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62. Was es bedeutet, Schmerzpatient zu sein<br />
Die Tatsache, eventuell nie mehr Schmerzfreiheit zu erlangen, birgt<br />
etwas Endgültiges in sich. Ich möchte mir nicht bewusst machen und<br />
vorstellen, wie es ist, dauerhaft, bis ans Ende meines Daseins in permanenter<br />
Abhängigkeit von Medikamenten zu leben. Die Auseinandersetzung<br />
mit dieser Realität fällt mir schwer und erfordert einen Prozess,<br />
dem ich mich eigentlich gar nicht aussetzen möchte. Trotzdem ist mir<br />
bewusst, dass dieser notwendig ist, um mich psychisch nicht ständig<br />
damit zu belasten.<br />
Schmerzpatient sein heißt, sich in einer ständigen Berg- und Talfahrt<br />
zu befinden. Es ist ein steter Wechsel von Hoffnung und Enttäuschung.<br />
Geht es etwa an einem Tag etwas besser, folgt der nächste mit Schmerzen<br />
und zerstört den Optimismus von gestern. Ich bewege mich einen<br />
Schritt nach vorne und glaube, eine Besserung durch medikamentöse<br />
Einstellungen, psychotherapeutische Übungen oder einen schmerzreduzierten<br />
Tag zu verspüren. Aber der nächste Schritt geht nach hinten<br />
und heißt Schmerzattacken oder Schmerzen, ohne dass mir eine<br />
spontane Linderung möglich ist. Zudem empfinde ich das andauernde<br />
Kribbeln als große Belastung. Die Redewendung „es ist zum aus der<br />
Haut fahren“ trifft sehr passend zu, um diesen Zustand zu beschreiben.<br />
Es fällt mir nicht immer leicht, gegen meine in manchen Phasen mental<br />
negative Stimmungslage anzukämpfen. Es kostet mich Kraft, die<br />
teilweise, gerade wenn Schmerzattacken gehäuft auftreten, nur noch<br />
in geringem Maße vorhanden ist. Manchmal möchte ich an diesen<br />
„Negativ-Tagen“, wie ich sie insgeheim nenne, keinerlei Kontakt nach<br />
außen, obwohl ich gleichzeitig weiß, dass gerade in diesen Zeiten positive<br />
Impulse und Erlebnisse von großer Wichtigkeit sind, um den<br />
Energiehaushalt wieder aufzutanken. Ich denke, beides hat seine Berechtigung.<br />
Ein Gespür, es zu erkennen und wie damit umzugehen ist,<br />
musste ich für mich erst entwickeln. Ich versuche es mit Schmerzbewältigungsstrategien<br />
(Entspannung, Atemübungen, genussvolle Tätig-<br />
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