Es war einmal.. .. eine Zelle und sie wurde nimmermehr gesehen?
LJ_16_07
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<strong>Es</strong>say<br />
Uni-Netzwerke) aufgeben? <strong>Es</strong> müsste schon<br />
<strong>eine</strong> sehr attraktive Stelle sein. Eine, die<br />
bisherige Qualifikationen aktiv weiterlebt.<br />
In diesem Selbstfindungsprozess habe ich<br />
festgestellt, welch hartes Vorurteil in der<br />
Industrie über uns „Uni-Leute“ herrscht.<br />
Zwischen <strong>und</strong> manchmal auch aus den<br />
Zeilen ging hervor, auf der Uni sei „easy<br />
life“: kein Zeitdruck, k<strong>eine</strong> Vorgaben, eben<br />
ein bisschen „Herumforscherei“. Nichts á<br />
la „publish or perish“. Dass wir Non-stop<br />
<strong>eine</strong>n Existenzkampf führen ist den meisten<br />
Auswärtigen fremd.<br />
Die Kunst besteht darin, geeignete Nischen<br />
zu finden. Industriepartner, die mit<br />
der konkreten Expertise des Uni-Forschers<br />
unmittelbar etwas anfangen können. Das<br />
bewahrt auch davor, die eigenen Ideale<br />
zu verraten. Für mich konkret heißt dies:<br />
Themen zu Umweltschutz, Biodiversität,<br />
Pflanzenstress treu zu bleiben, mein Wissen<br />
aber anwendungsorientiert, unkonventionell<br />
sowie in neue Richtungen einzusetzen.<br />
<strong>Es</strong> geht nicht mehr um Modellorganismen<br />
<strong>und</strong> Co-Immunopräzipitation, sondern um<br />
Klimawandel-angepasste Pflanzen für die<br />
Landwirtschaft. Im Vordergr<strong>und</strong> stehen<br />
nicht mehr Superoxid <strong>und</strong> Enzymassays,<br />
sondern Antioxidantien-reiche Keimlinge<br />
als „Super-Foods“.<br />
Die Suche nach Projektpartnern <strong>und</strong><br />
relevanten Förderungsmöglichkeiten, etwa<br />
die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft<br />
(FFG) verlangt Geduld. Aber<br />
wer bis hierher gekommen ist, hat <strong>eine</strong> hohe<br />
Frustrationsschwelle <strong>und</strong> somit eben auch<br />
den nötigen laaaangen Atem. Unglaublich,<br />
wie viele potenzielle Industriepartner<br />
nach <strong>eine</strong>r ersten, persönlichen(!) Projektplan-Vorstellung<br />
ihr unbedingtes Interesse<br />
bek<strong>und</strong>en. Und dann nichts mehr von sich<br />
hören lassen, auch nicht nach wiederholtem<br />
Nachfragen. Ein österreichisches Phänomen<br />
scheint<br />
dabei das „Einfach<br />
aussitzen“<br />
zu sein. Selbst<br />
ein „Letter of<br />
Intent“ ist unter<br />
Umständen<br />
wertlos; zumindest<br />
musste ich<br />
dies erfahren.<br />
Und dennoch: Mein Tipp für alle „Mitbetroffenen“:<br />
Halten Sie an Ihren Idealen fest!<br />
Verlassen Sie die Forschung nicht! Suchen<br />
Sie <strong>eine</strong>n verlässlichen Industriepartner<br />
für ein erstes Projekt, <strong>und</strong> sei es noch so<br />
klein (zum Beispiel der FFG-Innovationsscheck<br />
5000). Darauf lässt sich eventuell<br />
aufbauen. Ein paar Monate Arbeitslosigkeit<br />
kann man abfedern. Wichtig ist, <strong>eine</strong><br />
Perspektive zu haben oder unermüdlich an<br />
ihrer Entwicklung zu feilen. Dazu braucht<br />
es Durchhaltekraft, <strong>eine</strong> kreative Ader <strong>und</strong><br />
ein soziales Umfeld, das von Nägelkauen,<br />
Haareraufen <strong>und</strong> Zähneknirschen abhält.<br />
Die Zeit dazwischen lässt sich w<strong>und</strong>erbar<br />
füllen – zum Beispiel mit dem Verfassen<br />
von Beiträgen fürs Laborjournal.<br />
Ab <strong>und</strong> an überfallen <strong>eine</strong>n jedoch auch<br />
trübe Gedanken. Was wird aus Österreich<br />
langfristig, wenn es weiter an der Forschung<br />
spart? Oder anders<br />
herum: Wie weit<br />
könnte Österreich,<br />
verglichen mit anderen<br />
europäischen<br />
Ländern, heute<br />
schon sein, wenn<br />
es in die relevanten<br />
Forschungszweige<br />
<strong>und</strong> Köpfe investiert hätte? An der Akzeptanz<br />
in der Bevölkerung, für „so etwas“<br />
Steuergelder auszugeben, liegt es sicher<br />
nicht. Mit welcher Begeisterung ist doch<br />
die Öffentlichkeit bei der „Langen Nacht der<br />
Forschung“, bei „Kinder-Unis“, Volkshochschul-Vorträgen<br />
(„University meets Public“)<br />
<strong>und</strong> anderen auf <strong>sie</strong> zugeschnittenen Veranstaltungen<br />
dabei.<br />
Wir Wissenschaftler mögen <strong>eine</strong> „besondere<br />
Spezies“ sein, doch das Klischee<br />
vom Elfenbeinturm ist überholt. Beflügelt<br />
uns doch allein schon ein anerkennendes<br />
„Danke“ aus dem Publikum. <strong>Es</strong> verleiht die<br />
