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Es war einmal.. .. eine Zelle und sie wurde nimmermehr gesehen?

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<strong>Es</strong>say<br />

nicht. Jede Überraschung wird damit vorweggenommen<br />

– <strong>und</strong> das ist gewollt. Am<br />

Theater ist <strong>eine</strong> derartige Vorgangsweise<br />

natürlich verheerend – also wenn man mit<br />

der Pointe beginnt, um<br />

dann den Witz zu erzählen.<br />

Da werden im<br />

Gegenteil hohe Er<strong>war</strong>tungen<br />

geweckt, ohne<br />

Genaueres zu verraten,<br />

um <strong>sie</strong> dann nach<br />

Möglichkeit noch zu<br />

übertreffen, oder aber – was genauso wirkungsvoll<br />

sein kann – <strong>sie</strong> zu enttäuschen.<br />

Nicht selten kam es daher vor – <strong>und</strong><br />

pas<strong>sie</strong>rt mitunter immer noch –, dass Wissenschaftler<br />

neben mir auf der Bühne mit<br />

der Quintessenz der Nummer beginnen<br />

<strong>und</strong> dann ein paar Minuten lang erzählen<br />

müssen, wie überraschend<br />

ihr Bef<strong>und</strong> sei.<br />

Anfangs verfiel ich dabei<br />

immer etwas <strong>und</strong> hoffte eben<br />

auf Besserung bei der nächsten<br />

Vorstellung. Inzwischen<br />

aber lache ich m<strong>eine</strong> Mitstreiterinnen<br />

<strong>und</strong> Mitstreiter<br />

einfach auf offener Bühne<br />

aus <strong>und</strong> mache den Vorgang<br />

fürs Publikum transparent.<br />

Denn es hat sich als günstig<br />

erwiesen, dass die wirkungsvollste<br />

Maßnahme, um Wissenschaftlerinnen<br />

<strong>und</strong> Wissenschaftler<br />

in gutem Licht<br />

zu präsentieren, die ist, <strong>sie</strong><br />

als Menschen mit Schwächen<br />

<strong>und</strong> Leidenschaften zu zeigen<br />

– inklusive der Fähigkeit,<br />

über ihre eigenen Unzulänglichkeiten<br />

zu lachen.<br />

Wenn ein Fehler pas<strong>sie</strong>rt,<br />

dann pas<strong>sie</strong>rt er eben – <strong>und</strong><br />

dann schaut man, was man<br />

daraus machen kann. Denn zum <strong>eine</strong>n hat<br />

sich gezeigt, dass es für das Publikum oft<br />

am spannendsten wird, wenn wir auf der<br />

Bühne das vorbereitete Programm hinter<br />

uns lassen <strong>und</strong> improvi<strong>sie</strong>ren – wenn also<br />

etwas entsteht, was es nur in diesem Moment<br />

so zu sehen gibt <strong>und</strong> dann nie wieder.<br />

Und zum anderen sind Wissenschaftlerinnen<br />

<strong>und</strong> Wissenschaftler einfach k<strong>eine</strong><br />

Schauspieler. Man darf daher auch nicht<br />

von ihnen verlangen, dass <strong>sie</strong> über Rollengestaltung<br />

<strong>und</strong> Subtext nachdenken – oder<br />

dass <strong>sie</strong> ihren Text so gut können, dass <strong>sie</strong><br />

damit nach Belieben spielen können.<br />

An diesem Punkt wird es z<strong>war</strong> für mich<br />

als Solist am interessantesten, wenn ich<br />

<strong>eine</strong>s m<strong>eine</strong>r Kabarettprogramme spiele,<br />

weil man dann selbst mit dem Rhythmus<br />

der Atmung das Publikum manipulieren<br />

„Am wirkungsvollsten ist es,<br />

die Wissenschaftler als Menschen<br />

mit Schwächen <strong>und</strong><br />

Leidenschaften zu zeigen.“<br />

Foto: Gebhardt Productions<br />

kann – aber bei unseren Science Shows ist<br />

das die falsche Maßnahme.<br />

Zu Beginn unserer Zusammenarbeit<br />

ließ ich mich dazu hinreißen, die beiden<br />

Physiker an m<strong>eine</strong>r<br />

Seite zu nötigen, <strong>eine</strong>n<br />

von mir geschriebenen<br />

Text auswendig zu lernen<br />

<strong>und</strong> ihn exakt zu<br />

reproduzieren. Heraus<br />

kam ein Fest für alle,<br />

die es lieben, wenn<br />

Laien Bauerntheater schlecht parodieren.<br />

Die beiden hatten sich nach eigener Aussage<br />

tatsächlich bemüht, ihr Bestes zu geben;<br />

hätten <strong>sie</strong> sich aber umgekehrt bemüht,<br />

m<strong>eine</strong> Begehrlichkeiten wirkungsvoll zu<br />

sabotieren – das Ergebnis hätte nicht anders<br />

aus<strong>gesehen</strong>. <strong>Es</strong> <strong>war</strong> mein Fehler, nicht<br />

