Förderung ehrenamtlichen Erst-Engagements: Klassensprecher-Workshopsin der PraxisJens WatenphulZur Förderung des Erst-Engagements veranstaltetedas Projekt <strong>„Lernallianz</strong> <strong>im</strong> <strong>Ruhrgebiet</strong>“ zahlreicheeintägige Workshops in verschiedenen Schulen derStädte Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr, Essen und Oberhausen.Ziel sollte es sein, engagierten Schülerinnenund Schülern durch die Vermittlung von organisatorischenFertigkeiten sowie methodischen Planungshilfendie Arbeit als Klassensprecher zu erleichternund anerkennend zu qualifizieren. Der Aufbau desSeminars orientierte sich an der Konzeption desLernmoduls „Tipps und Werkzeuge für Klassensprecher“.Vorgesehen war die Erarbeitung spezifischer Qualifizierungsmaßnahmendurch den Einsatz der didaktischenMethode des Planspiels. In der Workshop-Praxiswurde die bloße S<strong>im</strong>ulation jedoch um die Vorbereitungeiner faktischen Projektumsetzung in denjeweiligen Schulen ergänzt.Eröffnet wurden die Klassensprecher-Workshopsdurch eine Aufwärmphase, in der die Klassensprecherinnenund Klassensprecher nicht nur ihre Situationals freiwillig Engagierte und die damit verbundenenVeränderungen in ihrer persönlichen Lebensweltreflektierten, sondern in der sie sich gleichermaßenüber ihre bisher gesammelten Erfahrungenaustauschten. Dem Erfahrungsaustausch schlosssich die Erläuterung der Bedeutung eines funktionierendenKlassenkl<strong>im</strong>as an. Generell hängt dieerfolgreiche Projektarbeit einer Klasse vom Grad derSolidarität der Schüler untereinander bzw. von derBereitschaft der Schüler sich untereinander ausssprechenzu lassen und miteinander arbeiten zuwollen, ab. Das Gespräch war mit der Einsicht verbunden,dass Klassensprecher durch einen fairenUmgang, kompromissbereite Kommunikation undKonfliktvermeidung zu einer harmonischen Atmosphärein der Klasse beitragen und gleichzeitig fürihre Tätigkeit unterstützenden Rückhalt gewinnenkönnen.In einem zweiten Schritt überlegten sich die Schüler,was sie für ihre Klasse und Schule leisten könnenund welche Projekte und Ziele sie in ihrem Alltag alsKlassensprecher real umsetzen wollen. Vorschlägewie z. B. die Organisation einer Schulparty, die Veränderungsozialer Probleme oder die Neugestaltungeines Klassenraumes wurden mit klassischenMethoden, wie z. B. Zettel an der Wand oderClustern, präsentiert. Die sich anschließende Diskussionund Bewertung der Vorschläge ermöglichtedie Auswahl einer Alternativen. Mit Blick auf dasgemeinsam Ziel entwickelten die Schüler eine Mind-Map, die der Bündelung von Arbeitspaketen und derZuordnung von Verantwortlichen diente. GegenEnde der Veranstaltung stand ein strukturierter Projektplanund in der Regel auch eine AG, die sich mitder praktischen Umsetzung in der Realität befassensollte, fest.Die Abschlussrunde der Klassensprecher-Workshopsbot den Schülern abschließend noch einmal dieMöglichkeit sowohl den Lernprozess zu reflektierenals auch Kritik an der Veranstaltungsform zu übenoder Verbesserungsvorschläge für einen opt<strong>im</strong>alenAblauf des Seminars zu geben.Sowohl die Erfahrungen mit den Workshops alsauch die Auswertung eingesetzter Fragebögen,zeigte deutlich, welch hohe Lernbereitschaft undFreude an der freiwilligen Tätigkeit bei Klassensprecherinnenund Klassensprechern vorhanden sind.Eine kooperative Lerngemeinschaft stärkt nicht nurdie Position des Einzelnen, sondern schafft Raum fürgemeinschaftliches Handeln.54
Corporate Volunteering: Ein Unternehmer in der Drogenhilfe.Erfahrungsbericht eines einwöchigen EinsatzesBäckerei Hemmerle Peter HemmerleIm Oktober 2003 lud Frau Dagmar Mühlenfeld,Oberbürgermeisterin der Stadt Mülhe<strong>im</strong> an derRuhr, einige Unternehmer zu einer Tagung insSchloss Broich ein, um das Projekt <strong>„Lernallianz</strong> <strong>im</strong><strong>Ruhrgebiet</strong>“ vorzustellen. Ziel des Projektes solltedie Zusammenarbeit zwischen der Stadt, dem Centrumfür bürgerschaftliches Engagement (<strong>CBE</strong>) undden jeweiligen Unternehmen sein. Statt der traditionellenSach- oder Geldspende wurde eine aktiveMitgestaltung von Seiten der Unternehmen, diedurch die Kommune unterstützt und durch dieMedien begleitet werden sollte, nachgefragt.Für ein Unternehmen stellt sich zunächst die Frage,warum sollen wir uns an solchen Aktivitäten beteiligen?Erstens glauben wir persönlich, dass ein Unternehmenin unserer Gesellschaft eine soziale Aufgabehat und jeder Unternehmer