Der Burgbote 2010 (Jahrgang 90)
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der Männer-Gesang im 19. Jhdt. eine große<br />
gesellschaftliche und politische Bedeutung,<br />
die im Bewusstsein unseres Publikums<br />
teilweise heute noch nachwirkt. In den<br />
Annalen (und angeblich auch im Noten<br />
archiv!) des KMGV gibt es so manches, das<br />
man heute als völlig unzeitgemäß empfin<br />
den würde. Vaterländische Gedanken und<br />
Begeisterung haben im 19. Jhdt. vieles<br />
dauerhaft bewirkt (gerade wir in Köln sehen<br />
von 1840 -1880 die Vollendung des Doms),<br />
sie haben den Menschen aber auch über<br />
100 Jahre BCrieg und Elend gebracht. Aus<br />
heutiger Sicht, nach 65 Jahren Frieden in<br />
Zentraleuropa, kann die Forderung daher<br />
nur sein »Lieb Vaterland magst unruhig<br />
sein«, also weltoffen, tolerant, kritisch. In<br />
diesem Geist können wir die musikalischen<br />
Botschaften dieser Zeit der Romantik /<br />
Spätromantik vertreten. Und wir wollen in<br />
unserem Konzert auch den Bogen in das<br />
20. Jhdt. schlagen, die Folgen eines blinden<br />
Patriotismus aufzeigen, um mit Franz<br />
Schuberts »Hymnus an den heiligen Geist«<br />
versöhnlich abzuschließen.<br />
Zu den einzelnen Werken<br />
Edward Grieg (1843 - 1<strong>90</strong>7) op 31<br />
»Landerkennung«<br />
Grieg vertonte ein Gedicht des norwegi<br />
schen Dichters und Politikers Björnstjerne<br />
Björnson von 1872 (Bjömson war der erste<br />
skandinavische Literatur-Nobelpreisträger).<br />
Um die Figur des Olaf Tryggvason (963-<br />
1000), der aus königlichem Geschlecht<br />
stammte, ranken sich verschiedene Legen<br />
den. Er musste aus seiner Heimat fliehen,<br />
war lange Jahre als Wikinger auf Raubzügen<br />
unterwegs, bevor er sich zum Christentum<br />
bekehren ließ. Nach seiner Rückkehr, die in<br />
Björnsons Gedicht geschildert wird, wurde<br />
er der erste christliche König Norwegens.<br />
Die glückliche Überfahrt verdankt sich<br />
göttlichem Beistand, und so endet das<br />
Gedicht mit dem Lob Gottes. Tryggvason ist<br />
sehr bald wahrscheinlich in einer See<br />
schlacht in der Ostsee umgekommen.<br />
Anton Bruckner (1824 -1896) »Helgoland«<br />
<strong>Der</strong> von Bruckner so bezeichnete »Sympho<br />
nische Chor« gilt als sein letztes vollendetes<br />
Werk und wurde 1893 als Auftragskompo<br />
sition für die 50-Jahr-Feier des Wiener<br />
Männergesang-Vereins geschrieben. Den<br />
Text verfasste der österreichische Dichter<br />
und Schriftsteller August Silberstein, mit<br />
dem Bruckner lange Jahre zusammenarbei<br />
tete (u.a. beim Werk »Germanenzug« fast 30<br />
Jahre zuvor). Auch hier wird die göttliche<br />
Fügung (»Vater, Allvater«) zur Errettung aus<br />
höchster Not erfleht; römische Invasoren<br />
bedrängen das Sachsenvolk auf Helgoland,<br />
aber dank der »Schrecken des Meeres«<br />
versinkt die römische Flotte und Helgoland<br />
ist gerettet. Als weiteren Anlass für diese<br />
Komposition Bruckners wird die Rückgabe<br />
Helgolands durch England an das Deutsche<br />
Reich drei Jahre zuvor vermutet.<br />
Jean Sibelius (1865 - 1957) op 36<br />
»Finlandia - Hymne«<br />
Die ursprüngliche Fassung dieser »Sinfoni<br />
schen Dichtung« entstand Ende des 19.<br />
Jhdt. im Zusammenhang mit der finnischen<br />
Gegenreaktion zur zunehmenden Russifizierung<br />
des Landes. Aus der Programmatik<br />
des Stückes entwickelte sich bald eine<br />
patriotische Bedeutung, die es zur »heimli<br />
chen Nationalhymne« Finnlands werden<br />
ließ. Die Textversion entstand 1941<br />
(V A. Koskenniemi) nach dem Angriff der<br />
Sowjetunion 1939 und drückte die Hoff<br />
nung auf Freiheit aus. Die deutsche Nach<br />
dichtung stammt von Hellmuth von Hase.<br />
Uber das weitere Programm des Philharmonie-<br />
Konzerts 2011 informieren wir im nächsten<br />
<strong>Burgbote</strong>n.<br />
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