Die Stärke der Pferde - Biokreis

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n_4_11.qxp 01.08.2011 10:13 Seite 30 Titel Pferde pern in den USA unter Umständen erst ab einer Betriebsgröße von ca. 70 Hektar ökonomisch Sinn macht. Für die europäischen Verhältnisse gibt es zurzeit keinen derartigen Richtwert. Diesen zu ermitteln wäre eine dringende Aufgabe für die landwirtschaftliche Forschung, die auch Leistungsdaten moderner Pferdetechnik erarbeiten müsste, da sich Anfragen nach konkreten Zahlen zur Pferdearbeit häufen. Gut für die Bodengesundheit Auch hinsichtlich der Vermeidung von Bodenverdichtung stellen Arbeitspferde ein probates Mittel dar. Die im biologischen Landbau bevorzugte mechanische Unkrautbekämpfung mittels Schlepper erfordert ein vielfaches Befahren der Kulturen mit begrenzter Arbeitsbreite. Daraus resultiert eine noch stärkere Bodenverdichtung als bei chemischer Unkrautbekämpfung mit einer geringeren Anzahl Überfahrten bei gleichzeitig deutlich größeren Arbeitsbreiten. Zwar verursachen Pferde unter Umständen höheren Kontaktflächendruck als Schlepperreifen, aber die Verdichtungswirkung beschränkt sich aufgrund des vergleichsweise geringen Gewichtes auf die oberen Zentimeter des Bodenprofils. Für Waldböden ist seit über zehn Jahren belegt, dass Pferde keine ökologisch wirksame Verdichtung verursachen. Bezogen auf landwirtschaftliche Flächen gibt es hierfür deutliche Hinweise: Landwirte, die auf Pferde umgestellt haben, beobachten, dass nach drei bis vier Jahren geänderter Bearbeitung eine Erholung des Bodens und höhere Erträge zu verzeichnen sind. Im Gegensatz dazu zeigt die Praxis, dass Breitreifen nicht geeignet sind, Bodenverdichtungen zu vermeiden, eine Tatsache, die bereits seit mehr als 25 Jahren bekannt ist. 30 BioNachrichten 4 | August/September 2011 Wenn das Feld mit Pferden bestellt wird, ist die Arbeitsbreite wesentlich geringer als mit Maschinen. Hier eine Sämaschine Einböck „Mechanodrom.“ Den ländlichen Raum stärken Die Entwicklung des ländlichen Raums durch lokale Produktion und Vermarktung von Lebensmitteln ist eines der Ziele des Ökologischen Landbaus. Damit verbunden ist auch die Hoffnung, die Migration vom Land in die Städte zu bremsen. Das wird aber nur möglich sein, wenn die lokale Landwirtschaft auf Produktions-, Verarbeitungs- und Vermarktungsmechanismen zurückgreift, die neue Arbeitsplätze in Familienbetrieben sowie kleinen und mittleren Unternehmen schaffen. Gerade hier könnte die Verwendung von Arbeitspferden von Vorteil sein. Die Mehrkosten für höheren Arbeitsaufwand bei der Produktion verschiedener Lebensmittel für den loka- Bild: Paul Schmit len Markt auf kleineren Parzellen würden wettgemacht durch die Einsparungen bei den massiven Kosten für Verarbeitung, Verpackung, Lagerung und Transport über weite Strecken. So gesehen würde es sich lohnen, die gezielte Vernichtung zahlloser kleiner landwirtschaftlicher Betriebe in Mittelund Osteuropa zu beenden und die ländlichen Strukturen zu erhalten, zu fördern und bei der Ausrichtung auf Ökolandbau zu unterstützen. Ein Blick in die Vereinigten Staaten kann hilfreich sein, die Skepsis in Bezug auf Arbeitspferde zu dämpfen. Als die erfolgreichsten Landwirte in den USA gelten die Amish. Sie verwenden keine Traktoren, sondern arbeiten ausschließlich mit Pferden. Bild: G. Weltin Bild: C Becker Hier zu sehen ist ein Vorderwagen „Octoplus“ mit Doppelmesser- Mähwerk. Ein Feld mit Salat wird hier mit einer Hacke von „I & J“ bearbeitet.
