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04/2017

Fritz + Fränzi

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Der Weg zu Franz Ziegler führt vorbei<br />

am Kindergarten und der Dorfschule.<br />

Kindergeschrei, da n wieder Sti le.<br />

Noch schne l die Dorfstra se<br />

überqueren, und man steht vor<br />

einem schn ewei sen Haus, dahinter<br />

grasen Kühe und Schafe. «Sie haben<br />

es aber schön hier!», sage ich, als die<br />

Tür aufgeht. Franz Ziegler lächelt:<br />

«Nicht wahr? In Zäziwil scheint seit<br />

Monaten die Sonne.»<br />

He r Ziegler, eine Mu ter, total<br />

gestre st, sagt im Zorn zu ihrer<br />

kleinen Tochter: «Manchmal würde<br />

ich dich am liebsten verkaufen!»<br />

Da hat die Mu ter ihre Tochter ge ­<br />

schlagen, würde ich sagen.<br />

Geschlagen?<br />

Ja, mit Worten. Verbale Gewalt ist<br />

die typischste Form von psychischer<br />

Gewalt. Deshalb spricht man auch<br />

Wie definiert man genere l psychische<br />

oder s elische Gewalt an Kindern?<br />

Monatsinterview<br />

von Wortschlägen.<br />

Das ist ein sehr komplexes und weites<br />

Thema. Psychische Gewalt ka n<br />

von einem einfachen Nebensatz wie<br />

«Kapierst du das eigentlich nie?» bis<br />

zum verbalen Treiben in den Selbst­<br />

Auf jeden Fa l. In dem Moment, in<br />

mord führen: «Ich wünschte, du<br />

Erpre sen, Lächerlichmachen, De­<br />

wärst tot.» Das wichtigste Merkmal Selbstvertrauens und das Vertrauen<br />

Mit dem Kind nicht mehr zu reden<br />

beziehungsweise ihm zu vermitteln,<br />

mütigen, Isolieren, Ignorieren oder<br />

auch permanente Schuldzuweisungen.<br />

dir, ist eine Form von Erpre sung.<br />

von psychischer Gewalt ist, da s<br />

vermi teln, sei es durch Drohen,<br />

Eltern ihrem Kind das Gefühl von<br />

Minderwertigkeit oder Wertlosigkeit<br />

Ein Fünfjähriger wi l sein Zimmer nicht<br />

aufräumen, die Mu ter redet auf ihn<br />

ein, nichts pa siert. Irgendwa n sagt<br />

sie gar nichts mehr. Auch auf die verunsicherte<br />

Nachfrage des Kindes hin,<br />

«Mama, was ist de n?», schweigt sie<br />

beharrlich. Ka n man in diesem Fa l<br />

von seelischer Gewalt sprechen?<br />

in andere zu untergraben anfange,<br />

reden wir von psychischer Gewalt.<br />

ich lieb dich nur, we n dein Zimmer<br />

aufgeräumt ist, und trete auch erst<br />

da n wieder in sozialen Kontakt mit<br />

Und we n sich die Mu ter nur zurückzieht,<br />

um am Ende nicht die Fa sung<br />

zu verlieren?<br />

Das ist eine andere Situation. Es ist<br />

ein Unterschied, ob sich eine Mu ter<br />

ein Timeout von zehn Minuten<br />

nimmt, dieses auch al solches deklariert,<br />

um da n wiede ruhiger mit<br />

dem Kind sprechen zu kö nen, oder<br />

ob sie beha rlich schweigt und jeden<br />

Versuch des Kindes, wieder mit ihr<br />

in Kontakt zu treten, boykottiert.<br />

Nehmen wir ein anderes Beispiel. Eine<br />

13-Jährige kommt wiederholt mit<br />

schlechten Noten nach Hause, am<br />

Nachmi tag möchte sie mit ihren<br />

Freundi nen reiten gehen. «Lern du<br />

erst einmal vernünftig rechnen, so<br />

blöd wie du ka n man doch gar nicht<br />

sein», macht ihr Vater ihren Freizeitplan<br />

zunichte. Was tut er mit diesem<br />

Satz seiner Tochter an?<br />

Franz Ziegler<br />

beschäftigt sich<br />

schon seit über<br />

25 Jahren mit<br />

Kinderschutz.<br />

Er studierte<br />

Heilpädagogik<br />

und Psychologie.<br />

3<br />

Entspa nung.<br />

«Jeder verdient<br />

eine Chance»<br />

Erziehung & Schule<br />

Erziehung & Schule<br />

« Eltern, holt euch Hilfe!»<br />

Drohen, Erpressen, Demütigen – im Familiena ltag können nicht nur Ohrfeigen Kinder<br />

verletzen. Psychische Gewalt ist die häufigste Form von Gewalt gegen Minderjährige,<br />

sagt der Psychologe und Heilpädagoge Franz Ziegler. Der Kinderschutzexperte über<br />

ein Phänomen, das schwer einzugrenzen ist, aber quasi jede Familie betri ft.<br />

