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Es war einmal.. .. eine Zelle und sie wurde nimmermehr gesehen?

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<strong>Es</strong>say<br />

dass die Journals oft mehrere Monate brauchen,<br />

um Manuskripte zu begutachten,<br />

da es immer schwieriger wird, geeignete<br />

„Peers“ zu finden, die aufwendige Gutachten<br />

erstellen – <strong>und</strong><br />

dazu noch unentgeltlich<br />

(<strong>sie</strong>he oben).<br />

Ich denke, es <strong>war</strong> zu<br />

k<strong>eine</strong>r Zeit leicht, als<br />

Wissenschaftlerin<br />

oder Wissenschaftler<br />

erfolgreich zu<br />

sein, aber ich möchte wirklich nicht mit<br />

der heutigen Jungforscher-Generation tauschen,<br />

die gerade mit all diesen Hindernissen<br />

gleichzeitig zu kämpfen hat.<br />

Na ja, wie gesagt – früher <strong>war</strong>’s auch<br />

nicht immer ganz einfach. Zum Beispiel:<br />

Thema Stipendien. Ich hatte es offenbar<br />

zwischenzeitlich verdrängt, aber jetzt erinnere<br />

ich mich doch wieder an mein Ansuchen<br />

für ein Habilitationsstipendium bei<br />

der DFG. Dort teilte man mir zu m<strong>eine</strong>m<br />

Antrag unter anderem folgendes mit: „[...]<br />

zum <strong>eine</strong>n haben die gehörten Gutachter den<br />

Eindruck gewonnen, dass Sie ein erfahrener<br />

RNA-Analytiker mit <strong>eine</strong>r ansprechenden<br />

Zahl guter Publikationen – vielleicht <strong>eine</strong>r<br />

der besten RNA-Biochemiker des Landes –<br />

seien [...]“. Trotzdem <strong>wurde</strong> der Antrag<br />

abgelehnt – <strong>und</strong> jetzt kommt’s: „[...] Hauptgr<strong>und</strong><br />

für die Ablehnung Ihres Antrages <strong>war</strong><br />

die Sorge der Gutachter, dass die Habilitation<br />

nicht der richtige Berufsweg sei. Bei der<br />

jetzt extrem angespannten Stellensituation<br />

könnte Sie <strong>eine</strong> Habilitation in <strong>eine</strong> sehr bedenkliche<br />

Situation bringen [...]“ Dazu fällt<br />

mir nur <strong>eine</strong> Antwort an die DFG ein, <strong>und</strong><br />

die ist – zugegebenermaßen – etwas unprofessoral:<br />

„Leute, geht’s noch?!“ Also: „<strong>eine</strong>r<br />

der besten RNA Biochemiker Deutschlands“<br />

– <strong>und</strong> dann: „nicht der richtige Berufsweg“?<br />

Zynischer geht’s nicht mehr, würde ich<br />

sagen. Und <strong>eine</strong> offensichtlichere Bankrotterklärung<br />

für <strong>eine</strong> völlig verfehlte Wissenschaftspolitik<br />

gibt es wohl auch nicht. Dazu<br />

muss gesagt werden, dass ich während m<strong>eine</strong>r<br />

Doktorarbeit in München mit <strong>eine</strong>m<br />

Promotionsstipendium,<br />

sowie zwei<br />

Kurzzeitstipendien<br />

(EMBO <strong>und</strong><br />

DAAD, Forschungsaufenthalt<br />

am<br />

CNRS Strasbourg)<br />

gefördert <strong>wurde</strong><br />

<strong>und</strong> für m<strong>eine</strong>n<br />

vierjährigen Postdoc-Aufenthalt in Kalifornien<br />

ein NATO-Stipendium erhielt. Danach,<br />

also nach all diesen Fördermaßnahmen,<br />

teilte mir die DFG als 39-Jährigem (!)<br />

mit: „[...] derzeitig noch unter 40, könnten<br />

<strong>sie</strong> nach Einschätzung der Gutachter unter<br />

10<br />

„Eine offensichtlichere<br />

Bankrott erklärung für <strong>eine</strong> völlig<br />

verfehlte Wissenschaftspolitik<br />

gibt es wohl auch nicht.“<br />

„Kollegen, die mich der DFG<br />

als Gutachter etwa für SFBs vorschlagen,<br />

bekommen seither die<br />

Antwort, das ginge nicht, da ich<br />

„etwas schwierig“ sei.“<br />

Umständen als exzellenter RNA-Spezialist in<br />

der Industrie unterkommen [...]; Und weiter:<br />

„[...] zusammengefasst wird die Hoffnung<br />

ausgedrückt, dass der – für Sie sicherlich<br />

harte – Schritt<br />

zum jetzigen Zeitpunkt<br />

schlussendlich<br />

zu größeren Chancen<br />

für Ihre berufliche Zukunft<br />

führt.“<br />

Ich fürchte, ich<br />

muss mich hier nochmals<br />

wiederholen: „Geht’s noch (dümmer),<br />

DFG?“ Denn klar, die Pharmaindustrie<br />

<strong>war</strong>tet ja ganz sicher auf fast vierzigjährige<br />

Akademikerinnen <strong>und</strong> Akademiker,<br />

die den Großteil ihrer Karriere in der universitären<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung verbracht<br />

