8. Einige aktuelle Beispiele für die Verwirklichung des<strong>Subsidiarität</strong>sprinzips: die Menschen sollten soviel Rentebekommen, dass sie davon leben können. Die Pflegeversicherungsollte so ausgestattet sein, dass die pflegebedürftigenMenschen und ihre Angehörigen eine echteWahlfreiheit haben, zwischen eigener häuslicher Pflege(aus finanziellen Gründen) und der ambulanten Pflegeoder dem Altersheim.9. Das <strong>Subsidiarität</strong>sprinzip bedeutet für die Verbände,dass sie so ausgestattet werden sollen, dass sie ihre Aufgabewirklich wahrnehmen können und nicht abhängigvon der größeren Einheit sind.
<strong>Subsidiarität</strong>Nebenschauplatz für Migrant_innen?Einer einfachen Definition zufolge, bezeichnet <strong>Subsidiarität</strong>ein Prinzip, nach dem Tätigkeiten privaterOrganisationen Vorrang haben vor staatlichen Aktivitäten,wenn es um soziale Belange geht. Es regelt also dasVerhältnis zwischen Verbänden der freien Wohlfahrtspflegeeinerseits und der staatlichen Wohlfahrtspflege anderseits.Diese technische Beschreibung des <strong>Subsidiarität</strong>skonzeptsgewinnt erst an Bedeutung, wenn die politische Dimensionmitgedacht wird. Es stellt sich also die Frage: Wessen Interessenwerden durch das <strong>Subsidiarität</strong>sprinzip eigentlichvertreten?Ein Blick auf die deutschen Wohlfahrtsverbände zeigt, dasses einige, wenige Verbände sind, die den Handlungsvorranggewährt bekommen. In einem Nachschlagewerk ist vonstaatlich lizenzierten Spitzenverbänden die Rede. Gemeintsind damit Caritas, Diakonie, der Paritätische, DeutschesRotes Kreuz u. a. Die ursprüngliche Idee, dass sich die Zivilbevölkerungbzw. die Gemeinde individuell, selbstbestimmtund eigenverantwortlich um die eigenen sozialen Belangekümmert, hat sich also in Form einiger Sozialkonzerne manifestiert.Aus dieser Perspektive kommen viele kleine Trägerkaum zum Zug; und Initiativen und Träger ausmigrantischen Reihen schon gar nicht.Die migrantischen Communities trifft dieser Sachverhaltauf zweifache Weise. Zum einen als Anbieterseite, als Vereins-oder Verbandsgründer, zum anderen als Klientel dersozialen Dienste. Obwohl gut vier Millionen Muslime inDeutschland leben, und Migrant_innen und deren Nachfolgegenerationin vielen Städten mehr als ein Drittel der Bevölkerungausmachen, hat sich aus diesen Reihen keinenennenswerte Selbstorganisation gebildet. Es gibt zwar vereinzeltkleine Träger, aber nur wenige professionelle Vereineund Verbände auf höherer Ebene schon gar nicht. Sie habenkeinen nennenswerten Anteil an dem Markt der Wohlfahrtspflege.Man muss von einem Markt sprechen, wennman sich die Zahlen im Bereich der christlichen Wohlfahrtspflegeansieht: Der Deutsche Caritasverband und das DiakonischeWerk sind in den vergangenen Jahrzehnten zumweltweit größten privaten Arbeitgeberverbund aufgestiegen.Im Bereich der christlichen Wohlfahrtspflege werdenbei etwa 1,5 Millionen Beschäftigten jährlich rund 45 MilliardenEuro umgesetzt, heißt es in einer Sonderausgabe vonVer.di 2005. Die Arbeit der Wohlfahrtsverbände sei weitüber 90 Prozent aus staatlichen Mitteln bzw. den Sozialversicherungenfinanziert. Die Pfründe der subsidiären Verteilungöffentlicher Gelder bleiben also an den großen,größtenteils christlich-konfessionellen Verbänden hängenund landen zu allerletzt, wenn überhaupt, auch mal in migrantischerTrägerschaft.69