Die Science Busters-Urbesetzung mit Martin Puntigam an der Blockflöte<br />

sofort zu erkennen, dass man das Fachwissen,<br />

das in den Wissenschaftlerinnen <strong>und</strong><br />

Wissenschaftlern geparkt ist <strong>und</strong> weiter<br />

reift, zärtlich aus ihnen herausmoderieren<br />

muss. Und dass ich ihnen weiterhin<br />

dabei das Gefühl geben muss, dass <strong>sie</strong> sich,<br />

ohne auf Strukturen achten zu müssen, in<br />

jedem Fall auf mich<br />

verlassen können;<br />

dass ich <strong>sie</strong>, solange<br />

<strong>sie</strong> nicht vor der<br />

Zeit die Pointe verraten,<br />

sicher durch<br />

die Nummer geleite<br />

in dem Bemühen,<br />

uns alle möglichst gut dastehen zu lassen<br />

– den Kabarettisten, die Wissenschaftlerinnen<br />

<strong>und</strong> Wissenschaftler <strong>und</strong> vor allem<br />

die Wissenschaft selbst.<br />

„Wir müssen die Forschungsergebnisse<br />

stark verkürzen <strong>und</strong><br />

aufs Wesentliche eindampfen.<br />

Das ist k<strong>eine</strong> kl<strong>eine</strong> Kunst“<br />

Denn natürlich müssen wir die von uns<br />

verhandelten Forschungsergebnisse stark<br />

verkürzen <strong>und</strong> aufs Wesentliche eindampfen,<br />

damit das Theater- oder Fernsehpublikum<br />

die Chance hat zu verstehen, worum es<br />

geht. Und das ist k<strong>eine</strong> kl<strong>eine</strong> Kunst. Denn<br />

alle wissen, dass ein Forschungsergebnis,<br />

indem man es populär erzählbar macht, mit<br />

jeder Vereinfachung ein bisschen weniger<br />

ganz richtig wird. Die Kunst besteht nun<br />

darin, Richtiges so wegzulassen, so dass<br />

die Erzählung z<strong>war</strong> nicht mehr vollständig<br />

richtig, aber eben trotzdem nicht falsch ist.<br />

Helmut Jungwirth <strong>und</strong> ich halten an<br />

der Universität Graz <strong>eine</strong> Lehrveranstaltung,<br />

in der wir versuchen, Studierenden<br />

das „Prinzip Science Busters“ zu erklären.<br />

Also, wie wir konkret Themen aussuchen,<br />

<strong>war</strong>um das hautenge rosa Shirt <strong>und</strong> die<br />

Kunststoffnippel <strong>eine</strong> wichtige<br />

dramaturgische Funktion<br />

haben, <strong>und</strong> wie man<br />

kürzt, ohne zu verfälschen.<br />

Dazu teilen wir Publikationen<br />

aus <strong>und</strong> bitten die Studierenden,<br />

das für <strong>sie</strong> Wesentliche<br />

herauszuarbeiten<br />

<strong>und</strong> zu präsentieren. Nach<br />

mehreren Arbeitsschritten<br />

kam oft die Rückmeldung,<br />

dass <strong>sie</strong> nie gedacht hätten,<br />

man könne soviel weglassen<br />

<strong>und</strong> trotzdem noch das Wesentliche<br />

referieren.<br />

Durch diese Verkürzung<br />

bekommt man den Stoff<br />

nicht nur zeitlich in <strong>eine</strong><br />

Länge, während der sich<br />

das Publikum gut konzentrieren<br />

kann, sondern man<br />

bekommt auch die Hände<br />

frei, neben der Sprache<br />

noch andere Gestaltungsmittel<br />

einzusetzen, um das<br />

Thema zu veranschaulichen. Das können<br />

Bilder, Töne, Experimente, Verkleidungen,<br />

Scheingefechte der Darsteller <strong>und</strong> dergleichen<br />

mehr sein.<br />

Heinz Oberhummer erzählte immer,<br />

um <strong>eine</strong> neue Studie auf <strong>eine</strong>n Aufsatz zu<br />

kürzen, der auf <strong>eine</strong> DIN A4-Seite passt,<br />

brauchte er mindestens<br />

zwei Tage. Und<br />

das <strong>war</strong> dann erst die<br />

Gr<strong>und</strong>lage für alle<br />

weiteren Formen wie<br />

Radiokolumne, Bühnen-<br />

oder TV-Nummer.<br />

Aber wenn alles passt, dann kommt dabei<br />

<strong>eine</strong> Nummer heraus, in der man die<br />

Errungenschaften der Wissenschaft feiern<br />

kann – etwa die Suche nach dem Ursprung<br />

30<br />

7-8/2016 Laborjournal

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