haben – oder?<br />

Illustration: Fotolia / freshideas<br />

Das ganze hatte übriges zur Folge, dass<br />

ich mich künftig weigerte, selbst derartig<br />

vernichtende Gutachten für die DFG auszustellen.<br />

Kollegen, die mich der DFG als Gutachter<br />

etwa für SFBs vorschlagen, bekommen<br />

seither die Antwort, das ginge nicht,<br />

da ich „etwas schwierig“ sei. Okay, dann<br />

bin ich eben „schwierig“, liebe DFG. Aber es<br />

gibt ja sicher noch<br />

genügend andere<br />

„Peers“, die in der<br />

Lage sind, Gutachten<br />

wie das obige<br />

zu verfassen – dann<br />

habt ihr den guten<br />

wissenschaftlichen<br />

Nachwuchs tatsächlich<br />

bald vollständig von den Universitäten<br />

eliminiert. Well done – weiter so!<br />

Was mich dazu bringt, dass wir heute<br />

sowieso immer mehr gute Forscherinnen<br />

<strong>und</strong> Forscher an die freie Wirtschaft verlieren.<br />

Früher <strong>war</strong>’s eher so, dass die „nicht<br />

ganz so guten“ Forscher in die Industrie<br />

abwanderten, während die „Genies“ an<br />

der Uni blieben <strong>und</strong> <strong>eine</strong> akademische<br />

Karriere verfolgten. Offenbar hat sich das<br />

gr<strong>und</strong>legend geändert oder gar umgekehrt.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der fehlenden Perspektiven als<br />

Akademikerin oder Akademiker wandern<br />

mehr <strong>und</strong> mehr der wirklich hervorragenden<br />

Nachwuchswissenschaftler in die<br />

Pharmaindustrie oder Ähnliches ab. Dieser<br />

„Brain Drain“ weg von den Universitäten<br />

ist m<strong>eine</strong>s Erachtens <strong>eine</strong> sehr bedenkliche<br />

Entwicklung.<br />

Nachdem ich nun bereits über ein Jahrzehnt<br />

in Österreich bin, möchte ich das mal<br />

aus der österreichischen Perspektive beschreiben.<br />

Österreich hatte ursprünglich<br />

ein System, bei der <strong>eine</strong> Habilitation automatisch<br />

<strong>eine</strong> unbefristete Anstellung (<strong>eine</strong><br />

sogenannte Definitivstellung)<br />

an der jeweiligen Universität<br />

bedeutete. Das hatte zur<br />

Folge, dass sich dann einige,<br />

aber nicht alle, nach erfolgter<br />

Habilitation quasi zur Ruhe<br />

setzten <strong>und</strong> ihrer Pensionierung<br />

entgegenfieberten – was<br />

zu <strong>eine</strong>m überalterten akademischen<br />

Mittelbau führte, der<br />

unkündbar <strong>war</strong>.<br />

Als dies erkannt <strong>war</strong>,<br />

schwenkte man umgehend<br />

auf das „deutsche System“<br />

um (weil in Deutschland ja eh<br />

alles besser ist, wie man hier<br />

zumindest glaubt). Folglich<br />

hatte man jetzt auch hier nach<br />

<strong>eine</strong>r Befristung von sechs<br />

Jahren die Universität zu verlassen.<br />

War aber auch nicht<br />

gut, wie man schnell in Österreich erkannte,<br />

da nun der gesamte akademische Mittelbau<br />

nach jeweils sechs Jahren vollständig<br />

eliminiert <strong>wurde</strong> <strong>und</strong> an <strong>eine</strong> Kontinuität<br />

von Forschung <strong>und</strong> Lehre nicht mehr zu<br />

denken <strong>war</strong>. Also nochmals umgeschwenkt<br />

zum sogenannten Tenure-Track System<br />

ähnlich dem amerikanischen Vorbild, wo<br />

gewisse Zielvereinbarungen in Forschung<br />

<strong>und</strong> Lehre getroffen werden, nach deren<br />

Erfüllung die Stelleninhaber in ein unbefristetes<br />

Dienstverhältnis übernommen<br />

werden können. Klingt nicht nur gut, ist es<br />

auch! Beim Eurovision Song Contest hieße<br />

das: Austria, twelve points!<br />

Damit wieder zurück zu unserer idealen<br />

Welt. Wo sind wir jetzt, im Idealfall?<br />

Wir haben <strong>eine</strong>n tollen Forschungsantrag<br />

geschrieben, den auch bewilligt bekommen<br />

<strong>und</strong> sind nach langer Suche nun Professorin<br />

oder Professor an <strong>eine</strong>r Universität.<br />

Jetzt brauchen wir erst mal motivierte Studentinnen<br />

<strong>und</strong> Studenten, die für uns im<br />

7-8/2016 Laborjournal

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