sollte diese auch <strong>im</strong>Rahmen seiner Möglichkeiten wahrnehmen. Zweitensglauben wir, dass die Unternehmenskultur –sprich das Betriebskl<strong>im</strong>a – in den Unternehmen,wenn ein Betrieb sich sozial engagiert, sicherlichein besseres ist. Und drittens glauben wir, dass Kundensich mit solchen Betrieben eher identifizieren,was für den Gesamtbetrieb sicherlich einen Erfolgdarstellt.Nach mehreren Gesprächen mit dem <strong>CBE</strong>, der Stadtund der AWO wurde das Projekt „Seitenwechsel“ fürden 3. bis 8. Mai 2004 geplant. Als Bäckermeistereines in dritter Generation erfolgreich geführtenFilialenunternehmens in Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhrwechselte ich für eine Woche die Seiten undgewann an der Seite von Frau Neumann, der Leiterinder Drogenberatungsstelle in Mülhe<strong>im</strong>, einen Einblickin alle Bereiche der Drogenhilfe der AWO,angefangen bei der Drogenberatungsstelle über dasbetreute Wohnen und dem Cafe Light bis hin zurdrogenmedizinischen Ambulanz, womit das Methadonprogrammgemeint ist.Zur Zeit gibt es in Mülhe<strong>im</strong> an der Ruhr circa 450erwachsene Drogenabhängige, die sich in die Hilfeder AWO begeben haben. Von diesen circa 450 Drogenabhängigenwerden 80 <strong>im</strong> Methadon-Programmbegleitet, werden also substituiert. Die Dunkelzifferwird sicher um ein Vielfaches höher sein.Nach einem Empfang durch Frau Zwilling, der Abteilungsleiterinder AWO, half ich am ersten Tag, einemMontag, von 10.30-17 Uhr <strong>im</strong> Cafe Light, einem Cafefür Drogenabhängige, mit. Die Hausregeln des CafesLight untersagen strikt den Konsum von Drogenoder Alkohol. Abhängigen wird dort die Möglichkeitgeboten sauberes Spritzenmaterial zu erhalten undgebrauchte Materialien abzugeben. Zusätzlichbesteht die Möglichkeit kostenlos Kondome zubekommen. Außerdem werden <strong>im</strong> Cafe LightGetränke und Essen zu sehr günstigen Preisen angeboten.Für viele – wenn nicht sogar die meistenAbhängigen – ist der Aufenthalt in diesem Cafe dereinzige Zeitvertreib.Filme wie Bahnhof Zoo vermitteln eine gewisse Klischeevorstellungvon Drogenabhängigen <strong>im</strong> Endstadium.Überraschend war aus diesem Grund dieErfahrung hübsche junge Frauen und Männer, diegut gekleidet, höflich und freundlich sind, kennen zulernen. Ich erinnere mich an eine junge Frau, diebest<strong>im</strong>mt fünfzehn gebrauchte Spritze abgab undneue anforderte. Auf meine Frage an Frau Neumann,ob es sich bei den fünfzehn gebrauchtenSpritzen um das Material von einem Monat handelnwürde, antwortete mir Frau Neuman, dass es sichbei der jungen Frau um eine Abhängige handelnwürde, die jeden zweiten Tag das Cafe besucht. SolcheEindrücke nehmen einen nicht nur mit, sondernbleiben in der Erinnerung haften.Bis siebzehn Uhr half ich <strong>im</strong> Cafe Light aus, anschließendbegleitete ich Streetworker bei ihrer Arbeit.Be<strong>im</strong> Streetwork besuchen Sozialarbeiter der AWOgewissen Stellen, von denen sie wissen, dass sichdort Drogenabhängigen aufhalten und Drogen undAlkohol konsumieren. Ich erinnere mich in diesemZusammenhang an eine Mutter an der Ruhr, derenKinderwagen voller Spritzen lag. Der erste Tag wargegen zwanzig Uhr zu Ende.Der zweite Tag begann um neun Uhr mit einemTreffen in der Drogenberatungsstelle. Nach einemGespräch mit Frau Neumann über die Erlebnisse desVortages begleitete ich die Sozialarbeiterin FrauRhon <strong>im</strong> Bereich betreutes Wohnen. Drogenabhängige,die aufgrund ihrer Abhängigkeit nicht mehr inder Lage sind, die alltäglichsten Dinge zu bewerkstelligen,wie z. B. die Post zu bearbeiten, werdenvon Sozialarbeitern in ihren eigenen Wohnungenbetreut. Ich lernte einen Klienten des betreutenWohnens durch ein Gespräch näher kennen undbesuchte ihn anschließend in seiner Wohnung. DerEindruck der sich mit darbot, lässt sich nicht mitdem Wort wohnen, sondern vielmehr mit dem Worthausen beschreiben.Anschließend nahm ich am Dienstag Nachmittag abvierzehn Uhr noch mal <strong>im</strong> Cafe Light an so genanntenfreizeitpädagogischen Maßnahmen teil, waskonkret bedeut, das ich mit den Jungs Tischtennisgespielt habe.Während am Montag ein erstes Beschnuppern zwischenden Klienten und mir stattfand, hatte sich amDienstag die Atmosphäre bereits etwas verbessert.Am Mittwoch trafen wir uns erneut um neun Uhrund arbeiteten die Erlebnisse des Vortages auf.Danach wurde mir von Frau Keil die Drogenberatungsstellegezeigt und erklärt was dort passiert.55