M Maas - Mylius - der Landesbibliothek Oldenburg
M Maas - Mylius - der Landesbibliothek Oldenburg
M Maas - Mylius - der Landesbibliothek Oldenburg
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
506 Mutzenbecher<br />
als auch den Bedürfnissen <strong>der</strong> auf Erweiterung<br />
und Verbesserung <strong>der</strong> Gelehrtenbildung<br />
drängenden gesellschaftlichen Oberschicht<br />
Rechnung. Mit <strong>der</strong> Errichtung des<br />
Lehrerseminars wurden inhaltliche Akzente<br />
gesetzt, die von gleich großer Bedeutung<br />
wie die Einführung <strong>der</strong> Seminarausbildung<br />
selbst waren. Die Seminaristen<br />
erhielten einen Teil ihrer Ausbildung<br />
durch Unterricht am Gymnasium. Die 1790<br />
neu errichtete Armenschule, die als Industrieschule<br />
(mit Arbeitsunterricht) geführt<br />
wurde, diente den Seminaristen als<br />
Übungsschule für die Praxisausbildung.<br />
M., <strong>der</strong> den Seminaristen den katecheti-<br />
schen Unterricht selbst erteilte, stellte mit<br />
dieser Kombination sicher, daß diese nach<br />
einer neuen, mo<strong>der</strong>nen Konzeption ihre<br />
Grundbildung erhielten (Unterricht am<br />
Gymnasium), daß sie in eine als zukunftsträchtig<br />
angesehene praktische Unterrichtsarbeit<br />
eingeführt wurden (Industrie-<br />
schulkonzept) und daß die von ihm bei Visitationen<br />
erkannten Mißstände in <strong>der</strong><br />
Unterrichtsgestaltung, insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong><br />
Katechese, durch die Einübung angemessener<br />
Methoden und Verfahren in dem<br />
mustergültigen, von ihm selbst erteilten<br />
Unterricht mittelfristig abgeschafft werden<br />
konnten.<br />
Ein weiterer Reformbereich war die Herausgabe<br />
neuer liturgischer und katecheti-<br />
scher Werke zum Gebrauch in Kirche und<br />
Schule. 1791 wurde ein neues Gesangbuch<br />
eingeführt, das 509 Lie<strong>der</strong> enthielt, von<br />
denen lediglich eines („Ein feste Burg ist<br />
unser Gott") unverän<strong>der</strong>t aus dem vorherigen<br />
Gesangbuch übernommen worden<br />
war. Viele Lie<strong>der</strong> stammten von zeitgenössischen<br />
Dichtern, darunter auch von<br />
<strong>Oldenburg</strong>er Gemeindeglie<strong>der</strong>n. Die älteren<br />
Choräle waren sprachlich und inhaltlich<br />
dem Denken und dem Geschmack <strong>der</strong><br />
Aufklärung angepaßt. Von einigen pieti-<br />
stisch orientierten Gemeinden wurde das<br />
neue Gesangbuch abgelehnt und spätere<br />
Generationen haben es zum Teil heftig kritisiert.<br />
Die überwiegenden Reaktionen auf<br />
das neue Gesangbuch waren jedoch seinerzeit<br />
positiv, sowohl in <strong>Oldenburg</strong> selbst<br />
als auch in den zeitgenössischen Rezensionen.<br />
Danach wandte sich M. <strong>der</strong> Erarbeitung<br />
einer neuen Agende zu, mit <strong>der</strong> die<br />
Liturgie deutlich verän<strong>der</strong>t wurde. 1795<br />
konnte er seine „Sammlung von Gebeten<br />
und Formularen" veröffentlichen und damit<br />
die über hun<strong>der</strong>t Jahre alte Agende<br />
aus <strong>der</strong> Zeit des Generalsuperintendenten<br />
-► Alardus (1644-1699) ablösen. Ein weiterer<br />
Reformschritt war die Einführung eines<br />
neuen Katechismus für den Unterricht in<br />
Schule und Kirche (1797). Unter Mitarbeit<br />
von -► Georg Anton Hollmann (1756-1831),<br />
dem Hauptpastor an <strong>der</strong> <strong>Oldenburg</strong>er<br />
Lambertikirche, verfaßte M. einen Katechismus,<br />
mit dessen Hilfe die veraltete<br />
Frage-Antwort-Methode durch selbständiges<br />
Denken ersetzt werden sollte. Für die<br />
Lehrer veröffentlichte M. 1797 noch ein<br />
Handbuch zum Katechismus.<br />
In den von M. eingeleiteten Reformen ist<br />
deutlich seine philosophisch-sozialpolitische<br />
und theologische Position zu erkennen,<br />
die in seiner Ausbildung angelegt<br />
worden war, sich über die Stationen seines<br />
Lebens präzisierte, um dann in seinem<br />
letzten Wirkungsfeld entsprechend intensive<br />
Wirksamkeit zu erreichen. In Hamburg<br />
war M. Schüler des Philosophen und<br />
Theologen Hermann Samuel Reimarus<br />
(1694-1768), <strong>der</strong> <strong>der</strong> Philosophie Christian<br />
Wolffs nahestand. In Göttingen hörte er<br />
Theologen verschiedener Richtungen im<br />
Spannungsfeld von Orthodoxie und Aufklärungstheologie,<br />
u. a. Johann David Michaelis<br />
(1717-1791), <strong>der</strong> eine neologische<br />
Position vertrat. Mit <strong>der</strong> Neologie wurde<br />
M. auch in Braunschweig durch den Abt<br />
Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem<br />
(1709-1789), den „Nestor <strong>der</strong> Neologie",<br />
konfrontiert. Jerusalem hat M. menschlich<br />
und wissenschaftlich tief beeindruckt und<br />
damit zur Festigung seiner - neologischen<br />
- Position entscheidend beigetragen. Während<br />
seiner Zeit in Den Haag hat M. sich<br />
bemüht, Schriften seiner Lehrer dem holländischen<br />
Publikum zugänglich zu machen,<br />
insbeson<strong>der</strong>e Werke von Michaelis.<br />
In Amsterdam konnte M. beweisen, daß er<br />
seine Position auch im Konflikt durchzuhalten<br />
verstand. Und in <strong>Oldenburg</strong> ließ er<br />
sie schließlich einmünden in das Reformwerk.<br />
Dabei ist hervorzuheben, daß M.<br />
nicht nur auf dem Gebiet <strong>der</strong> Theologie als<br />
Vertreter einer frühaufklärerischen Position<br />
zu sehen ist. Seit seinen Ausbildungsjahren<br />
war M. an allen Orten Mitglied literarischer<br />
Vereinigungen (in <strong>Oldenburg</strong>: Literarische<br />
Gesellschaft) und schloß sich<br />
dort ebenfalls Aufklärungspositionen an.<br />
Seine Reformen sind deshalb geprägt von<br />
<strong>der</strong> aus seiner Theologie resultierenden<br />
(neologischen) Position und seiner aufgeklärten<br />
philosophisch-sozialpolitischen