Es war einmal.. .. eine Zelle und sie wurde nimmermehr gesehen?
LJ_16_07
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<strong>Es</strong>say<br />
dass die Pensionierung <strong>eine</strong>s Profs <strong>eine</strong> freie<br />
Stelle für „junges Blut“ schafft, ist – in leider<br />
viel zu vielen Fällen – illusorisch.<br />
Wenn Jungakademiker also nicht<br />
auf fixe Uni-Stellen setzen können, bleibt<br />
ihnen nur <strong>eine</strong>s: Finanzierung über Drittmittel,<br />
etwa über den Fonds zur Förderung<br />
der wissenschaftlichen Forschung (FWF),<br />
der einzigen Förderungsorganisation für<br />
Gr<strong>und</strong>lagenforschung in Österreich.<br />
Sinkt das Angebot an fixen Uni-Stellen,<br />
kann man s<strong>eine</strong> Ideale aufgeben <strong>und</strong><br />
sollte spätestens jetzt(!) zum Sprung in die<br />
Industrie ansetzen. Oder man bleibt – so<br />
wie ich – Idealist <strong>und</strong> setzt auf Drittmitteleinwerbung.<br />
Was für Österreich der FWF,<br />
ist die Deutsche Forschungsgemeinschaft<br />
(DFG) für Deutschland beziehungsweise<br />
der Schweizerische Nationalfond (SNF)<br />
für die Schweiz. Der FWF vergibt Förderungen<br />
in Höhe von derzeit etwa 200 Mio.<br />
Euro, die DFG 2.7 Mrd.; der SNF etwa 850<br />
Mio. Schweizer Franken im Jahr. Ausgedrückt<br />
in Fördervolumen pro Einwohner<br />
sind das circa: 23,6 Euro (Ö; FWF); 33,3<br />
Euro (D; DFG); 96,6 Euro (CH; SNF). Am<br />
mittelärmsten ist also Österreich. Mit Abstand!<br />
Angesichts sinkender Uni-Stellen <strong>und</strong><br />
steigender Antragszahlen konkurrieren<br />
immer mehr Forscher um das bescheidene<br />
Budget. Betrug die Bewilligungsquote 2005<br />
noch 37.5 %, <strong>war</strong>en es 2015 nur mehr 20,3<br />
%. Tendenz fallend. Die durchschnittliche<br />
Bearbeitungsdauer beträgt vier bis sechs<br />
Monate.<br />
Bei der Antragstellung kommen Vollblutforschern<br />
ihre meist gut entwickelten<br />
strategischen Fähigkeiten zugute. Die mathematisch<br />
logische Antwort, trotz geringer<br />
Bewilligungsquoten überhaupt <strong>eine</strong> Chance<br />
zu haben, heißt: Mehrere Anträge schreiben<br />
<strong>und</strong> diese gleichzeitig oder gestaffelt einreichen.<br />
Und z<strong>war</strong> einige Monate vor Ablaufzeit<br />
des aktuellen, wie-auch-immer-finanzierten<br />
Projekts. Dass man unverhofft<br />
mit drei bewilligten Projekten dasteht, die<br />
sich räumlich <strong>und</strong> organisatorisch niemals<br />
gleichzeitig bearbeiten lassen, ist ein absolutes<br />
Luxusproblem – mir ist kein Forscher<br />
„Klarerweise ist man bescheiden<br />
<strong>und</strong> versucht die beantragten<br />
Summen hinzubiegen.“<br />
bekannt, der dieses<br />
Problem hatte.<br />
Paralleles Einreichen<br />
mehrerer<br />
Anträge macht es<br />
dem FWF allerdings<br />
zusätzlich schwer: Gutachter sind schwer<br />
zu finden – <strong>sie</strong> werden für ihre Aufgabe<br />
schließlich nicht bezahlt. Die Rücklaufquote<br />
von Gutachten in 2015 betrug 32.9 %.<br />
Das heißt durchschnittlich müssen pro Gutachten<br />
drei Personen mit relevanter Qualifikation<br />
gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> angeschrieben werden.<br />
Und selbst wenn mühsam aufgespürte,<br />
hochgeschätzte Gutachter zustimmen <strong>und</strong><br />
pünktlich ihre Kritiken sowie Kommentare<br />
abliefern, kann es Verzögerungen geben.<br />
Nämlich dann, wenn die Gutachten „untergriffig“<br />
sind <strong>und</strong> somit nicht gewertet<br />
werden können. Dann heißt es für den FWF<br />
„Zurück auf Start“, die Suche nach fachrelevanten<br />
Gutachtern beginnt erneut.<br />
Für den Kandidaten bedeutet dies weitere<br />
Monate lang <strong>war</strong>ten, Zukunftsängste<br />
verdrängen, cool bleiben. Ein Beispiel<br />
untergriffiger, nicht wertbarer Gutachten<br />
ist mir von <strong>eine</strong>r<br />
Kollegin bekannt.<br />
Zitat sinngemäß:<br />
„…weist<br />
der Antrag einige<br />
offensichtliche<br />
Schwachstellen<br />
auf, aber mehr ist<br />
von <strong>eine</strong>r Frau ja<br />
auch nicht zu er<strong>war</strong>ten…“. Die Gutachter<br />
bleiben für den Antragsteller anonym; im<br />
genannten Beispiel ist zumindest das Geschlecht<br />
zu erraten. Untergriffige Gutachten<br />
sind zum Glück die Ausnahme.<br />
Sind ein bis zwei Anträge erst <strong>einmal</strong> abgeschickt<br />
(das geht elektronisch via ELANE;<br />
das einzige physische Formular ist jenes<br />
mit der Unterschrift der Forschungsstätte),<br />
