Der Burgbote 2010 (Jahrgang 90)
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auch eine Art Kompensation sein könnte.<br />
Frei nach dem Motto: Je lauter gesungen,<br />
desto weniger wird man merken, dass Arti<br />
kulation und Intonation alles andere als<br />
sicher sind. Und mit den Texten ist es ja oft<br />
auch nicht zum Besten bestellt, da sind die<br />
Sänger nicht zu beneiden. Da kommen<br />
Passagen vor, die selbst mir als Jahr<br />
hunderte altem Dachsparrenhocker völlig<br />
unbekannt sind. Wenn dann besonders<br />
»griffige« Texte zu singen sind, bricht sich<br />
natürlich die musikalische Begeisterung<br />
über-akustisch Bahn: Jetzt wackelt die Wol<br />
kenburg! Allerdings, wie ich glücklicher<br />
weise immer wieder feststelle, beim Auftritt<br />
im Frack ist die nötige Sensibilität und<br />
Spannung gewährleistet. Dann siegt die<br />
Konzentration über eine unangemessene<br />
Lautstärke.<br />
<strong>Der</strong> dritte Erklärungsversuch<br />
stecken«. Da wird schnell aus der eingangs<br />
zitierten Stecknadel, die man fallen hören<br />
können sollte, ein ungewollter Klangsalat<br />
guten Willens.<br />
Jetzt erschreckt nicht. Bitte keine Miss<br />
verständnisse: Natürlich gibt es gesangliche<br />
Herausforderungen, wie Ihr sie ja gerade<br />
bei den Konzerten mit den Bläck Fööss<br />
erlebt habt, die seitens der Sänger Tempe<br />
rament und auch mal kräftiges, kölsches<br />
Zupacken verlangen - eben keine »Cappuccino-Haltung«.<br />
Bei den Proben dürfte aber meist ein »ge<br />
pflegtes mezzoforte« die für alle Beteiligten<br />
angenehmere Lautstärke sein, und sie trägt<br />
wohl am besten dazu bei, den Nachbarn zu<br />
hören und sich einzufügen. Mir jedenfalls<br />
würde es auf meinem Beobachtungsposten<br />
mit weniger Druck und mehr Einfühlungs<br />
vermögen besser gefallen und außerdem:<br />
laut kann jeder (s.o.).<br />
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Höre ich da etwa auch die eine und andere<br />
Einzelstimme? Glockenklar - manchmal -<br />
tritt sie hervor, bricht sich Bahn und ist in<br />
aller Deutlichkeit zu vernehmen. <strong>Der</strong> Stolz,<br />
Stimme und Liedgut zu beherrschen, mag<br />
ja oft berechtigt sein, und es mag auch gut<br />
gemeint sein, weniger kompetente Sänger<br />
mitzuziehen. Aber, gut gemeint ist immer<br />
noch das Gegenteil von gut! Ein Chor ist<br />
ein Chor (oder wie ich den musikalischen<br />
Leiter gelegentlich spötteln höre:»...machen<br />
wir's doch wie ein richtiger Chor...!«), das<br />
gemeinsame Agieren ist entscheidend und<br />
Spannung ist allemal wichtiger als übermä<br />
ßige Stimmkraft. Denn was ist das Resultat?<br />
Mitgezogen von der kräftigen Stimme des<br />
kundigen Nachbarn wird zunächst die eine<br />
Stimmgruppe lauter. Unweigerlich folgt<br />
die direkt benachbarte Stimmgruppe, um<br />
die anderen Stimmen folgerichtig »anzu<br />
Also: Leute, singt leise! - Die Welt<br />
ist laut genug.