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Es war einmal.. .. eine Zelle und sie wurde nimmermehr gesehen?

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<strong>Es</strong>say<br />

Uni-Netzwerke) aufgeben? <strong>Es</strong> müsste schon<br />

<strong>eine</strong> sehr attraktive Stelle sein. Eine, die<br />

bisherige Qualifikationen aktiv weiterlebt.<br />

In diesem Selbstfindungsprozess habe ich<br />

festgestellt, welch hartes Vorurteil in der<br />

Industrie über uns „Uni-Leute“ herrscht.<br />

Zwischen <strong>und</strong> manchmal auch aus den<br />

Zeilen ging hervor, auf der Uni sei „easy<br />

life“: kein Zeitdruck, k<strong>eine</strong> Vorgaben, eben<br />

ein bisschen „Herumforscherei“. Nichts á<br />

la „publish or perish“. Dass wir Non-stop<br />

<strong>eine</strong>n Existenzkampf führen ist den meisten<br />

Auswärtigen fremd.<br />

Die Kunst besteht darin, geeignete Nischen<br />

zu finden. Industriepartner, die mit<br />

der konkreten Expertise des Uni-Forschers<br />

unmittelbar etwas anfangen können. Das<br />

bewahrt auch davor, die eigenen Ideale<br />

zu verraten. Für mich konkret heißt dies:<br />

Themen zu Umweltschutz, Biodiversität,<br />

Pflanzenstress treu zu bleiben, mein Wissen<br />

aber anwendungsorientiert, unkonventionell<br />

sowie in neue Richtungen einzusetzen.<br />

<strong>Es</strong> geht nicht mehr um Modellorganismen<br />

<strong>und</strong> Co-Immunopräzipitation, sondern um<br />

Klimawandel-angepasste Pflanzen für die<br />

Landwirtschaft. Im Vordergr<strong>und</strong> stehen<br />

nicht mehr Superoxid <strong>und</strong> Enzymassays,<br />

sondern Antioxidantien-reiche Keimlinge<br />

als „Super-Foods“.<br />

Die Suche nach Projektpartnern <strong>und</strong><br />

relevanten Förderungsmöglichkeiten, etwa<br />

die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft<br />

(FFG) verlangt Geduld. Aber<br />

wer bis hierher gekommen ist, hat <strong>eine</strong> hohe<br />

Frustrationsschwelle <strong>und</strong> somit eben auch<br />

den nötigen laaaangen Atem. Unglaublich,<br />

wie viele potenzielle Industriepartner<br />

nach <strong>eine</strong>r ersten, persönlichen(!) Projektplan-Vorstellung<br />

ihr unbedingtes Interesse<br />

bek<strong>und</strong>en. Und dann nichts mehr von sich<br />

hören lassen, auch nicht nach wiederholtem<br />

Nachfragen. Ein österreichisches Phänomen<br />

scheint<br />

dabei das „Einfach<br />

aussitzen“<br />

zu sein. Selbst<br />

ein „Letter of<br />

Intent“ ist unter<br />

Umständen<br />

wertlos; zumindest<br />

musste ich<br />

dies erfahren.<br />

Und dennoch: Mein Tipp für alle „Mitbetroffenen“:<br />

Halten Sie an Ihren Idealen fest!<br />

Verlassen Sie die Forschung nicht! Suchen<br />

Sie <strong>eine</strong>n verlässlichen Industriepartner<br />

für ein erstes Projekt, <strong>und</strong> sei es noch so<br />

klein (zum Beispiel der FFG-Innovationsscheck<br />

5000). Darauf lässt sich eventuell<br />

aufbauen. Ein paar Monate Arbeitslosigkeit<br />

kann man abfedern. Wichtig ist, <strong>eine</strong><br />

Perspektive zu haben oder unermüdlich an<br />

ihrer Entwicklung zu feilen. Dazu braucht<br />

es Durchhaltekraft, <strong>eine</strong> kreative Ader <strong>und</strong><br />

ein soziales Umfeld, das von Nägelkauen,<br />

Haareraufen <strong>und</strong> Zähneknirschen abhält.<br />

Die Zeit dazwischen lässt sich w<strong>und</strong>erbar<br />

füllen – zum Beispiel mit dem Verfassen<br />

von Beiträgen fürs Laborjournal.<br />

Ab <strong>und</strong> an überfallen <strong>eine</strong>n jedoch auch<br />

trübe Gedanken. Was wird aus Österreich<br />

langfristig, wenn es weiter an der Forschung<br />

spart? Oder anders<br />

herum: Wie weit<br />

könnte Österreich,<br />

verglichen mit anderen<br />

europäischen<br />

Ländern, heute<br />

schon sein, wenn<br />

es in die relevanten<br />

Forschungszweige<br />

<strong>und</strong> Köpfe investiert hätte? An der Akzeptanz<br />

in der Bevölkerung, für „so etwas“<br />

Steuergelder auszugeben, liegt es sicher<br />

nicht. Mit welcher Begeisterung ist doch<br />

die Öffentlichkeit bei der „Langen Nacht der<br />

Forschung“, bei „Kinder-Unis“, Volkshochschul-Vorträgen<br />

(„University meets Public“)<br />

<strong>und</strong> anderen auf <strong>sie</strong> zugeschnittenen Veranstaltungen<br />