darf man hier gern kurz (!) verschnaufen.<br />
Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen.<br />
Und weiter! Ich habe meist nur die erste<br />
Hälfte der Atemübung durchgehalten, für<br />
die zweite fehlte mir die innere Ruhe. Als<br />
Ausgleichsbeschäftigung lockten stattdessen:<br />
Nägelkauen, Haareraufen, Zähneknirschen.<br />
Daraus lässt sich w<strong>und</strong>erbar<br />
ein 24-St<strong>und</strong>en-Trainingsprogramm kombinieren.<br />
Wer Raucher ist, qualmt halt ein<br />
paar Schachteln mehr. Der Kopf raucht so<br />
oder so.<br />
Die Monate bis zum Urteil, der<br />
FWF-Kuratoriumssitzung, hinterlassen<br />
entsprechende Spuren: brüchige Nägel,<br />
Albert-Einstein-Frisur, durchgebissene<br />
Knirscherschiene <strong>und</strong>/oder geteerte Lunge.<br />
Endlich weiß man, was externe Gutachter<br />
von den Forschungsplänen halten.<br />
Netterweise erfährt<br />
der Antragsteller neben<br />
„Bewilligt“ oder<br />
„Abgelehnt“ auch<br />
konkret, was die<br />
Externen als löblich<br />
beziehungsweise kritikwürdig an<strong>gesehen</strong><br />
haben. Zwei Gutachter sind das Minimum<br />
(bis 350.000 Euro); je nach Antragsvolumen<br />
steigt ihre Anzahl. Klarerweise ist<br />
man bescheiden <strong>und</strong> versucht, die beantragte<br />
Summe hinzubiegen. Also nicht etwa<br />
351.000 Euro beantragen <strong>und</strong> somit auf<br />
drei, uneingeschränkt lobpreisende Gutachter<br />
angewiesen zu sein. Ein Sechser im<br />
Lotto ist ähnlich wahrscheinlich.<br />
Und dann so was: Entscheid: „Abgelehnt“.<br />
Zwei Gutachter – zwei Meinungen.<br />
Das ist gar nicht so selten. Konkretes Beispiel:<br />
Gutachter A: „…This is a highly innovative<br />
project…. Some risky aspects…“.<br />
Gutachter B: „…This is well-trodden<br />
gro<strong>und</strong>. It is obvious that (the hypothesized)<br />
connection between molecule X and<br />
Y exists…“. Da lässt sich nichts anfechten.<br />
Da hilft nur Kopfschütteln <strong>und</strong> zurück auf<br />
Start, also: Einatmen,<br />
ausatmen,<br />
einatmen, ausatmen.<br />
Nächster<br />
Antrag!<br />
In m<strong>eine</strong>m Fall<br />
<strong>war</strong> dieser dann<br />
wirklich gründlich<br />
konzipiert.<br />
Ich hatte alles hineingesteckt – <strong>eine</strong> Einzelautor-Publikation<br />
in <strong>eine</strong>m renommierten<br />
Journal, darauf aufbauende reichlich experimentelle<br />
Vorarbeiten, Risikoabwägung,<br />
Plan-B-Vorschläge. Kooperationen. Alles.<br />
Gutachter A: „I really like this proposal…“;<br />
Gutachter B: „…is worth exploring“. Gesamturteil<br />
zweimal „very good = high priority<br />
for f<strong>und</strong>ing“.<br />
Die Gutachter werden in <strong>eine</strong>r Fußzeile<br />
hingewiesen: „Please note that the FWF<br />
places high demands on the quality of the<br />
projects it f<strong>und</strong>s and thus predominantly<br />
supports projects rated as ‘very good’ or<br />
‘excellent’.” Kreuzen <strong>sie</strong> also – in bester Absicht<br />
– ‘very good = high‘, nicht aber eben<br />
‘excellent = highest priority‘ an, bedeutet<br />
das den Todesstoß für den Kandidaten. Nun<br />
gut, „tot“ ist man hinterher nicht – schwer<br />
getroffen aber allemal.<br />
Bei Paper-Einreichungen lässt sich ja mit<br />
Gutachtern bekanntlich diskutieren, man<br />
kann Daten nachliefern, Fragen stellen,<br />
Ungereimtheiten klären. Bei Forschungsanträgen<br />
gibt es diese Option nicht – zumindest<br />
nicht in Österreich. Anders ist dies<br />
zum Beispiel in Slowenien.<br />
Wer kein Teflon-beschichtetes Selbstbewusstsein<br />
hat, wird einige Ego-Kratzer<br />
davontragen <strong>und</strong> an s<strong>eine</strong>n Forscherkompetenzen<br />
zweifeln. Auch wenn Kollegen <strong>eine</strong>m<br />
das vehement ausreden. Also aufgeben?<br />
Mitnichten!! Drei oder vier Ablehnungen<br />
hintereinander zehren an der Substanz.<br />
Stellt sich die Frage, ob die eigene Substanz<br />
(sprich Hirnmasse) nicht woanders besser<br />
eingesetzt ist.<br />
Nach Habilitation, 15 Jahren Akademia<br />
<strong>und</strong> unersättlichem Forscherdrang in<br />
die Industrie wechseln? Alles bisher erreichte<br />
(Know-how, Daten, Publikationen,<br />
„Please note that the FWF places<br />
high demands on the quality of the<br />
projects it f<strong>und</strong>s and thus predominantly<br />
supports projects rated as<br />
very good or excellent“.<br />
Laborjournal<br />
7-8/2016<br />
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