Es war einmal.. .. eine Zelle und sie wurde nimmermehr gesehen?
LJ_16_07
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<strong>Es</strong>say<br />
nicht. Jede Überraschung wird damit vorweggenommen<br />
– <strong>und</strong> das ist gewollt. Am<br />
Theater ist <strong>eine</strong> derartige Vorgangsweise<br />
natürlich verheerend – also wenn man mit<br />
der Pointe beginnt, um<br />
dann den Witz zu erzählen.<br />
Da werden im<br />
Gegenteil hohe Er<strong>war</strong>tungen<br />
geweckt, ohne<br />
Genaueres zu verraten,<br />
um <strong>sie</strong> dann nach<br />
Möglichkeit noch zu<br />
übertreffen, oder aber – was genauso wirkungsvoll<br />
sein kann – <strong>sie</strong> zu enttäuschen.<br />
Nicht selten kam es daher vor – <strong>und</strong><br />
pas<strong>sie</strong>rt mitunter immer noch –, dass Wissenschaftler<br />
neben mir auf der Bühne mit<br />
der Quintessenz der Nummer beginnen<br />
<strong>und</strong> dann ein paar Minuten lang erzählen<br />
müssen, wie überraschend<br />
ihr Bef<strong>und</strong> sei.<br />
Anfangs verfiel ich dabei<br />
immer etwas <strong>und</strong> hoffte eben<br />
auf Besserung bei der nächsten<br />
Vorstellung. Inzwischen<br />
aber lache ich m<strong>eine</strong> Mitstreiterinnen<br />
<strong>und</strong> Mitstreiter<br />
einfach auf offener Bühne<br />
aus <strong>und</strong> mache den Vorgang<br />
fürs Publikum transparent.<br />
Denn es hat sich als günstig<br />
erwiesen, dass die wirkungsvollste<br />
Maßnahme, um Wissenschaftlerinnen<br />
<strong>und</strong> Wissenschaftler<br />
in gutem Licht<br />
zu präsentieren, die ist, <strong>sie</strong><br />
als Menschen mit Schwächen<br />
<strong>und</strong> Leidenschaften zu zeigen<br />
– inklusive der Fähigkeit,<br />
über ihre eigenen Unzulänglichkeiten<br />
zu lachen.<br />
Wenn ein Fehler pas<strong>sie</strong>rt,<br />
dann pas<strong>sie</strong>rt er eben – <strong>und</strong><br />
dann schaut man, was man<br />
daraus machen kann. Denn zum <strong>eine</strong>n hat<br />
sich gezeigt, dass es für das Publikum oft<br />
am spannendsten wird, wenn wir auf der<br />
Bühne das vorbereitete Programm hinter<br />
uns lassen <strong>und</strong> improvi<strong>sie</strong>ren – wenn also<br />
etwas entsteht, was es nur in diesem Moment<br />
so zu sehen gibt <strong>und</strong> dann nie wieder.<br />
Und zum anderen sind Wissenschaftlerinnen<br />
<strong>und</strong> Wissenschaftler einfach k<strong>eine</strong><br />
Schauspieler. Man darf daher auch nicht<br />
von ihnen verlangen, dass <strong>sie</strong> über Rollengestaltung<br />
<strong>und</strong> Subtext nachdenken – oder<br />
dass <strong>sie</strong> ihren Text so gut können, dass <strong>sie</strong><br />
damit nach Belieben spielen können.<br />
An diesem Punkt wird es z<strong>war</strong> für mich<br />
als Solist am interessantesten, wenn ich<br />
<strong>eine</strong>s m<strong>eine</strong>r Kabarettprogramme spiele,<br />
weil man dann selbst mit dem Rhythmus<br />
der Atmung das Publikum manipulieren<br />
„Am wirkungsvollsten ist es,<br />
die Wissenschaftler als Menschen<br />
mit Schwächen <strong>und</strong><br />
Leidenschaften zu zeigen.“<br />
Foto: Gebhardt Productions<br />
kann – aber bei unseren Science Shows ist<br />
das die falsche Maßnahme.<br />
Zu Beginn unserer Zusammenarbeit<br />
ließ ich mich dazu hinreißen, die beiden<br />
Physiker an m<strong>eine</strong>r<br />
Seite zu nötigen, <strong>eine</strong>n<br />
von mir geschriebenen<br />
Text auswendig zu lernen<br />
<strong>und</strong> ihn exakt zu<br />
reproduzieren. Heraus<br />
kam ein Fest für alle,<br />
die es lieben, wenn<br />
Laien Bauerntheater schlecht parodieren.<br />
Die beiden hatten sich nach eigener Aussage<br />
tatsächlich bemüht, ihr Bestes zu geben;<br />
hätten <strong>sie</strong> sich aber umgekehrt bemüht,<br />
m<strong>eine</strong> Begehrlichkeiten wirkungsvoll zu<br />