nötige Motivation, ähnliche Aktivitäten<br />
genauso engagiert erneut mitzugestalten.<br />
Doch trotz alledem sind wir kein Perpetuum<br />
Mobile. Irgendwo muss der Sprit<br />
herkommen – es muss überzeugend viel<br />
Sprit sein, um den Wagen langfristig ins<br />
Rollen zu bringen. Sonst sind die einzigen<br />
Gewinner ein paar Maniküristen, Friseure,<br />
Dentallabors <strong>und</strong> die Tabakindustrie.<br />
Von Kollegen <strong>und</strong> aus eigener Erfahrung<br />
weiß ich, wie<br />
„Wie weit könnte Österreich, verglichen<br />
mit anderen europäischen<br />
Ländern, heute schon sein, wenn es<br />
in die relevanten Forschungszweige<br />
<strong>und</strong> Köpfe investiert hätte?.“<br />
„Ein Teufelskreis: Niedrige Forschungsförderung<br />
= niedriger<br />
Output = Stillstand = geringes<br />
Staatsbudget = wenig Mittel für<br />
Forschungsförderung.“<br />
sehr Zukunftsängste<br />
an Nerven,<br />
Kreativität<br />
<strong>und</strong> Produktivität<br />
zehren. Mir<br />
ist beispielsweise<br />
aktuell die Lust<br />
am Paper-Schreiben<br />
vergangen, obwohl genügend „heiße<br />
Daten“ vorliegen <strong>und</strong> ich konkrete Lösungsansätze<br />
etwa für <strong>eine</strong> klimawandelangepasste,<br />
nachhaltige Landwirtschaft wüsste.<br />
Ticken andere Wissenschaftler in Österreich<br />
genauso – ich kenne einige bei denen<br />
dies der Fall ist –, dann entgehen dem Land<br />
nicht nur etliche Publikationen, sondern<br />
auch das entsprechende Wissenspotenzial<br />
für die Wirtschaft. Unterm Strich verliert<br />
auch Europa. Ein Teufelskreis: Niedrige Forschungsförderung<br />
= niedriger Output =<br />
Stillstand = geringes Staatsbudget = wenig<br />
Mittel für Forschungsförderung.<br />
<strong>Es</strong> gilt, diesen Kreis zu durchbrechen,<br />
mit entsprechend hohen Investitionen.<br />
Nun ja, ein B<strong>und</strong>espräsident mit akademischer<br />
Laufbahn, ein neuer Kanzler mit<br />
Kalkül <strong>und</strong> <strong>eine</strong> Molekularbiologin als neue<br />
Wirtschaftsministerin könnten hier schon<br />
einiges bewirken – wenn <strong>sie</strong> dies wollen<br />
<strong>und</strong> das Potenzial<br />
erkennen. Für Österreich,<br />
den FWF<br />
<strong>und</strong> die „Generation<br />
Forschung“<br />
hoffe ich auf baldige<br />
Kursänderung.<br />
Langfristig ist das<br />
für alle ein Gewinn.<br />
Ansonsten wird es schwer fallen, Studenten<br />
in Vorlesungen für Wissenschaft zu faszinieren<br />
<strong>und</strong> die nächste Generation schlauer<br />
Köpfe heranzuziehen.<br />
Mancher Leser mag dies alles für <strong>eine</strong><br />
pessimistische, einseitige Betrachtungsweise<br />
halten. Für die Notwendigkeit <strong>eine</strong>r<br />
Kursänderung gibt es aber harte, überzeugende<br />
Fakten. Nehmen wir zum Beispiel die<br />
jüngst veröffentlichte Studie des Volkswirts<br />
Klaus Weyerstraß vom Institut für höhere<br />
Studien (IHS) zur „Analyse der Produktivität<br />
Österreichs im internationalen Vergleich“.<br />
Darin ist zu lesen, dass „Bildung, Innovation<br />
<strong>und</strong> Forschung für Österreich als<br />
rohstoffarmes Land mit im internationalen<br />
Vergleich hohen Löhnen essentiell für die Erhaltung<br />
der Wettbewerbsfähigkeit sind. Die<br />
Arbeitsproduktivität (das Verhältnis aus der<br />
mengenmäßigen Leistung <strong>und</strong> dem mengenmäßigen<br />
Arbeitseinsatz) ist ein Maß für die<br />
Wettbewerbsfähigkeit <strong>eine</strong>s Landes. Die totale<br />
Faktorproduktivität (TFP; ein wesentlicher<br />
Einflussfaktor der Arbeitsproduktivität) gilt<br />
wiederum allgemein als makroökonomischer<br />
Indikator für den technischen Fortschritt.<br />
Beim Wachstum der TFP ist Österreich in letzter<br />
Zeit deutlich hinter den EU-Durchschnitt<br />
<strong>und</strong> hinter Deutschland <strong>und</strong> die Schweiz<br />
zurückgefallen, was Reformbedarf zur Steigerung<br />
der Innovationskraft signali<strong>sie</strong>rt. Bildung,<br />
Forschung <strong>und</strong> Innovation sowie ein<br />
funktionierender Wettbewerb sind wichtige<br />
Faktoren zur Förderung des Produktivitätsfortschritts.“<br />
Bleibt also zu hoffen, dass diese Warnsignale<br />
auf die richtigen Rezeptoren (in der<br />
Regierung) stoßen <strong>und</strong> nachhaltig die nötigen<br />
Anpassungsmechanismen stimulieren.<br />
Andrea Pitzschke ist Projektleiterin<br />
im Fachbereich Zellbiologie der<br />
Universität Salzburg.<br />
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7-8/2016 Laborjournal