Die Stärke der Pferde - Biokreis
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n_4_11.qxp 01.08.2011 09:58 Seite 10<br />
Aktuelles Agrarpolitik & Markt<br />
Qualitätsbegriffe bei Lebensmitteln<br />
sind vielfältig. Alle<br />
entsprechen den gesetzlichen<br />
Standards, manche sind kontrolliert<br />
integriert, an<strong>der</strong>e biologisch wertvoll.<br />
Immer mehr Produkte tragen<br />
mittlerweile ein Label aus <strong>der</strong><br />
Region und versprechen, in <strong>der</strong><br />
Heimat erzeugt zu sein.<br />
Längst haben sie die Nische des<br />
Direktvermarkters verlassen, und<br />
immer häufiger sind Lebensmittel aus<br />
<strong>der</strong> Region auch in Supermärkten zu<br />
finden. Neuerdings schmücken<br />
Discounter ihre Eigenmarken mit<br />
einem guten Stück Heimat. Regionale<br />
Marken boomen, lei<strong>der</strong> immer öfter<br />
ohne Bioqualität. Vielfach reicht es<br />
aus, den Kunden ein Gefühl zu vermitteln,<br />
das in Zeiten von Globalisierung<br />
Halt gibt und sie „ankommen“ lässt.<br />
Heimat ist bekanntlich dort, wo ich<br />
hingehe, wenn mir die Orte ausgegangen<br />
sind. Doch Heimat ist nun auch<br />
käuflich zu erwerben, bei Aldi gibt es<br />
zum Beispiel hessischen Apfelwein<br />
und Pfälzer Leberwurst. Heimat wird<br />
hier zum Synonym von guten<br />
Lebensmitteln, weil sie in <strong>der</strong> Nähe<br />
erzeugt werden. Sie versprechen meist,<br />
Anzeigen<br />
10 BioNachrichten 4 | August/September 2011<br />
Hohle Phrasen<br />
Kommentar von Sepp Brunnbauer<br />
zum Thema regionale Produkte<br />
umweltschonend hergestellt zu sein,<br />
auf Gentechnik zu verzichten, weite<br />
Transportwege zu vermeiden, und es<br />
werden die gesetzlichen Vorgaben eingehalten.<br />
Auf anerkannte ökologische Standards<br />
wird allerdings bewusst verzichtet. Bio<br />
sei beliebig und werde durch die ganze<br />
Welt gefahren, so das Argument. Aber<br />
ist diese Aussage berechtigt? Manches<br />
spricht in <strong>der</strong> Tat dafür: Bioäpfel aus<br />
Australien, Ökokartoffeln aus Ägypten<br />
und das biologische Pangasiusfilet aus<br />
Vietnam zeugen von einer Entwicklung,<br />
die die Nachhaltigkeit biologischer<br />
Lebensmittel fragwürdig erscheinen<br />
lässt. Zu Recht etabliert sich<br />
deshalb ein weiterer Qualitätsbegriff<br />
für Lebensmittel, <strong>der</strong> dem Verbraucher<br />
verspricht, mit seinem Einkauf regionale<br />
Wertschöpfungsketten zu unterstützen,<br />
Arbeitsplätze vor Ort zu<br />
sichern und umweltgerechte Landwirtschaft<br />
zu för<strong>der</strong>n. Manchmal werden<br />
diese Erwartungen sogar erfüllt –<br />
aber nicht immer. Denn <strong>der</strong> Qualitätsbegriff<br />
von Regionalität ist in <strong>der</strong><br />
Regel nicht kontrolliert, und häufig<br />
muss er ohne nachvollziehbare<br />
Standards auskommen. <strong>Die</strong> Frage nach<br />
<strong>der</strong> Herkunft <strong>der</strong> Produktionsmittel<br />
o<strong>der</strong> nach einer artgemäßen Haltung<br />
<strong>der</strong> Tiere wird nur selten sachgemäß<br />
beantwortet. Landwirtschaftliche Betriebe,<br />
die beispielsweise ihre Futtermittel<br />
aus Südamerika beziehen, gelten<br />
trotzdem als „regional“. Nur selten<br />
wird gefragt, wie die CO2-Bilanz von<br />
Dünge- und Pflanzenschutzmitteln<br />
aussieht, die auf <strong>der</strong> Basis von Erdöl<br />
hergestellt wurden. Nicht zuletzt ist die<br />
„Ver-Maisung“ <strong>der</strong> Landschaft einer<br />
Form <strong>der</strong> Landwirtschaft geschuldet,<br />
die das Prädikat nachhaltig nicht verdient,<br />
auch wenn sie in <strong>der</strong> Region<br />
stattfindet.<br />
Der Begriff Regionalität bleibt<br />
schwammig. Er macht es Verbrauchern<br />
nahezu unmöglich, zu erkennen, welches<br />
landwirtschaftliche System wirklich<br />
hinter dem schönen Wort „Heimat“<br />
steckt. Echte Glaubwürdigkeit könnte<br />
das Qualitätssicherungssystem des<br />
ökologischen Landbaus bieten. Denn<br />
<strong>der</strong> regionale Qualitätsbegriff macht<br />
nur Sinn in Verbindung mit nachvollziehbaren<br />
ökologischen Standards.<br />
Hier muss sich die Biobranche am<br />
eigenen Schopf packen: Wir alle sind<br />
gefor<strong>der</strong>t, die Globalisierung im<br />
Biomarkt kritisch zu hinterfragen und<br />
die Regionalität wie<strong>der</strong> mehr in den<br />
Fokus zu rücken. Regionalität, Fairness<br />
und Ökolandbau gehören zusammen,<br />
getrennt voneinan<strong>der</strong> bleiben diese<br />
Worte hohle Phrasen. Siehe S. 8/9