Interview: Evelin Hartma n Bilder: Ruben Wy tenbach / 13 Photo<br />

«Mit dem Kind<br />

nicht mehr zu<br />

reden, ist eine<br />

Form der<br />

Erpressung.»<br />

dem ich die Entwicklung seines ><br />

32 März <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

«Wie kann man nur so<br />

ausländerfeindlich sein?!»<br />

Eine Chance<br />

für Mohamed<br />

Ob man ans Gymnasium kommt oder nicht, entscheidet die Herkunft. Das ist leider<br />

auch in der Schweiz noch immer so. Das Programm ChagALL so l für mehr<br />

Chancengleichheit sorgen. Junge, begabte Migrantinnen und Migranten werden<br />

dabei für eine höhere Schu laufbahn fit gemacht. Eine Erfolgsgeschichte.<br />

Text: Evelin Hartma n Bilder: Roshan Adihe ty / 13 Photo<br />

52<br />

Februar <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

(Konterleserbrief zum Leserbrief von Marco Specker<br />

zum Artikel «Eine Chance für Mohamed», Heft 3/<strong>2017</strong>)<br />

Für eine be sere<br />

Konzentration:<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi Februar <strong>2017</strong> 53<br />

Mohamed (rechts)<br />

und die anderen<br />

Teilnehmer lernen<br />

Übungen zur<br />

«Worte können einen ein halbes<br />

Leben lang verfolgen»<br />

(Monatsinterview zum Thema psychische<br />

Gewalt, Heft 3/<strong>2017</strong>)<br />

Ein äusserst wertvoller Artikel, der bewusst macht, wie<br />

mächtig Sprache ist. Besonders prägend entfalten sich<br />

negative, kühle und gezielt eingesetzte Worte, die einen<br />

ein halbes Leben lang verfolgen können.<br />

Ein Beispiel: Meine erste Handarbeitslehrerin war<br />

sich politisch mit meinem Vater nicht einig und liess<br />

ihren Unmut über seine Haltung an mir aus mit der<br />

Bemerkung: «Jetzt kommst wieder du mit deinen zwei<br />

linken Händen.» Es gelang ihr in drei Jahren, mein<br />

Selbstbewusstsein in allem, was Handarbeit betraf, für<br />

Jahre zu zerstören, so dass ich immer zitterte, wenn ich<br />

etwas vorzeigen wollte. Als ich die Prüfung für die<br />

Bezirksschule Aarau mühelos bestand, fragte sie: «Wie<br />

kann jemand, der keinen geraden Saum hinbringt, so<br />

etwas erreichen?»<br />

Ich wurde später Lehrerin und unterrichtete gern,<br />

aber erst die eigenen Kinder brachten mich von der<br />

fixen Idee ab, ich hätte zwei linke Hände, indem sie mich<br />

einfach immer wieder voller Vertrauen fragten und<br />

baten: Mami, bitte hilf mir. Mami, kannst du das wieder<br />

flicken? Mami, wie geht das? Ich hüte mit meinem<br />

Mann regelmässig unsere Enkelbuben, und wie Sie<br />

sehen, ist mir dieser despektierliche Satz, diese<br />

Beurteilung oder Verurteilung durch die Handarbeitslehrerin<br />

immer noch bewusst.<br />

Ursula Fehr, Eglisau (auf www.fritzundfraenzi.ch)<br />

Ich bin auch geschockt, aber auch fassungslos und traurig! Und zwar<br />

ob des von Fremdenhass triefenden Leserbriefs von Marco Specker.<br />

Was bringt Menschen wie ihn dazu, so ausländerfeindlich zu sein und<br />

zu glauben, etwas Besseres zu sein? Nur weil wir das grosse Glück<br />

haben, in einem verhältnismässig sicheren und schönen Land leben zu<br />

dürfen, haben wir nicht das Recht, andere, die zudem Krieg und Gewalt<br />

miterleben müssen, zu diskriminieren. Niemand kann etwas für seine<br />

Hautfarbe, seine Herkunft und seine Wurzeln. Statt Hetze zu betreiben,<br />

Angst zu schüren, Ausländer vorzuverurteilen, auszugrenzen besser<br />

integrieren, etwas mehr Dankbarkeit zeigen – dafür, auf der sonnigen<br />

Seite des Lebens leben zu dürfen, fernab von Krieg, Gewalt, Terror und<br />

Menschenrechtsverletzungen. Im Gegensatz zu Herrn Specker lehren<br />

wir unseren Kindern, dass es weder auf die Herkunft, Hautfarbe,<br />

Religion noch auf die Sprache ankommt, sondern allein auf den<br />

Menschen, dessen innere Werte und Charakter. Jeder hat eine Chance<br />

verdient! Herr Specker: In rund 195 Ländern sind auch Sie Ausländer!<br />

Andrea Mordasini, Bern (per Mail)<br />

«Mit Herzblut und<br />

Kompetenz produziert»<br />

(Spezialheft Gesundheit, Heft 3/<strong>2017</strong>)<br />

Das haut auch einen alten Mediengaul aus den<br />

Socken: Eure neue Nummer mit der Gesundheits-<br />

Beilage ist bewundernswert. Ich weiss und bedaure<br />

es, dass ein solches Medium, das mit viel Herzblut<br />

und grosser Kompetenz produziert wird, im Tsunami<br />

des Internets zu wenig Beachtung findet. Leider zählt<br />

heute der geile Reiz mehr als wahre Werte und Inhalte.<br />

Hans Jürg Deutsch, Ringier AG, Projekte/Beratung<br />

(per Mail)<br />

60 April <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi

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