachsenen Erdhügel, der wiederum von zwei bronzenen Löwenfiguren getragenwird. Zusammen mit den Akeleiranken, die oben aus dem Schrein entspringen, wirftauch dieses Andachtsobjekt einen Schatten. Ein Stück Pergament mit den Worten OIntemerata (O unbefleckte Jungfrau) ist so aufgemalt, daß es unterhalb der Madonnaangeheftet zu sein scheint, wobei sich die untere rechte Ecke des Pergaments gelöst hatund einrollt. O Intemerata sind die ersten Worte eines Gebets an die Jungfrau Maria,das auf der nächsten Seite fortgesetzt wird.TKILLUMINIERTE HANDSCHRIFTEN 86
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Meisterwerkeim J. Paul Getty Museum
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HINWEIS AN DEN LESERDie folgenden A
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2 Zwei Blätter aus einemEvangeliar
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4 BenediktionaleRegensburg, ca. 103
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7 Neues TestamentKonstantinopel, 11
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- Seite 46: folgt den Worten (ad verbum) des Ps
- Seite 50 und 51: 18 BestiariumFlandern, ca. 1270102
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