ZAP-2018-20
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Sozialrecht Fach 18, Seite 1607<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong><strong>20</strong>18</strong><br />
In dem nunmehr vom BSG entschiedenen Fall (Urt. v. 14.2.<strong><strong>20</strong>18</strong> – B 14 AS 17/17 R; REICHEL juris PR-SozR<br />
13/<strong><strong>20</strong>18</strong> Anm. 2) lebten die miteinander verheirateten Kläger gemeinsam mit ihrem unverheirateten<br />
21-jährigen Sohn in einer nur von ihnen gemieteten Wohnung. Sie bezogen zunächst alle drei als<br />
Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Nachdem der<br />
Sohn ein Gewerbe angemeldet hatte, war er vom beklagten Jobcenter vergeblich zur Abgabe einer<br />
Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit aufgefordert worden. Wegen fehlender<br />
Mitwirkung des Sohnes berücksichtigte der Beklagte gem. § 66 Abs. 1 SGB I bei den Leistungen für<br />
Unterkunft und Heizung nur den jeweiligen Kopfteil der beiden Kläger an den Aufwendungen für<br />
Unterkunft und Heizung, nicht den „fehlenden“ Kopfteil ihres Sohnes. Die auf Übernahme der<br />
tatsächlichen Unterkunftsaufwendungen gerichtete Klage hatte in der Berufungsinstanz Erfolg. Das<br />
LSG verwies zur Begründung seines Urteils auf die Entscheidung des BSG (Urt. v. 23.5.<strong>20</strong>13 – B 4 AS 67/12<br />
R), die zur Vermeidung einer Bedarfsunterdeckung im Rahmen von Sanktionen gegen ein Mitglied der<br />
Bedarfsgemeinschaft eine Abweichung vom Kopfteilprinzip für erforderlich gehalten hatte und meinte,<br />
entsprechend sei auch hier eine Abweichung notwendig. Dem folgte das BSG nicht. Die vom Beklagten<br />
eingelegte, vom LSG zugelassene Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückweisung<br />
der Berufung der Kläger gegen das klageabweisende Urteil des SG.<br />
Das BSG verweist zunächst auf seine bisherige Rechtsprechung, wonach eine Abweichung vom<br />
Kopfteilprinzip und die aus ihr folgende Erhöhung der Einzelansprüche auf Leistungen für Unterkunft und<br />
Heizung voraussetzt, dass dies aus bedarfsbezogenen Gründen geboten ist. Verfügt das weitere<br />
Bedarfsgemeinschaftsmitglied, für das Leistungen für Unterkunftsaufwendungen nicht erbracht werden,<br />
über Einkommen oder Vermögen, aus dem es seinen Kopfteil ganz oder teilweise bestreiten kann, ist<br />
insoweit eine Abweichung von dem Prinzip nicht geboten, denn es ist nicht Aufgabe der Grundsicherung<br />
für Arbeitssuchende, wirtschaftlich leistungsfähigen Dritten ein kostenfreies Wohnen zu ermöglichen.<br />
Anders etwa, als wenn infolge von durch das Jobcenter verfügten Sanktionen nach § 31 ff. SGB II ein<br />
Anspruch auf Leistungen für Unterkunftsaufwendungen wegfällt, ist im vorliegenden Fall die Hilfebedürftigkeit<br />
des dritten Haushaltsmitglieds, bei deren Vorliegen dessen Kopfteil als Bedarf anerkannt und<br />
übernommen würde, ungeklärt. Dies lässt den Bedarf der anderen Mitglieder unberührt. Der Hintergrund<br />
für die nach der BSG-Rechtsprechung vom Kopfteil als Maßstab für die Aufteilung der Unterkunftsaufwendungen<br />
bestehenden Ausnahmen ist die Sicherung des Grundbedürfnisses Wohnen, die in<br />
diesen Fällen nur über Ansprüche der jeweiligen leistungsberechtigten Person sichergestellt werden kann.<br />
Hier jedoch lebte in den streitigen Monaten der Sohn der Kläger weiterhin mit diesen in einem Haushalt<br />
und nutzte gemeinsam mit ihnen die Wohnung, die seinen aktuellen Unterkunftsbedarf deckte, und bei<br />
nachgewiesener Hilfebedürftigkeit in diesen Monaten konnte sein aktueller anteiliger Unterkunftsbedarf<br />
durch Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II sichergestellt werden. Die nachträgliche<br />
Erbringung der vollständigen Aufwendungen durch das Jobcenter war zudem trotz Versagung nach § 66<br />
Abs. 1 SGB I noch durch Nachholung der Mitwirkung nach § 67 SGB I erreichbar.<br />
Hinweis:<br />
§ 67 SGB I sieht vor, dass Leistungsträger Sozialleistungen, die sie nach § 66 SGB I versagt haben, nachträglich<br />
ganz oder teilweise erbringen können, wenn die Mitwirkung nachgeholt wird und die Leistungsvoraussetzungen<br />
vorliegen. Die Entscheidung ist von Amts wegen zu treffen, hierbei besteht aber hinsichtlich des<br />
„Ob“ und „Wie“ Ermessen. Abzustellen ist insoweit u.a. auf § 2 Abs. 2 SGB I, wonach sicherzustellen ist, dass<br />
die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Regelmäßig wird man bei Geldleistungen<br />
eine vollständige Nachzahlung als erforderlich ansehen müssen, was insbesondere für existenzsichernde<br />
Leistungen nach dem SGB II zutreffen dürfte.<br />
3. Höhe des Arbeitslosengelds II nach Umzug von einem Unter-25-Jährigen<br />
Der unter-25-jährige Kläger bezog zunächst mit seiner Mutter und seinen Geschwistern Leistungen zur<br />
Sicherung des Lebensunterhalts. Wegen Teilnahme an einer Maßnahme sollte er in ein Internat ziehen.<br />
Später zog er zu seiner Freundin, die in der Wohnung der Eheleute K wohnte und ebenso wie die<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>20</strong> 24.10.<strong><strong>20</strong>18</strong> 1065