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Es war einmal.. .. eine Zelle und sie wurde nimmermehr gesehen?

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<strong>Es</strong>say<br />

dass die Pensionierung <strong>eine</strong>s Profs <strong>eine</strong> freie<br />

Stelle für „junges Blut“ schafft, ist – in leider<br />

viel zu vielen Fällen – illusorisch.<br />

Wenn Jungakademiker also nicht<br />

auf fixe Uni-Stellen setzen können, bleibt<br />

ihnen nur <strong>eine</strong>s: Finanzierung über Drittmittel,<br />

etwa über den Fonds zur Förderung<br />

der wissenschaftlichen Forschung (FWF),<br />

der einzigen Förderungsorganisation für<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung in Österreich.<br />

Sinkt das Angebot an fixen Uni-Stellen,<br />

kann man s<strong>eine</strong> Ideale aufgeben <strong>und</strong><br />

sollte spätestens jetzt(!) zum Sprung in die<br />

Industrie ansetzen. Oder man bleibt – so<br />

wie ich – Idealist <strong>und</strong> setzt auf Drittmitteleinwerbung.<br />

Was für Österreich der FWF,<br />

ist die Deutsche Forschungsgemeinschaft<br />

(DFG) für Deutschland beziehungsweise<br />

der Schweizerische Nationalfond (SNF)<br />

für die Schweiz. Der FWF vergibt Förderungen<br />

in Höhe von derzeit etwa 200 Mio.<br />

Euro, die DFG 2.7 Mrd.; der SNF etwa 850<br />

Mio. Schweizer Franken im Jahr. Ausgedrückt<br />

in Fördervolumen pro Einwohner<br />

sind das circa: 23,6 Euro (Ö; FWF); 33,3<br />

Euro (D; DFG); 96,6 Euro (CH; SNF). Am<br />

mittelärmsten ist also Österreich. Mit Abstand!<br />

Angesichts sinkender Uni-Stellen <strong>und</strong><br />

steigender Antragszahlen konkurrieren<br />

immer mehr Forscher um das bescheidene<br />

Budget. Betrug die Bewilligungsquote 2005<br />

noch 37.5 %, <strong>war</strong>en es 2015 nur mehr 20,3<br />

%. Tendenz fallend. Die durchschnittliche<br />

Bearbeitungsdauer beträgt vier bis sechs<br />

Monate.<br />

Bei der Antragstellung kommen Vollblutforschern<br />

ihre meist gut entwickelten<br />

strategischen Fähigkeiten zugute. Die mathematisch<br />

logische Antwort, trotz geringer<br />

Bewilligungsquoten überhaupt <strong>eine</strong> Chance<br />

zu haben, heißt: Mehrere Anträge schreiben<br />

<strong>und</strong> diese gleichzeitig oder gestaffelt einreichen.<br />

Und z<strong>war</strong> einige Monate vor Ablaufzeit<br />

des aktuellen, wie-auch-immer-finanzierten<br />

Projekts. Dass man unverhofft<br />

mit drei bewilligten Projekten dasteht, die<br />

sich räumlich <strong>und</strong> organisatorisch niemals<br />

gleichzeitig bearbeiten lassen, ist ein absolutes<br />

Luxusproblem – mir ist kein Forscher<br />

„Klarerweise ist man bescheiden<br />

<strong>und</strong> versucht die beantragten<br />

Summen hinzubiegen.“<br />

bekannt, der dieses<br />

Problem hatte.<br />

Paralleles Einreichen<br />

mehrerer<br />

Anträge macht es<br />

dem FWF allerdings<br />

zusätzlich schwer: Gutachter sind schwer<br />

zu finden – <strong>sie</strong> werden für ihre Aufgabe<br />

schließlich nicht bezahlt. Die Rücklaufquote<br />

von Gutachten in 2015 betrug 32.9 %.<br />

Das heißt durchschnittlich müssen pro Gutachten<br />

drei Personen mit relevanter Qualifikation<br />

gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> angeschrieben werden.<br />

