Es war einmal.. .. eine Zelle und sie wurde nimmermehr gesehen?
LJ_16_07
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<strong>Es</strong>say<br />
dass die Journals oft mehrere Monate brauchen,<br />
um Manuskripte zu begutachten,<br />
da es immer schwieriger wird, geeignete<br />
„Peers“ zu finden, die aufwendige Gutachten<br />
erstellen – <strong>und</strong><br />
dazu noch unentgeltlich<br />
(<strong>sie</strong>he oben).<br />
Ich denke, es <strong>war</strong> zu<br />
k<strong>eine</strong>r Zeit leicht, als<br />
Wissenschaftlerin<br />
oder Wissenschaftler<br />
erfolgreich zu<br />
sein, aber ich möchte wirklich nicht mit<br />
der heutigen Jungforscher-Generation tauschen,<br />
die gerade mit all diesen Hindernissen<br />
gleichzeitig zu kämpfen hat.<br />
Na ja, wie gesagt – früher <strong>war</strong>’s auch<br />
nicht immer ganz einfach. Zum Beispiel:<br />
Thema Stipendien. Ich hatte es offenbar<br />
zwischenzeitlich verdrängt, aber jetzt erinnere<br />
ich mich doch wieder an mein Ansuchen<br />
für ein Habilitationsstipendium bei<br />
der DFG. Dort teilte man mir zu m<strong>eine</strong>m<br />
Antrag unter anderem folgendes mit: „[...]<br />
zum <strong>eine</strong>n haben die gehörten Gutachter den<br />
Eindruck gewonnen, dass Sie ein erfahrener<br />
RNA-Analytiker mit <strong>eine</strong>r ansprechenden<br />
Zahl guter Publikationen – vielleicht <strong>eine</strong>r<br />
der besten RNA-Biochemiker des Landes –<br />
seien [...]“. Trotzdem <strong>wurde</strong> der Antrag<br />
abgelehnt – <strong>und</strong> jetzt kommt’s: „[...] Hauptgr<strong>und</strong><br />
für die Ablehnung Ihres Antrages <strong>war</strong><br />
die Sorge der Gutachter, dass die Habilitation<br />
nicht der richtige Berufsweg sei. Bei der<br />
jetzt extrem angespannten Stellensituation<br />
könnte Sie <strong>eine</strong> Habilitation in <strong>eine</strong> sehr bedenkliche<br />
Situation bringen [...]“ Dazu fällt<br />
mir nur <strong>eine</strong> Antwort an die DFG ein, <strong>und</strong><br />
die ist – zugegebenermaßen – etwas unprofessoral:<br />
„Leute, geht’s noch?!“ Also: „<strong>eine</strong>r<br />
der besten RNA Biochemiker Deutschlands“<br />
– <strong>und</strong> dann: „nicht der richtige Berufsweg“?<br />
Zynischer geht’s nicht mehr, würde ich<br />
sagen. Und <strong>eine</strong> offensichtlichere Bankrotterklärung<br />
für <strong>eine</strong> völlig verfehlte Wissenschaftspolitik<br />
gibt es wohl auch nicht. Dazu<br />
muss gesagt werden, dass ich während m<strong>eine</strong>r<br />
Doktorarbeit in München mit <strong>eine</strong>m<br />
Promotionsstipendium,<br />
sowie zwei<br />
Kurzzeitstipendien<br />
(EMBO <strong>und</strong><br />
DAAD, Forschungsaufenthalt<br />
am<br />
CNRS Strasbourg)<br />
gefördert <strong>wurde</strong><br />
<strong>und</strong> für m<strong>eine</strong>n<br />
vierjährigen Postdoc-Aufenthalt in Kalifornien<br />
ein NATO-Stipendium erhielt. Danach,<br />
also nach all diesen Fördermaßnahmen,<br />
teilte mir die DFG als 39-Jährigem (!)<br />
mit: „[...] derzeitig noch unter 40, könnten<br />
<strong>sie</strong> nach Einschätzung der Gutachter unter<br />
10<br />
„Eine offensichtlichere<br />
Bankrott erklärung für <strong>eine</strong> völlig<br />
verfehlte Wissenschaftspolitik<br />
gibt es wohl auch nicht.“<br />
„Kollegen, die mich der DFG<br />
als Gutachter etwa für SFBs vorschlagen,<br />
bekommen seither die<br />
Antwort, das ginge nicht, da ich<br />
„etwas schwierig“ sei.“<br />
Umständen als exzellenter RNA-Spezialist in<br />
der Industrie unterkommen [...]; Und weiter:<br />
„[...] zusammengefasst wird die Hoffnung<br />
ausgedrückt, dass der – für Sie sicherlich<br />
harte – Schritt<br />
zum jetzigen Zeitpunkt<br />
schlussendlich<br />
zu größeren Chancen<br />
für Ihre berufliche Zukunft<br />
führt.“<br />
Ich fürchte, ich<br />
muss mich hier nochmals<br />
wiederholen: „Geht’s noch (dümmer),<br />
DFG?“ Denn klar, die Pharmaindustrie<br />
<strong>war</strong>tet ja ganz sicher auf fast vierzigjährige<br />
Akademikerinnen <strong>und</strong> Akademiker,<br />