sabotieren – das Ergebnis hätte nicht anders<br />
aus<strong>gesehen</strong>. <strong>Es</strong> <strong>war</strong> mein Fehler, nicht<br />
Die Science Busters-Urbesetzung mit Martin Puntigam an der Blockflöte<br />
sofort zu erkennen, dass man das Fachwissen,<br />
das in den Wissenschaftlerinnen <strong>und</strong><br />
Wissenschaftlern geparkt ist <strong>und</strong> weiter<br />
reift, zärtlich aus ihnen herausmoderieren<br />
muss. Und dass ich ihnen weiterhin<br />
dabei das Gefühl geben muss, dass <strong>sie</strong> sich,<br />
ohne auf Strukturen achten zu müssen, in<br />
jedem Fall auf mich<br />
verlassen können;<br />
dass ich <strong>sie</strong>, solange<br />
<strong>sie</strong> nicht vor der<br />
Zeit die Pointe verraten,<br />
sicher durch<br />
die Nummer geleite<br />
in dem Bemühen,<br />
uns alle möglichst gut dastehen zu lassen<br />
– den Kabarettisten, die Wissenschaftlerinnen<br />
<strong>und</strong> Wissenschaftler <strong>und</strong> vor allem<br />
die Wissenschaft selbst.<br />
„Wir müssen die Forschungsergebnisse<br />
stark verkürzen <strong>und</strong><br />
aufs Wesentliche eindampfen.<br />
Das ist k<strong>eine</strong> kl<strong>eine</strong> Kunst“<br />
Denn natürlich müssen wir die von uns<br />
verhandelten Forschungsergebnisse stark<br />
verkürzen <strong>und</strong> aufs Wesentliche eindampfen,<br />
damit das Theater- oder Fernsehpublikum<br />
die Chance hat zu verstehen, worum es<br />
geht. Und das ist k<strong>eine</strong> kl<strong>eine</strong> Kunst. Denn<br />
alle wissen, dass ein Forschungsergebnis,<br />
indem man es populär erzählbar macht, mit<br />
jeder Vereinfachung ein bisschen weniger<br />
ganz richtig wird. Die Kunst besteht nun<br />
darin, Richtiges so wegzulassen, so dass<br />
die Erzählung z<strong>war</strong> nicht mehr vollständig<br />
richtig, aber eben trotzdem nicht falsch ist.<br />
Helmut Jungwirth <strong>und</strong> ich halten an<br />
der Universität Graz <strong>eine</strong> Lehrveranstaltung,<br />
in der wir versuchen, Studierenden<br />
das „Prinzip Science Busters“ zu erklären.<br />
Also, wie wir konkret Themen aussuchen,<br />
<strong>war</strong>um das hautenge rosa Shirt <strong>und</strong> die<br />
Kunststoffnippel <strong>eine</strong> wichtige<br />
dramaturgische Funktion<br />
haben, <strong>und</strong> wie man<br />
kürzt, ohne zu verfälschen.<br />
Dazu teilen wir Publikationen<br />
aus <strong>und</strong> bitten die Studierenden,<br />
das für <strong>sie</strong> Wesentliche<br />
herauszuarbeiten<br />
<strong>und</strong> zu präsentieren. Nach<br />
mehreren Arbeitsschritten<br />
kam oft die Rückmeldung,<br />
dass <strong>sie</strong> nie gedacht hätten,<br />
man könne soviel weglassen<br />
<strong>und</strong> trotzdem noch das Wesentliche<br />
referieren.<br />
Durch diese Verkürzung<br />
bekommt man den Stoff<br />
nicht nur zeitlich in <strong>eine</strong><br />
Länge, während der sich<br />
das Publikum gut konzentrieren<br />
kann, sondern man<br />
bekommt auch die Hände<br />
frei, neben der Sprache<br />
noch andere Gestaltungsmittel<br />
einzusetzen, um das<br />
Thema zu veranschaulichen. Das können<br />
Bilder, Töne, Experimente, Verkleidungen,<br />
Scheingefechte der Darsteller <strong>und</strong> dergleichen<br />
mehr sein.<br />
Heinz Oberhummer erzählte immer,<br />
um <strong>eine</strong> neue Studie auf <strong>eine</strong>n Aufsatz zu<br />
kürzen, der auf <strong>eine</strong> DIN A4-Seite passt,<br />
brauchte er mindestens<br />
zwei Tage. Und<br />
das <strong>war</strong> dann erst die<br />
Gr<strong>und</strong>lage für alle<br />
weiteren Formen wie<br />
Radiokolumne, Bühnen-<br />
oder TV-Nummer.<br />
Aber wenn alles passt, dann kommt dabei<br />
<strong>eine</strong> Nummer heraus, in der man die<br />
Errungenschaften der Wissenschaft feiern<br />
kann – etwa die Suche nach dem Ursprung<br />
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7-8/2016 Laborjournal