13.07.2015 Aufrufe

Meisterwerke im J. Paul Getty Museum - Illuminierte Handschriften

Meisterwerke im J. Paul Getty Museum - Illuminierte Handschriften

Meisterwerke im J. Paul Getty Museum - Illuminierte Handschriften

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

17 Ruskin-StundenbuchNordost-Frankreich, ca. 1300128 Blatt, 26,4 x 18,4 cmMs. Ludwig IX 3; 83.ML.99Tafel: Initiale D mitder Verkündigung, Fol. 37vZum 14. Jahrhundert verdrängte das Stundenbuch den Psalter vom Platz deswichtigsten Buches für die täglichen privaten Andachten der Christen. Sein Nameleitet sich vom Marien-Offizium (Stundengebet), dem Kerntext des Buches, ab. DieseGebete wurden für die Rezitation bei den kanonischen Stundengebeten zu achtfestgelegten Zeitpunkten des Kirchentages zusammengestellt. Im späten Mittelalterförderte die Kirche die Verbreitung der stillen Andacht und Meditation unter denLaien. Je mehr diese Gewohnheit angenommen wurde, und der Wohlstand derAristokratie und der aufkommenden Kaufmannsklasse wuchs, desto größer wurdedie Nachfrage nach ausgefallenen, ausgeschmückten Gebetbüchern. Nordfrankreichwar eine der wohlhabenden Regionen, in denen die Gebetbücher regen Absatz fanden.Nicht nur die Pariser Ateliers, sondern auch andere Ateliers, die sich überall <strong>im</strong> Nordenin Städten wie Lille, Cambrai und Douai befanden, profitierten von der Nachfragenach Andachtsbüchern.Entsprechend der traditionellen Ikonographie des Marien-Offiziums hatder Illuminator dieses großformatigen Gebetbuches jedes der acht Stundengebetemit einer Episode aus dem Marienleben geschmückt. Für Matutin, das ersteStundengebet, wählte er <strong>im</strong> Binnenfeld die Verkündigung an die Jungfrau Maria.Die gesamte Dekoration dieser Seite entwickelt sich aus dem großen D in gewundenen,spiralförmigen und langgestreckten Ranken als überschwengliche bildliche Ergänzungzu den freudigen Anfangsworten des Textes, die aus dem Psalm 50 stammen: "Herr, tuauf meine Lippen, und mein Mund wird verkünden dein Lob". Die kleinere Initiale Dzeigt einen frommen jungen Mann, der mit einer einfachen Tunika bekleidet ist undseinen Blick <strong>im</strong> Gebet zu Gott erhoben hat. Uberall in den Bordüren und kleinerenInitialen des Buches dienen betende Gestalten in ähnlicher Weise als Vorbild für diestille Andacht.Die tjostierenden Soldaten in der Bordüre geben einen beliebten aristokratischenZeitvertreib der damaligen Zeit wieder. Solche Marginalfiguren sollten den Betrachterganz offensichtlich bezaubern und amüsieren, nur gelegentlich scheinen sie frommeThemen - manchmal humorvoll - zu kommentieren. Häufig, wie auch hier, bestehtkein eindeutiger Zusammenhang mit der zentralen religiösen Ausschmückung desBuches.Dieses Buch gehörte dem einflußreichen Kunstkritiker John Ruskin (1819-1900),der sich vor allem an den rhythmischen Ausläufern der historisierten Initialen desBuches ergötzte. Er pries sie als "kühn" und "vornehm".TK47 ILLUMINIERTE HANDSCHRIFTEN

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!