Und selbst wenn mühsam aufgespürte,<br />

hochgeschätzte Gutachter zustimmen <strong>und</strong><br />

pünktlich ihre Kritiken sowie Kommentare<br />

abliefern, kann es Verzögerungen geben.<br />

Nämlich dann, wenn die Gutachten „untergriffig“<br />

sind <strong>und</strong> somit nicht gewertet<br />

werden können. Dann heißt es für den FWF<br />

„Zurück auf Start“, die Suche nach fachrelevanten<br />

Gutachtern beginnt erneut.<br />

Für den Kandidaten bedeutet dies weitere<br />

Monate lang <strong>war</strong>ten, Zukunftsängste<br />

verdrängen, cool bleiben. Ein Beispiel<br />

untergriffiger, nicht wertbarer Gutachten<br />

ist mir von <strong>eine</strong>r<br />

Kollegin bekannt.<br />

Zitat sinngemäß:<br />

„…weist<br />

der Antrag einige<br />

offensichtliche<br />

Schwachstellen<br />

auf, aber mehr ist<br />

von <strong>eine</strong>r Frau ja<br />

auch nicht zu er<strong>war</strong>ten…“. Die Gutachter<br />

bleiben für den Antragsteller anonym; im<br />

genannten Beispiel ist zumindest das Geschlecht<br />

zu erraten. Untergriffige Gutachten<br />

sind zum Glück die Ausnahme.<br />

Sind ein bis zwei Anträge erst <strong>einmal</strong> abgeschickt<br />

(das geht elektronisch via ELANE;<br />

das einzige physische Formular ist jenes<br />

mit der Unterschrift der Forschungsstätte),<br />

darf man hier gern kurz (!) verschnaufen.<br />

Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen.<br />

Und weiter! Ich habe meist nur die erste<br />

Hälfte der Atemübung durchgehalten, für<br />

die zweite fehlte mir die innere Ruhe. Als<br />

Ausgleichsbeschäftigung lockten stattdessen:<br />

Nägelkauen, Haareraufen, Zähneknirschen.<br />

Daraus lässt sich w<strong>und</strong>erbar<br />

ein 24-St<strong>und</strong>en-Trainingsprogramm kombinieren.<br />

Wer Raucher ist, qualmt halt ein<br />

paar Schachteln mehr. Der Kopf raucht so<br />

oder so.<br />

Die Monate bis zum Urteil, der<br />

FWF-Kuratoriumssitzung, hinterlassen<br />

entsprechende Spuren: brüchige Nägel,<br />

Albert-Einstein-Frisur, durchgebissene<br />

Knirscherschiene <strong>und</strong>/oder geteerte Lunge.<br />

Endlich weiß man, was externe Gutachter<br />

von den Forschungsplänen halten.<br />

Netterweise erfährt<br />

der Antragsteller neben<br />

„Bewilligt“ oder<br />

„Abgelehnt“ auch<br />

konkret, was die<br />

Externen als löblich<br />

beziehungsweise kritikwürdig an<strong>gesehen</strong><br />

haben. Zwei Gutachter sind das Minimum<br />

(bis 350.000 Euro); je nach Antragsvolumen<br />

steigt ihre Anzahl. Klarerweise ist<br />

man bescheiden <strong>und</strong> versucht, die beantragte<br />

Summe hinzubiegen. Also nicht etwa<br />

351.000 Euro beantragen <strong>und</strong> somit auf<br />

drei, uneingeschränkt lobpreisende Gutachter<br />

angewiesen zu sein. Ein Sechser im<br />

Lotto ist ähnlich wahrscheinlich.<br />

Und dann so was: Entscheid: „Abgelehnt“.<br />

Zwei Gutachter – zwei Meinungen.<br />

Das ist gar nicht so selten. Konkretes Beispiel:<br />

Gutachter A: „…This is a highly innovative<br />

project…. Some risky aspects…“.<br />

Gutachter B: „…This is well-trodden<br />

gro<strong>und</strong>. It is obvious that (the hypothesized)<br />

connection between molecule X and<br />

Y exists…“. Da lässt sich nichts anfechten.<br />

Da hilft nur Kopfschütteln <strong>und</strong> zurück auf<br />

Start, also: Einatmen,<br />

ausatmen,<br />

einatmen, ausatmen.<br />

Nächster<br />

Antrag!<br />

In m<strong>eine</strong>m Fall<br />

<strong>war</strong> dieser dann<br />

wirklich gründlich<br />

konzipiert.<br />

Ich hatte alles hineingesteckt – <strong>eine</strong> Einzelautor-Publikation<br />

in <strong>eine</strong>m renommierten<br />

Journal, darauf aufbauende reichlich experimentelle<br />

Vorarbeiten, Risikoabwägung,<br />

Plan-B-Vorschläge. Kooperationen. Alles.<br />

Gutachter A: „I really like this proposal…“;<br />

Gutachter B: „…is worth exploring“. Gesamturteil<br />

zweimal „very good = high priority<br />

for f<strong>und</strong>ing“.<br />

Die Gutachter werden in <strong>eine</strong>r Fußzeile<br />

hingewiesen: „Please note that the FWF<br />

places high demands on the quality of the<br />

projects it f<strong>und</strong>s and thus predominantly<br />

supports projects rated as ‘very good’ or<br />

‘excellent’.” Kreuzen <strong>sie</strong> also – in bester Absicht<br />

– ‘very good = high‘, nicht aber eben<br />

‘excellent = highest priority‘ an, bedeutet<br />

das den Todesstoß für den Kandidaten. Nun<br />

gut, „tot“ ist man hinterher nicht – schwer<br />

getroffen aber allemal.<br />

Bei Paper-Einreichungen lässt sich ja mit<br />

Gutachtern bekanntlich diskutieren, man<br />

kann Daten nachliefern, Fragen stellen,<br />

Ungereimtheiten klären. Bei Forschungsanträgen<br />

gibt es diese Option nicht – zumindest<br />

nicht in Österreich. Anders ist dies<br />

zum Beispiel in Slowenien.<br />

Wer kein Teflon-beschichtetes Selbstbewusstsein<br />

hat, wird einige Ego-Kratzer<br />

davontragen <strong>und</strong> an s<strong>eine</strong>n Forscherkompetenzen<br />

zweifeln. Auch wenn Kollegen <strong>eine</strong>m<br />

das vehement ausreden. Also aufgeben?<br />

Mitnichten!! Drei oder vier Ablehnungen<br />

hintereinander zehren an der Substanz.<br />

Stellt sich die Frage, ob die eigene Substanz<br />

(sprich Hirnmasse) nicht woanders besser<br />

eingesetzt ist.<br />

Nach Habilitation, 15 Jahren Akademia<br />

<strong>und</strong> unersättlichem Forscherdrang in<br />

die Industrie wechseln? Alles bisher erreichte<br />

(Know-how, Daten, Publikationen,<br />

„Please note that the FWF places<br />

high demands on the quality of the<br />

projects it f<strong>und</strong>s and thus predominantly<br />

supports projects rated as<br />

very good or excellent“.<br />

Laborjournal<br />

7-8/2016<br />

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