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Meisterwerke im J. Paul Getty Museum - Illuminierte Handschriften

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folgt den Worten (ad verbum) des Psalms, der beginnt "Ich sprach: Meine Wege willich bewahren, daß ich nicht schuldig werde durch meine Zunge". König David alsVerfasser der Psalmen deutet mit seiner rechten Hand auf seinen Mund, eine bildlicheUmsetzung seines Versprechens, nicht mit seiner Zunge zu sündigen. Es ist wenigeroffensichtlich, warum David mit der anderen Hand auf den Boden deutet. Vielleichtspielt diese Geste auf sein späteres Begräbnis an, denn <strong>im</strong> Psalm heißt es "nur wenigeSpannen breit hast du gemacht meine Tage", und er endet, "bevor ich gehe und nichtmehr bin."Die Initiale wird durch das Bas-de-page (wörtlich "unterer Seitenrand")vervollständigt, wo eine sitzende Frau auf einen Soldaten deutet, der sich zu ihrzurückwendet, während er gleichzeitig auf die gegenüberliegende Seite weist. DieBlicke und Gesten aller Gestalten, dazu die Vignette am oberen Rand, wo ein Hundeinen Hasen jagt, führen das Auge von einem Bildelement zum anderen und verleihendem Ensemble eine Dynamik, die dem Besitzer des Manuskripts <strong>im</strong> 13. Jahrhundertgewiß ebensoviel Freude bereitete wie dem heutigen Betrachter.ECT16 Marquette-BibelVermutlich Lille, ca. 12703 Bände, 273 Blatt,47 x 32,2 cmMs. Ludwig I 8; 83.MA.57Tafel: Initiale I mit Darstellungender Schöpfung und der Kreuzigung,Bd. 1, Fol. 10vDie Bibel, die als das geschriebene Wort Gottes gilt, ist das zentrale Buch desChristentums. Bestehend aus den jüdischen heiligen Schriften, den vier Evangelienzum Leben Jesu, den Briefen des <strong>Paul</strong>us und anderen Texten, ist sie in der Tat ein sehrumfangreiches Buch. Bibelhandschriften waren gewöhnlich mehrbändige, großformatigeBücher, die zum Gebrauch auf einem Lesepult best<strong>im</strong>mt waren, bis der Aufstiegder Universitäten unter den Studenten einen Bedarf an kleinformatigen, tragbarenBibeln entstehen ließ. Ungefähr zur gleichen Zeit fiel die Aufgabe des Schreibensund Ausschmückens von Bibeln <strong>im</strong>mer weniger in den Zuständigkeitsbereich derMönche, sondern wurde verstärkt von Laienkünstlern übernommen.Im Frankreich des 13. Jahrhunderts behielt man das traditionelle Großformat bei,während gleichzeitig in der Universitätsstadt Paris "Taschenbibeln" in Massen produziertwurden. Die Marquette-Bibel <strong>im</strong> Besitz des <strong>Museum</strong>s gehört zu einer Gruppe vonPultbibeln, die unter künstlerischen Aspekten zusammengefaßt wurde. Diese Bibelnwurden für religiöse Institutionen <strong>im</strong> Nordosten Frankreichs angefertigt und von einerWerkstatt von Laienkünstlern illuminiert. Ursprünglich wird die Marquette-Bibeleinmal ungefähr 150 gemalte Initialen enthatten haben, von denen noch 45 erhaltensind. Angesichts des Umfangs überrascht es wohl kaum, daß Gelehrte bei den nocherhaltenen Initialen die Mitarbeit von sechs verschiedenen Künstlern nachweisenkonnten. Vermutlich war die Zahl der Illuminatoren noch größer.Der Hauptkünstler der Marquette-Bibel malte die meisten Initialen am Anfangdes Textes, einschließlich der herrlichen Genesis-Initiale (Bd. 1, Fol. 10v). DieAbfolge der Schöpfungsszenen (entsprechend dem Bericht in Genesis) endet mitder Kreuzigungsszene des Neuen Testaments. Diese Zusammenstellung erinnert andie christliche Überzeugung, daß der Tod Christi die Gemeinschaft der Menschenmit Gott wieder herstellte, die durch den Sündenfall unterbrochen war.ECTILLUMINIERTE HANDSCHRIFTEN 45

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