Der Burgbote 2010 (Jahrgang 90)
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pp = planissimo<br />
oder: laut kann jeder<br />
Da habe ich mich ja letzthin mit den Geset<br />
zen der Schwerkraft beschäftigt. Wenn auch<br />
die angekündigte Testreihe noch nicht ab<br />
geschlossen ist, ließen sich schon einige<br />
überraschende Ergebnisse erkennen. Aus<br />
gegebenem Anlass will ich mich heute aber<br />
einem anderen Fachgebiet der Physik zu<br />
wenden: <strong>Der</strong> Akustik. Zunächst lasse ich<br />
mein Ohr in die Vergangenheit schweifen;<br />
Die berühmte Stecknadel<br />
Wenn ein überaus stattlicher Chor befrack<br />
ter Herren in der Philharmonie z.B. die<br />
Strauß'sehen Tageszeiten so einfühlsam<br />
singt, dass man bei den p- und pp-Stellen<br />
481 das Fallen einer Stecknadel hören könnte,<br />
dann bin ich, dann ist der Musikfreund<br />
berührt und begeistert. Wie bei jedem ande<br />
ren Gast des Konzertes löst dieser gekonnte<br />
Gesang eine tiefe Rührung aus, auch wenn<br />
ich, eingeladen von meinen Spötterkollegen,<br />
nur in der Dachkonstruktion der Philhar<br />
monie Platz nehmen darf und die Skate<br />
board-Fahrer mir schon so manchen Abend<br />
verleidet haben. Gerade viele solcher eher<br />
leisen Momente wirklichen Sänger-Könnens<br />
kommen mir in den Sinn, wenn - wie ich in<br />
der letzten Zeit öfter vernehmen kann - be<br />
mängelt wird, dass der Gesang zu laut sei<br />
(Originalton Ihres Herrn Dirigenten: »...bitte,<br />
nicht brüllen...«). Mir entgeht eben nichts da<br />
oben in meinem Gebälk. Was ist los?<br />
Erklärungsversuch<br />
Die subjektiv empfundene Lautstärke hat<br />
natürlich in erster Linie auch mit der Aku<br />
stik der Räumlichkeit zu tun, und unsere<br />
Burg hat nun einmal sehr verschiedene<br />
Räume zu bieten - ich muss es ja wissen. Da<br />
der Chor in letzter Zeit bei den Proben öfter<br />
»ausgelagert« war und z.B. das »Alexiana«<br />
akustisch nicht wirklich mit dem großen<br />
Saal zu vergleichen ist, hatte ich bei einer<br />
ganzen Reihe eifriger Probengänger von<br />
meinem Beobachtungsposten aus den Ein<br />
druck von schwer erduldeten Dezibeln und<br />
dickem Kopf. Ebenso wie übrigens kürzlich<br />
im Belgischen Haus, einem ansonsten auch<br />
für mich recht angenehmen Ausweich<br />
quartier. Am besten liegt dem großen Chor<br />
eben doch der Saal und man sollte daher<br />
wirklich nur in Ausnahmefällen auf ihn<br />
als Probenraum verzichten. Wenn auch<br />
manchmal schon kurz vor Probenende der<br />
Duft von Frikadellche, Öllich und Kies<br />
durch die Gänge kriecht, so heißt das doch<br />
nur: hier ist zu Hause! Manch einer wird<br />
die Herren um diesen tollen Probenraum<br />
beneiden - und ich bin regelmäßig neidisch<br />
auf das leckere Abendessen, das für mich lei<br />
der unerreichbar am Büffet angerichtet ist.<br />
Noch ein Erklärungsversuch<br />
Aber auch jetzt im angestammten Proben<br />
saal - was höre ich von den Sängern? Er<br />
mahnt nicht der Dirigent immer wieder zu<br />
leiseren Tönen? Ich mache mir darüber so<br />
meine Gedanken, und dann kommt mir in<br />
den Sinn, dass übertriebene Stimmstärke