dabei.<br />

Wir Wissenschaftler mögen <strong>eine</strong> „besondere<br />

Spezies“ sein, doch das Klischee<br />

vom Elfenbeinturm ist überholt. Beflügelt<br />

uns doch allein schon ein anerkennendes<br />

„Danke“ aus dem Publikum. <strong>Es</strong> verleiht die<br />

nötige Motivation, ähnliche Aktivitäten<br />

genauso engagiert erneut mitzugestalten.<br />

Doch trotz alledem sind wir kein Perpetuum<br />

Mobile. Irgendwo muss der Sprit<br />

herkommen – es muss überzeugend viel<br />

Sprit sein, um den Wagen langfristig ins<br />

Rollen zu bringen. Sonst sind die einzigen<br />

Gewinner ein paar Maniküristen, Friseure,<br />

Dentallabors <strong>und</strong> die Tabakindustrie.<br />

Von Kollegen <strong>und</strong> aus eigener Erfahrung<br />

weiß ich, wie<br />

„Wie weit könnte Österreich, verglichen<br />

mit anderen europäischen<br />

Ländern, heute schon sein, wenn es<br />

in die relevanten Forschungszweige<br />

<strong>und</strong> Köpfe investiert hätte?.“<br />

„Ein Teufelskreis: Niedrige Forschungsförderung<br />

= niedriger<br />

Output = Stillstand = geringes<br />

Staatsbudget = wenig Mittel für<br />

Forschungsförderung.“<br />

sehr Zukunftsängste<br />

an Nerven,<br />

Kreativität<br />

<strong>und</strong> Produktivität<br />

zehren. Mir<br />

ist beispielsweise<br />

aktuell die Lust<br />

am Paper-Schreiben<br />

vergangen, obwohl genügend „heiße<br />

Daten“ vorliegen <strong>und</strong> ich konkrete Lösungsansätze<br />

etwa für <strong>eine</strong> klimawandelangepasste,<br />

nachhaltige Landwirtschaft wüsste.<br />

Ticken andere Wissenschaftler in Österreich<br />

genauso – ich kenne einige bei denen<br />

dies der Fall ist –, dann entgehen dem Land<br />

nicht nur etliche Publikationen, sondern<br />

auch das entsprechende Wissenspotenzial<br />

für die Wirtschaft. Unterm Strich verliert<br />

auch Europa. Ein Teufelskreis: Niedrige Forschungsförderung<br />

= niedriger Output =<br />

Stillstand = geringes Staatsbudget = wenig<br />

Mittel für Forschungsförderung.<br />

<strong>Es</strong> gilt, diesen Kreis zu durchbrechen,<br />

mit entsprechend hohen Investitionen.<br />

Nun ja, ein B<strong>und</strong>espräsident mit akademischer<br />

Laufbahn, ein neuer Kanzler mit<br />

Kalkül <strong>und</strong> <strong>eine</strong> Molekularbiologin als neue<br />

Wirtschaftsministerin könnten hier schon<br />

einiges bewirken – wenn <strong>sie</strong> dies wollen<br />

<strong>und</strong> das Potenzial<br />

erkennen. Für Österreich,<br />

den FWF<br />

<strong>und</strong> die „Generation<br />

Forschung“<br />

hoffe ich auf baldige<br />

Kursänderung.<br />

Langfristig ist das<br />

für alle ein Gewinn.<br />

Ansonsten wird es schwer fallen, Studenten<br />

in Vorlesungen für Wissenschaft zu faszinieren<br />

<strong>und</strong> die nächste Generation schlauer<br />

Köpfe heranzuziehen.<br />

Mancher Leser mag dies alles für <strong>eine</strong><br />

pessimistische, einseitige Betrachtungsweise<br />

halten. Für die Notwendigkeit <strong>eine</strong>r<br />

Kursänderung gibt es aber harte, überzeugende<br />

Fakten. Nehmen wir zum Beispiel die<br />

jüngst veröffentlichte Studie des Volkswirts<br />

Klaus Weyerstraß vom Institut für höhere<br />

Studien (IHS) zur „Analyse der Produktivität<br />

Österreichs im internationalen Vergleich“.<br />

Darin ist zu lesen, dass „Bildung, Innovation<br />

<strong>und</strong> Forschung für Österreich als<br />

rohstoffarmes Land mit im internationalen<br />

Vergleich hohen Löhnen essentiell für die Erhaltung<br />

der Wettbewerbsfähigkeit sind. Die<br />

Arbeitsproduktivität (das Verhältnis aus der<br />

mengenmäßigen Leistung <strong>und</strong> dem mengenmäßigen<br />

Arbeitseinsatz) ist ein Maß für die<br />

Wettbewerbsfähigkeit <strong>eine</strong>s Landes. Die totale<br />

Faktorproduktivität (TFP; ein wesentlicher<br />

Einflussfaktor der Arbeitsproduktivität) gilt<br />

wiederum allgemein als makroökonomischer<br />

Indikator für den technischen Fortschritt.<br />

Beim Wachstum der TFP ist Österreich in letzter<br />

Zeit deutlich hinter den EU-Durchschnitt<br />

<strong>und</strong> hinter Deutschland <strong>und</strong> die Schweiz<br />

zurückgefallen, was Reformbedarf zur Steigerung<br />

der Innovationskraft signali<strong>sie</strong>rt. Bildung,<br />

Forschung <strong>und</strong> Innovation sowie ein<br />

funktionierender Wettbewerb sind wichtige<br />

Faktoren zur Förderung des Produktivitätsfortschritts.“<br />

Bleibt also zu hoffen, dass diese Warnsignale<br />

auf die richtigen Rezeptoren (in der<br />

Regierung) stoßen <strong>und</strong> nachhaltig die nötigen<br />

Anpassungsmechanismen stimulieren.<br />

Andrea Pitzschke ist Projektleiterin<br />

im Fachbereich Zellbiologie der<br />

Universität Salzburg.<br />

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7-8/2016 Laborjournal

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