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ZAP-2018-20

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Sozialrecht Fach 18, Seite 1617<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong><strong>20</strong>18</strong><br />

lege (BSG, Urt. v. 14.3.<strong><strong>20</strong>18</strong> – B 12 KR 12/17 R). Es habe i.Ü. nach der Zurückverweisung zwar nur zu prüfen,<br />

ob ein Beschäftigungsverhältnis gerade zwischen dem Beigeladenen und der Klägerin vorlag. Diese<br />

Prüfung schließe es aber nicht aus, auch die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und den<br />

Endkunden sowie einem beim Endkunden tätig gewordenen Dienstleister zu betrachten, mit dessen<br />

Beschäftigten der Beigeladene zusammengearbeitet hat. Zu klären sei dabei insbesondere, ob und ggf.<br />

welche Weisungen der Beigeladene von der Klägerin bzw. in deren Absprache mit dem Dienstleister von<br />

letzterem erhalten oder ob die Klägerin ggf. ihr Weisungsrecht an diesen Dienstleister abgetreten hat.<br />

3. Beauftragung eines Musikschullehrers auf Honorarvertragsbasis<br />

Die klagende Stadt betreibt eine kommunale Musikschule, in der sie neben 18 Angestellten zehn<br />

Musikschullehrer auf honorarvertraglicher Grundlage beauftragte, darunter den Beigeladenen zu 1. Die<br />

beklagte Rentenversicherung stellte im Rahmen eines von dem Beigeladenen zu 1 eingeleiteten Status-<br />

Feststellungsverfahrens gegenüber ihm und der Klägerin fest, er unterliege in seinen Tätigkeiten bei der<br />

Musikschule aufgrund abhängiger Beschäftigung der Versicherungspflicht in allen Zweigen der<br />

Sozialversicherung. Auf die Revision der Stadt hin hob das BSG die Entscheidungen der Vorinstanzen<br />

sowie die Bescheide der Beklagten auf (BSG, Urt. v. 14.3.<strong><strong>20</strong>18</strong> – BSG 12 R 3/17 R).<br />

Das Gericht hebt zunächst darauf ab, dass vorliegend keine zwingenden gesetzlichen Rahmenvorgaben<br />

bestehen und die zu prüfende Tätigkeit als Lehrer sowohl in der Form einer Beschäftigung als auch in der<br />

einer selbstständigen Tätigkeit erbracht werden kann. Letzteres folgt aus der Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1<br />

SGB VI, die in der Rentenversicherung eine Versicherungspflicht für selbstständig tätige Lehrer und<br />

Erzieher statuiert. Bei diesen Gegebenheiten kommt, so das BSG, den vertraglichen Vereinbarungen<br />

zwischen Arbeitnehmer/Auftragnehmer und Arbeitgeber/Auftraggeber, wenn auch keine allein ausschlaggebende,<br />

so doch eine gewichtige Rolle zu. Zwar haben es die Vertragsparteien nicht in der Hand, die kraft<br />

öffentlichen Rechts angeordnete Sozialversicherungspflicht durch bloße übereinstimmende Willenserklärung<br />

auszuschließen. Dem Willen der Vertragsparteien, keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung<br />

begründen zu wollen, kommt aber indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen<br />

tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird<br />

bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung<br />

sprechen (s. Rn 13 der Entscheidungsgründe).<br />

Da die Beteiligten in den jeweiligen Honorarverträgen schriftlich festgehalten hatten, kein Arbeitsverhältnis<br />

auch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht begründen zu wollen, und Anhaltspunkte<br />

dafür, dass der Vertragsschluss und die darin übereinstimmend getroffenen Regelungen allein aufgrund<br />

eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen oder unter Ausnutzung besonderer<br />

Umstände des Beigeladenen zu 1 (z.B. geschäftliche Unerfahrenheit, Ausnutzen einer aktuellen<br />

Notsituation) zustande gekommen sind, nicht vorliegen, das „gelebte“ Vertragsverhältnis dem formell<br />

vereinbarten Vertrag über ein selbstständiges Dienstverhältnis entspricht und tatsächliche Umstände,<br />

die bei einer Gesamtschau zwingend zu einer Beurteilung des Vertragsverhältnisses als abhängige<br />

Beschäftigung führen müssten, nicht bestehen, geht das BSG von freiberuflicher Tätigkeit aus.<br />

Hinweise:<br />

Das BSG stützt seine Entscheidung im Übrigen ergänzend auf aktuelle Rechtsprechung des BAG (Urt. v.<br />

21.11.<strong>20</strong>17 – 9 AZR 117/17, NJW <strong><strong>20</strong>18</strong>,1194), das ebenfalls einen Musikschullehrer als selbstständig Tätigen<br />

angesehen hat. Ob das Urteil des BSG zum Status des Musikschullehrers einen Schritt dahin darstellt, dem<br />

Aspekt der Vertragsgestaltung – wenn diese „gelebt“ wird – größere Bedeutung beizumessen, und damit<br />

eine leichtere Anerkennung von selbstständigen Dienstverhältnissen ermöglicht, bleibt abzuwarten. Der<br />

Präsident des BSG und Vorsitzende des 12. Senats hat zu diesem rechtlichen Aspekt kürzlich ausgeführt:<br />

„Zwingen die objektiv festgestellten Umstände nicht dazu, eine bestimmte Arbeitsleistung abhängiger Beschäftigung<br />

oder selbstständiger Tätigkeit zuzuweisen, sollte dem Willen der Vertragsparteien diejenige Bedeutung beigemessen<br />

werden, die ihm in einer von der verfassungsrechtlich garantierten Vertragsfreiheit geprägten Rechtsordnung gebührt“<br />

(neue Caritas 11/<strong><strong>20</strong>18</strong>, 13 ff., 15).<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>20</strong> 24.10.<strong><strong>20</strong>18</strong> 1075

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