die den Großteil ihrer Karriere in der universitären<br />
Gr<strong>und</strong>lagenforschung verbracht<br />
haben – oder?<br />
Illustration: Fotolia / freshideas<br />
Das ganze hatte übriges zur Folge, dass<br />
ich mich künftig weigerte, selbst derartig<br />
vernichtende Gutachten für die DFG auszustellen.<br />
Kollegen, die mich der DFG als Gutachter<br />
etwa für SFBs vorschlagen, bekommen<br />
seither die Antwort, das ginge nicht,<br />
da ich „etwas schwierig“ sei. Okay, dann<br />
bin ich eben „schwierig“, liebe DFG. Aber es<br />
gibt ja sicher noch<br />
genügend andere<br />
„Peers“, die in der<br />
Lage sind, Gutachten<br />
wie das obige<br />
zu verfassen – dann<br />
habt ihr den guten<br />
wissenschaftlichen<br />
Nachwuchs tatsächlich<br />
bald vollständig von den Universitäten<br />
eliminiert. Well done – weiter so!<br />
Was mich dazu bringt, dass wir heute<br />
sowieso immer mehr gute Forscherinnen<br />
<strong>und</strong> Forscher an die freie Wirtschaft verlieren.<br />
Früher <strong>war</strong>’s eher so, dass die „nicht<br />
ganz so guten“ Forscher in die Industrie<br />
abwanderten, während die „Genies“ an<br />
der Uni blieben <strong>und</strong> <strong>eine</strong> akademische<br />
Karriere verfolgten. Offenbar hat sich das<br />
gr<strong>und</strong>legend geändert oder gar umgekehrt.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der fehlenden Perspektiven als<br />
Akademikerin oder Akademiker wandern<br />
mehr <strong>und</strong> mehr der wirklich hervorragenden<br />
Nachwuchswissenschaftler in die<br />
Pharmaindustrie oder Ähnliches ab. Dieser<br />
„Brain Drain“ weg von den Universitäten<br />
ist m<strong>eine</strong>s Erachtens <strong>eine</strong> sehr bedenkliche<br />
Entwicklung.<br />
Nachdem ich nun bereits über ein Jahrzehnt<br />
in Österreich bin, möchte ich das mal<br />
aus der österreichischen Perspektive beschreiben.<br />
Österreich hatte ursprünglich<br />
ein System, bei der <strong>eine</strong> Habilitation automatisch<br />
<strong>eine</strong> unbefristete Anstellung (<strong>eine</strong><br />
sogenannte Definitivstellung)<br />
an der jeweiligen Universität<br />
bedeutete. Das hatte zur<br />
Folge, dass sich dann einige,<br />
aber nicht alle, nach erfolgter<br />
Habilitation quasi zur Ruhe<br />
setzten <strong>und</strong> ihrer Pensionierung<br />
entgegenfieberten – was<br />
zu <strong>eine</strong>m überalterten akademischen<br />
Mittelbau führte, der<br />
unkündbar <strong>war</strong>.<br />
Als dies erkannt <strong>war</strong>,<br />
schwenkte man umgehend<br />
auf das „deutsche System“<br />
um (weil in Deutschland ja eh<br />
alles besser ist, wie man hier<br />
zumindest glaubt). Folglich<br />
hatte man jetzt auch hier nach<br />
<strong>eine</strong>r Befristung von sechs<br />
Jahren die Universität zu verlassen.<br />
War aber auch nicht<br />
gut, wie man schnell in Österreich erkannte,<br />
da nun der gesamte akademische Mittelbau<br />
nach jeweils sechs Jahren vollständig<br />
eliminiert <strong>wurde</strong> <strong>und</strong> an <strong>eine</strong> Kontinuität<br />
von Forschung <strong>und</strong> Lehre nicht mehr zu<br />
denken <strong>war</strong>. Also nochmals umgeschwenkt<br />
zum sogenannten Tenure-Track System<br />
ähnlich dem amerikanischen Vorbild, wo<br />
gewisse Zielvereinbarungen in Forschung<br />
<strong>und</strong> Lehre getroffen werden, nach deren<br />
Erfüllung die Stelleninhaber in ein unbefristetes<br />
Dienstverhältnis übernommen<br />
werden können. Klingt nicht nur gut, ist es<br />
auch! Beim Eurovision Song Contest hieße<br />
das: Austria, twelve points!<br />
Damit wieder zurück zu unserer idealen<br />
Welt. Wo sind wir jetzt, im Idealfall?<br />
Wir haben <strong>eine</strong>n tollen Forschungsantrag<br />
geschrieben, den auch bewilligt bekommen<br />
<strong>und</strong> sind nach langer Suche nun Professorin<br />
oder Professor an <strong>eine</strong>r Universität.<br />
Jetzt brauchen wir erst mal motivierte Studentinnen<br />
<strong>und</strong> Studenten, die für uns im<br />
7-8/2016 Laborjournal