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04/2017

Fritz + Fränzi

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Erziehung & Schule<br />

>>> gisch untersucht. Wer darf<br />

zuerst zum Futter? Wer hat am meisten<br />

Rechte in der Gruppe? Aus den<br />

Erkenntnissen haben die Schüler<br />

einen Fragebogen erstellt. Künftig<br />

können Schüler im Tierpark via<br />

Smartphone die Webseite von Karol<br />

aufrufen und so ein interaktives<br />

Lehrmittel nützen. Für die Schüler<br />

sei es enorm wichtig, dass ihre Forschung<br />

produktorientiert sei, sagt<br />

Thomas Berset: «Forschung kann<br />

man nicht im kleinen Kämmerlein<br />

machen. Letztes Jahr hielten meine<br />

Schüler zum Beispiel einen grossen<br />

Vortrag an der Uni Freiburg.»<br />

Aber auch Berset selbst hat den<br />

Anspruch, dass sein Unterricht Produkte<br />

erzeugt. Aus den Experimenten<br />

seiner Schüler entstehen immer<br />

wieder ganze Forschungskisten für<br />

Regelklassen. «Es braucht zum Beispiel<br />

sehr viel Aufwand, bis man für<br />

die ganze Klasse Salzwasserkrebse<br />

züchten kann, das wäre für eine<br />

Lehrperson in der Regelklasse nicht<br />

zumutbar. Indem ich diese Projekte<br />

samt Beschrieb und Material an<br />

Regelklassen verteile, können auch<br />

diese von der Hochbegabtenförderung<br />

profitieren.»<br />

Aber was genau unterscheidet<br />

hochbegabte Schüler von Schülern<br />

seiner Regelklasse – neben der<br />

hohen Begabung? «In erster Linie<br />

sind es ganz normale Kinder. Was<br />

mir aber auffällt: Sie sind alle enorm<br />

selbstbewusst. Ich hatte noch nie ein<br />

Kind, das sagte: Das traue ich mir<br />

jetzt nicht zu. Dazu kommt, dass alle<br />

sehr interessiert sind. Einmal hat ein<br />

Schüler ein Vogelnest vom Schulweg<br />

mitgebracht. Das haben wir dann<br />

während vier Stunden untersucht.<br />

Da hat keiner gesagt, dass es ihn<br />

anöde.»<br />

«Den Satz ‹Das trau ich mir<br />

nicht zu› hab ich von einem<br />

hochbegabten Kind noch nie<br />

gehört», sagt Lehrer Berset.<br />

11.30 Uhr, der Unterricht ist aus, die<br />

Kinder gehen nach Hause. Noel<br />

wohnt mit seinen Eltern und seinem<br />

Bruder in einem Einfamilienhaus in<br />

Arth. Cornelia Hohl, Noels Mutter,<br />

steht in der Küche. «Noel war schon<br />

immer sehr interessiert, in den verschiedensten<br />

Bereichen. Wir mussten<br />

ihm viel erklären.» Noel sei den<br />

anderen Kindern stets weit voraus<br />

gewesen. Noch vor dem Kindergarten<br />

konnte er rechnen und schreiben<br />

oder das Alphabet aufsagen. Das sei<br />

schön – und anstrengend, ergänzt<br />

Christoph Hohl: «Nicola, sein kleiner<br />

Bruder, kann sich gut selbst<br />

beschäftigen, Noel fällt das schwerer.»<br />

Ausserdem sei Noel schon<br />

immer sehr kontaktfreudig >>><br />

«In erster Linie<br />

sind es ganz<br />

normale Kinder.»<br />

Thomas Berset<br />

mit Schülern<br />

vom Atelier Plus.<br />

«Die meisten Eltern<br />

fürchten sich vor<br />

der Diagnose»<br />

Das Thema Hochbegabung ist in der<br />

Schweiz noch immer ein Tabu.<br />

Darunter leiden Eltern und Kinder,<br />

sagt Giselle Reimann. Sie führt<br />

an der Uni Basel Abklärungen von<br />

Hochbegabten durch.<br />

Interview: Sandra Casalini<br />

Frau Reimann, wie merke ich, dass mein<br />

Kind hochbegabt ist?<br />

Sehr häufig haben hochbegabte Kinder einen<br />

enormen Wissensdurst. Sie interessieren sich<br />

sehr stark für verschiedene Themen. Sie haben<br />

auch eine sehr gute Auffassungsgabe und können<br />

erstaunlich schnell Schlüsse ziehen. Es<br />

gibt aber auch hochbegabte Kinder, die nach<br />

aussen sehr langsam wirken. Weil sie sehr viel<br />

denken und viel überlegen, bevor sie überhaupt<br />

etwas sagen.<br />

Es ist also gar nicht so einfach, Hochbegabung<br />

zweifelsfrei zu erkennen?<br />

Nein, gerade bei den sogenannten Minderleistern,<br />

bei Kindern, die ihr Potenzial nicht zeigen,<br />

keine guten Noten schreiben, sich im Unterricht<br />

nicht melden, ist es teilweise nicht auf den<br />

ersten Blick erkennbar, dass sie hochbegabt<br />

sind.<br />

Wie schlimm ist es, wenn hochbegabte<br />

Kinder nicht als solche erkannt werden?<br />

Das kann problematisch sein. Bei uns landen<br />

häufig Familien, bei denen dies zu Schwierigkeiten<br />

geführt hat. Wenn ein Kind permanent<br />

auf einem Niveau arbeitet, das eigentlich viel<br />

zu tief ist, kann es überhaupt nicht stolz sein<br />

auf das, was es macht, dann ist es einfach gelangweilt<br />

und auch enttäuscht von den eigenen<br />

Leistungen. Das kann sich negativ auf den<br />

Selbstwert auswirken, und in den schlimmen<br />

Fällen können ernsthafte psychische Probleme<br />

oder Verhaltensauffälligkeiten entstehen.<br />

Sollen Kinder also im Zweifelsfall immer<br />

abgeklärt werden?<br />

Es braucht nicht immer eine Abklärung. Aber<br />

wenn ein Leidensdruck da ist, würde ich das<br />

sehr empfehlen. Eine sorgfältige Abklärung<br />

kann viele Fragen der Eltern beantworten und<br />

vor allem dann auch Lösungsmöglichkeiten<br />

aufzeigen, um die Situation zu entschärfen.<br />

Wie reagieren Eltern auf die Diagnose<br />

«hochbegabt»?<br />

Viele glauben, dass Eltern zu einer Abklärung<br />

kommen und beweisen wollen, dass ihr Kind<br />

hochbegabt ist, und dann ganz stolz sind. Tatsächlich<br />

fürchten sich aber die allermeisten vor<br />

dieser Diagnose. Sie haben Angst vor dem Stigma,<br />

das sie als Eltern bekommen könnten,<br />

66 April <strong>2017</strong> Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi

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