n_4_11.qxp 01.08.2011 10:14 Seite 31 Die Sprache der Pferde Gewaltfreie Kommunikation zwischen Mensch und Tier – die Erkenntnisse von Monty Roberts und Andrea Kutsch Von Eva Schuster Ein „Gespräch“ zwischen Pferden und Menschen, ist das möglich? Wer schon einmal von Andrea Kutsch, der einstigen Meisterschülerin von Monty Roberts, dem amerikanischen „Pferdeflüsterer“ gehört hat, wird diese Frage mit „Ja“ beantworten. Andrea Kutsch, geboren 1967 in Frankfurt am Main und heute in Hamburg lebend, hatte von Kindheit an mit Pferden zu tun. Sie reitet seit ihrem fünften Lebensjahr und bekam später ihr eigenes Reitpony. Ihr sehnlichster Wunsch war, mit den Pferden sprechen zu können. „Warum kannst du nicht sprechen?“ fragte sie ihr Pony, nachdem Erwachsene das Tier als schwierig und böswillig eingestuft hatten. Der erste Kontakt mit Monty Roberts entstand 1997 – zunächst über sein Buch „Der mit den Pferden spricht“. Teils neugierig, teils skeptisch flog sie zwei Jahre später nach Kalifornien, um an einem der ersten Kurse des „Pferdeflüsterers“ teilzunehmen. Bis 2003 erlernte sie in Kalifornien an der Seite von Monty Roberts „Equus“. Diese „Sprache“ erforscht Monty Roberts seit seiner Jugend. Während er 1948 in Nevada die wilden Pferde beobachtete, entschlüsselte er nach und nach ihre Gesten und „übertrug“ sie in die Körpersprache von uns Menschen. Heute forscht Andrea Kutsch weiter und hat dafür 2006 die Andrea Kutsch Akademie in Hamburg gegründet. In Vorführungen, Lehrgängen und einem anerkannten Studiengang gibt sie ihre Erkenntnisse weiter. Ihre Maxime ist der gewaltfreie Umgang mit dem Geschöpf Pferd. Gerte und Peitsche als Mittel der Erziehung werden damit unnötig. Wie sieht die Kommunikation zwischen Pferden aus? Nonverbal, und nur selten über Laute. Denn von Natur aus kommunizieren Pferde geräuschlos. Sie sind Fluchttiere, und wenn sie einer Gefahr begegnen, werden sie instinktiv davon laufen. Kommunizierten sie in der Wildnis über Laute, würden sie Raubtiere anlocken. Deshalb reagieren Wildpferde in höchstem Maße beängstigt, wenn sie mit domestizierten, wiehernden Pferden zusammen gebracht werden. Unsere Worte dagegen erreichen die Pferde nicht. Natürlich haben etwa Schulpferde über die Jahre gelernt, auf das Wort „Trab“ hin anzutraben. Doch gibt man einem ungesattelten Pferd auf der Weide dieses Kommando, wird es deshalb nicht anfangen, zu traben. Das bedeutet, dass die eigentliche Kommunikation nonverbal, also über die Körpersprache abläuft. Wie sieht eine gemeinsame Sprache zwischen Mensch und Pferd aus? Andrea Kutsch beschreibt es so: „Die Grundlage der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Pferd ist der interspezifische (= zwischen verschiedenartigen Lebewesen) Kommunikationsprozess. Dabei ist es möglich, dass Pferd und Mensch Gesten gegenseitig codier- und decodierbar machen. Eine gemeinsame nonverbale Sprache wird gegenseitig entzifferbar und so der Mensch für das Pferd lesbar und zum vertrauensvollen Partner. Jede Geste hat eine Bedeutung, die aus der Natur stammt und nicht die Erfindung eines Trainers ist. Es ist die verlässliche Sprache der Natur die jeder Mensch erlernen und anwenden kann, ebenso wie jedes der 50 Millionen Pferde dieser Welt gleichermaßen darauf agieren. Kein „Gurutum“ also, sondern Fakten. Pferde Titel Eine geöffnete Hand, ein direkter Augenkontakt oder die Schulterstellung lösen Instinkte im Pferd aus und können sein Verhalten steuern.“ Über 180 Gesten hat Andrea Kutsch lesbar gemacht und daraus Trainingskonzepte entwickelt, die nicht nur jede Gewalt aus der Arbeit mit Pferden eliminiert, sondern auch wirtschaftlich interessant sind. Über 80 wissenschaftliche Abhandlungen wurden in der Andrea Kutsch Akademie umgesetzt und sorgen für Nachweise, dass die Kommunikation mit Pferden große Vorteile im Training und der Ausbildung mit sich bringt, sowohl am Boden, als auch unter dem Sattel. Wenn es Probleme mit Pferden gibt, dann liegt es meist daran, dass die Menschen nicht eindeutig kommunizieren. Das Pferd versteht nicht, was der Mensch von ihm möchte. Dadurch kommt es zu Verhalten wie Beißen, Koppen, Schlagen, inakzeptablen Verhaltensweisen oder Verladeproblemen. Andrea Kutsch, die bisher drei Bücher veröffentlicht hat, verfolgt das Ziel, dass in allen reiterlichen Disziplinen Pferde von Geburt an mit gewaltfreien Methoden trainiert werden, um damit eine bessere Welt für Pferd und Mensch zu schaffen. Tiefergehende Kenntnisse vermitteln die Seminare und Lehrgänge der Andrea Kutsch Akademie, einem unabhängigen Ausbildungszentrum, das auch den Transfer in eine einfühlsame menschliche Kommunikation schafft. Längst werden die Erkenntnisse genutzt, um auch Führungskräften über die interspezifische Kommunikationsmöglichkeit Empathie und Einfühlungsvermögen, sowie die Bedeutung einzelner Gesten und Signale zu vermitteln. www.andreakutschakademie.de. BioNachrichten 4 | August/September 2011 31 Bild: Kutsch
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