Der Burgbote 2010 (Jahrgang 90)
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»Lieb' Vaterland, magst unruhig sein«<br />
Anmerkungen zum Philharmonie-Konzert 2011 des KMGV<br />
Bereits Anfang dieses Jahres erörterten<br />
unser Dirigent Bernhard Steiner und der<br />
Musikausschuss Titel und Programm<br />
des Philharmonie-Konzerts im nächsten<br />
Jahr und machten dem Vorstand einen<br />
entsprechenden Vorschlag.<br />
Diese frühe Festlegung war zum einen<br />
notwendig, um mit einem konkreten<br />
Programm im Jahresüberblick 2011 der<br />
Philharmonie vertreten zu sein, zum ande<br />
ren - und das ist sicher das wichtigere Motiv<br />
- sollte bereits unmittelbar nach dem dies<br />
jährigen Konzert das Notenmaterial zur<br />
Verfügung stehen, um die Probenarbeit<br />
zügig aufnehmen zu können.<br />
Ziel ist es ja, einen geänderten Veranstal<br />
tungsrythmus einzuführen, d. h. zukünftig<br />
nicht mehr in den Monaten Oktober - Ja<br />
nuar den größten Teil des jährlichen<br />
Probenprogramms dicht gedrängt unter<br />
bringen zu müssen. Die Proben für 2011<br />
haben daher auch bereits erfolgreich<br />
begonnen, so dass Spielraum für andere<br />
Aufgaben des Chors gewonnen wird - von<br />
der Zäsur durch das Divertissementchen<br />
einmal ganz abgesehen.<br />
Titelwahl und historischer<br />
Hintergrund<br />
Seit jeher ist es erklärtes Bestreben unseres<br />
Chors, das Publikum auch mit weniger<br />
populärer - wenn nicht gar »schwieriger« -<br />
Literatur anzusprechen . Manchmal ein ris<br />
kantes Unterfangen und nicht nach jeder<br />
manns (auch nicht der Sänger) Geschmack,<br />
im Hinblick auf einen künstlerischen An<br />
spruch aber geradezu zwingend. Im übrigen<br />
halten es zahlreiche andere Chöre ebenso,<br />
wie bereits eine flüchtige Ubersicht der Auf<br />
führungspraxis zeigt. Bei den entsprechen<br />
den Überlegungen im Musikausschuss kam<br />
»Vaterländisches« aus dem 19. Jahrhundert<br />
ins Blickfeld. Nun ist der Begriff »Vaterland«<br />
ja heutzutage gänzlich unmodern, kann<br />
sogar zu Missverständnissen führen. Bis auf<br />
wenige Ausnahmen eines ausgeprägten<br />
Nationalismus (man denke aktuell an Fla<br />
men und Wallonen in Belgien), hat der<br />
europäische Gedanke nicht nur die Grenzen<br />
verschwinden lassen, sondern auch das<br />
Denken und Handeln (Reisen!) der Men<br />
schen im Sinne von Toleranz und Internationalität<br />
beeinflusst. Das war im 19. Jhdt.,<br />
in dem unsere drei, an Nord- und Ostsee<br />
angesiedelten Chorwerke von Grieg, Bruck<br />
ner und Sibelius entstanden, gänzlich an<br />
ders. Auf verschiedene Weise gehen die drei<br />
Werke auf einen Eroberungsgedanken zu<br />
rück: bei Grieg ist es die Rückeroberung des<br />
norwegischen Königreichs durch einen<br />
jungen, erstmals christlichen König, bei<br />
Bruckner die Gott verdankte Abwehr einer<br />
Eroberung Helgolands durch die Römer,<br />
und bei Sibelius ebenfalls die Abwehr,<br />
nämlich des russischen Einflusses auf<br />
Finnland. Inter-Nationale Feindschaft war<br />
Normalität.<br />
Auch das bekannte Zitat »Lieb Vaterland<br />
magst ruhig sein«, das - in allerdings abge<br />
wandelter Fassung - den Titel unseres Kon<br />
zerts liefert, geht auf eine Konfrontation<br />
zurück. Das 1840 entstandene patriotische<br />
Gedicht von Max Schneckenburger »Die<br />
Wacht am Rhein« richtete sich gegen die<br />
französische Bedrohung des linken Rhein<br />
ufers. In der Vertonung von Karl Wilhelm<br />
(1854), der bald darauf dem KMGV beitrat,<br />
spielte dieses patriotische Werk eine ge<br />
wichtige nationale Rolle. Uberhaupt hatte<br />
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