Es war einmal.. .. eine Zelle und sie wurde nimmermehr gesehen?
LJ_16_07
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ESSAY<br />
Illustration: Fotolia / freshidea<br />
Maßgeschneiderte<br />
Multitalente<br />
VON STEFAN DÜBEL, BRAUNSCHWEIG<br />
Der langwierige, aber<br />
unaufhaltsame Aufstieg der<br />
rekombinanten Antikörper zu<br />
den Superstars der Lebenswissenschaften.<br />
Die Karriere der therapeutischen Antikörper<br />
begann bereits vor mehr als 125 Jahren<br />
– <strong>und</strong> das gleich mit <strong>eine</strong>m Paukenschlag:<br />
1890 publizierten der Deutsche Emil von<br />
Behring <strong>und</strong> der Japaner Kitasato Shibasabur<br />
ihr bahnbrechendes Paper „Über das<br />
Zustandekommen der Diphtherie-Immunität<br />
<strong>und</strong> der Tetanus-Immunität bei Thieren“,<br />
das die Ära der Antiseren einläutete.<br />
Die in Tieren hergestellten Antiseren zur<br />
Behandlung von Diphtherie <strong>und</strong> Tetanus<br />
fehlten in den nächsten 50 Jahren in k<strong>eine</strong>m<br />
Arztkoffer. Wirksamer Bestandteil,<br />
wie man heute weiß: Immunglobuline.<br />
Der erste vergebene Medizin-Nobelpreis,<br />
verliehen 1901 an von Behring – <strong>eine</strong>n<br />
ehemaligen Militärarzt, der später als Unternehmer<br />
(„Behringwerke“) schwerreich<br />
<strong>wurde</strong> – belohnte diese Entdeckung.<br />
56<br />
Doch die „reichen Schätze“, die sich<br />
Paul Ehrlich bereits 1900 von solchen Antikörpern<br />
für die Therapie vorgestellt hatte,<br />
sollten noch lange auf sich <strong>war</strong>ten lassen.<br />
Nicht etwa deshalb, weil Immunglobulin-Moleküle<br />
dafür nicht geeignet wären,<br />
sondern weil schlicht die Technologie zur<br />
definierten Herstellung des „richtigen“ Antikörpers<br />
fehlte. Sobald man gegen Diphtherie,<br />
Tetanus <strong>und</strong> andere Erkrankungen,<br />
bei denen bis dahin Antiseren gespritzt<br />
<strong>wurde</strong>n, impfen konnte, <strong>wurde</strong> es deshalb<br />
wieder still um die Antiseren. Ab Mitte des<br />
letzten Jahrh<strong>und</strong>erts führten spezifische<br />
Antikörperpräparationen als Medikamente<br />
ein Nischendasein, zum Beispiel in Form<br />
von Schlangenbiss-Antiseren in Missionsstationen<br />
des Amazonasbeckens. Auch die<br />
Erfindung der monoklonalen Antiköper<br />
1975 durch Köhler <strong>und</strong> Milstein, welche die<br />
Forschung so grandios beflügelte, änderte<br />
daran zunächst nichts: praktisch alle Therapieversuche<br />
mit monoklonalen Maus-Antiköpern<br />
scheiterten in der klinischen Phase<br />
an starken Gegenreaktionen der Patienten,<br />
die ihrerseits Antikörper (HAMA, humane<br />
Anti-Maus-Antikörper) gegen das „fremde“<br />
Maus-Eiweiß entwickelten. Eigentlich <strong>war</strong><br />
das auch nicht wirklich überraschend, da<br />
ähnliche Effekte nach wiederholten Gaben<br />
von Behring‘s Antiseren gut beschrieben<br />
<strong>war</strong>en („Serumkrankheit“).<br />
All das änderte erst die Gentechnologie.<br />
Der rekombinante Antikörper Adalimumab<br />
(Markenname Humira) – eingesetzt gegen<br />
Arthritis <strong>und</strong> chronisch entzündliche Darmerkrankungen<br />
– ist mittlerweile das umsatzstärkste<br />
Protein-Therapeutikum weltweit<br />
(Ecker et al, 2015). Auf den folgenden<br />
fünf Rängen: ebenfalls rekombinante Antikörper.<br />
Eine einzige Klasse von Molekülen<br />
hat also alles andere, von Aspirin bis Antibiotika,<br />
in Bezug auf den Umsatz auf die<br />
Plätze verwiesen.<br />
Wie <strong>war</strong> das möglich?<br />
Zunächst mal, weil Antikörpermedikamente<br />
enorm teuer sind. Natürlich wird<br />
sehr viel häufiger zum Beispiel Insulin eingesetzt<br />
als Tumornekrosefaktor(TNF)-Antagonisten<br />
wie Adalimumab, aber <strong>eine</strong><br />
Behandlung damit ist auch um Größenordnungen<br />
billiger. Das all<strong>eine</strong> jedoch kann<br />
<strong>eine</strong>n solchen Erfolg nicht erklären.<br />
Ein wichtiger Faktor ist sicher die natürliche<br />
Herkunft der rekombinant hergestellten<br />
Immunglobuline: Die erfolgreichsten<br />
7-8/2016 Laborjournal