Es war einmal.. .. eine Zelle und sie wurde nimmermehr gesehen?
LJ_16_07
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<strong>Es</strong>say<br />
die geografischen Daten. Bei Mendeley erhält<br />
man „nur“ das Land, das der Nutzer<br />
angibt, bei Tweets dagegen sind zum Teil<br />
sehr genaue geografische Daten verfügbar.<br />
Zusätzlich geben Mendeley-Nutzer oft ihr<br />
wissenschaftliches Fachgebiet an.<br />
Man muss jedoch Vorsicht walten lassen,<br />
wenn alternative Metriken von Aggregatoren<br />
(Anbieter von Daten aus vielen<br />
verschiedenen Quellen alternativer Metriken)<br />
verwendet werden. Die Primärquellen<br />
für wissenschaftliche Artikel sind Plattformen,<br />
die leicht durchsucht werden können<br />
(üblicherweise Twitter <strong>und</strong> Facebook). Die<br />
Artikel, die in diesen Primärquellen gef<strong>und</strong>en<br />
<strong>wurde</strong>n, werden ebenfalls auf anderen<br />
Plattformen gesucht. Mir ist aufgefallen,<br />
dass sich bei Mendeley direkt abgefragte<br />
Leserzahlen <strong>eine</strong>s Satzes von Artikeln<br />
deutlich von denjenigen unterscheiden, die<br />
Aggregatoren ermitteln. Bei Aggregatoren<br />
findet man etwa viele wissenschaftliche<br />
Artikel nicht, für die Leserzahlen bei Mendeley<br />
hinterlegt sind. Das liegt daran, dass<br />
die Aggregatoren k<strong>eine</strong> bibliographische<br />
Datenbank zur Hand haben <strong>und</strong> viele wissenschaftliche<br />
Artikel Leserzahlen auf Mendeley<br />
haben, dagegen aber k<strong>eine</strong> Nennung<br />
auf Twitter oder Facebook. Allerdings unterscheiden<br />
sich andere soziale Netzwerke<br />
stark von Twitter <strong>und</strong> Facebook. Daher sollte<br />
man auch nicht er<strong>war</strong>ten, dass ein wissenschaftlicher<br />
Artikel, der in <strong>eine</strong>m Tweet<br />
oder Facebook-Beitrag genannt wird, auch<br />
Online-Referenzmanager-Leser hat oder in<br />
Beiträgen auf LinkedIn genannt wird.<br />
Die Nennung von wissenschaftlichen<br />
Artikeln in politikrelevanten Dokumenten<br />
dagegen ist interessant, weil dadurch<br />
festgestellt werden kann, welche wissenschaftlichen<br />
Artikel für Gesetzgebung <strong>und</strong><br />
politisch aktive Organisationen relevant<br />
sind. Leider gibt es derzeit sehr wenige Artikel,<br />
die in politikrelevanten Dokumenten<br />
genannt werden. Dafür gibt es drei offensichtliche<br />
Gründe:<br />
(1) Nur ein kl<strong>eine</strong>r Teil der wissenschaftlichen<br />
Literatur ist in der Art politikrelevant,<br />
dass er in entsprechenden Dokumenten<br />
referenziert wird.<br />
„Wegen der fachspezifischen<br />
Unterschiede sagen einfache<br />
Nennungen in alternativen<br />
Metriken ähnlich wenig aus<br />
wie einfache Zitatzahlen.“<br />
Zählungen in sozialen Medien spielen <strong>eine</strong> große Rolle in den alternativen Metriken.<br />
(2) Die Datenanbieter<br />
von alternativen<br />
Metriken können<br />
noch nicht alle politikrelevanten<br />
Dokumente<br />
nach Referenzierung<br />
von wissenschaftlichen<br />
Artikeln<br />
durchsuchen.<br />
(3) Die Autoren politikrelevanter Dokumente<br />
sind häufig k<strong>eine</strong> Wissenschaftler<br />
oder haben sich recht weit von der Wissenschaft<br />
entfernt. Daher kann man in politikrelevanten<br />
Dokumenten nicht unbedingt<br />
das Zitierverhalten <strong>eine</strong>s Wissenschaftlers<br />
er<strong>war</strong>ten.<br />
Ähnlich wie bei Zitaten sind auch bei<br />
alternativen Metriken fachspezifische Unterschiede<br />
zu er<strong>war</strong>ten: Artikel in multidisziplinären<br />
Wissenschaftsgebieten weisen<br />
die höchste Aktivität in alternativen Metriken<br />
auf, gefolgt von verschiedensten biologischen<br />
<strong>und</strong> medizinischen Fachgebieten.<br />
Alternative Metriken haben mit Zitaten<br />
gemein, dass die geringste Aktivität in den<br />
Geisteswissenschaften zu beobachten ist,<br />
was jedoch zum Teil an der schlechten<br />
Datenbankabdeckung liegt.<br />
Wegen dieser fachspezifischen Unterschiede<br />
sagen einfache Nennungen in alternativen<br />
Metriken ähnlich wenig aus wie<br />
einfache Zitatzahlen.<br />
In der Bibliometrie<br />
haben sich Normierungsverfahren<br />
etabliert,<br />
um fachliche<br />
<strong>und</strong> zeitbedingte<br />
Effekte zu berücksichtigen.<br />
Diese Normierungsverfahren<br />
sollten Schritt für Schritt in die alternativen<br />
Metriken übertragen werden. Zusammen<br />
mit Lutz Bornmann (<strong>sie</strong>he <strong>Es</strong>say S. 36-<br />
39) habe ich begonnen, die wichtigsten<br />
etablierten Normierungsverfahren aus<br />
der Biblio metrie in die alternativen Metriken<br />
zu übertragen: Wir haben den MNRS<br />
(Mean Normalized Reader Score) 4 <strong>und</strong><br />
MDNRS (Mean Discipline Normalized Reader<br />
Score) 5 für Online-Referenzmanager<br />
(insbesondere Mendeley) vorgeschlagen.<br />
Ebenfalls haben wir <strong>eine</strong>n Perzentil-ba<strong>sie</strong>rten<br />
Indikator (Twitter-Perzentile) 6 auf<br />
Twitter angewendet. Diese drei Indikatoren<br />
sind fach- <strong>und</strong> zeitnormiert.<br />
Beim MNRS-Indikator wird die Anzahl<br />
der Mendeley-Leser <strong>eine</strong>s wissenschaftlichen<br />
Artikels durch die mittlere Leseranzahl<br />
derjenigen wissenschaftlichen Artikel<br />
geteilt, die in demselben Fachgebiet <strong>und</strong><br />
Publikationsjahr veröffentlicht <strong>wurde</strong>n.<br />
Dabei bedeuten Werte über 1, dass dieser<br />
wissenschaftliche Artikel <strong>eine</strong> überdurchschnittliche<br />
Wirkung erzielt hat; Werte<br />
unter 1 bedeuten, dass <strong>eine</strong> unterdurchschnittliche<br />
Wirkung erzielt <strong>wurde</strong>.<br />
Der MDNRS ba<strong>sie</strong>rt analog zum MNRS<br />
auf dem Verhältnis der Leseranzahl <strong>eine</strong>s<br />
wissenschaftlichen Artikels zum Fachdurchschnitt<br />
im selben Publikationsjahr.<br />
Beim MDNRS wird das Fach aber nicht<br />
durch die Fachkategorie des wissenschaftlichen<br />
Artikels, sondern die bei Mendeley<br />
hinterlegte Fachkategorie des Lesers bei<br />
dem Normierungsverfahren verwendet.<br />
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7-8/2016 Laborjournal