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Berliner Zeitung 23.11.2018

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16 * <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 274 · F reitag, 23. November 2018<br />

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Brandenburg<br />

„Potsdam blüht und gedeiht“<br />

Der gebürtige Ostfriese Jann Jakobs regierte die Landeshauptstadt so lange wie kein anderer seit 1990. Am Freitag hat der SPD-Mann seinen letzten Arbeitstag<br />

Seit mehr als 16 Jahren ist<br />

Jann Jakobs Oberbürgermeister<br />

der Landeshauptstadt<br />

Potsdam. Der Sozialdemokrat<br />

war Nachfolger seines Parteifreundes<br />

Matthias Platzeck, der<br />

dann zum Ministerpräsident aufstieg.<br />

Nun, an diesem Freitag, wird<br />

Jakobs zum letzten Mal anseinem<br />

Schreibtisch sitzen. Dann geht der<br />

64-Jährige in den Ruhestand. EinGespräch<br />

über den schlechten Ruf, den<br />

die Stadt lange hatte, über die Konkurrenz<br />

zum nahen Berlin und über<br />

seine Lieblingsorte in Potsdam.<br />

Herzlichen Glückwunsch, Herr Jakobs,<br />

zum Ruhestand, freuen Siesich<br />

denn oder hätten Sie nicht doch am<br />

liebsten weitergemacht?<br />

Nee. Wirklich nicht. Es war ja<br />

meine eigene Entscheidung, bei der<br />

Wahl Ende September nicht mehr<br />

anzutreten. Das war auch richtig so.<br />

Ich war mehr als 16 Jahre hier Oberbürgermeister,<br />

und es ist mir gelungen,<br />

die Stadt voranzubringen. Der<br />

Stadt steht ein Generationswechsel<br />

gut zu Gesicht.<br />

Nach dem Ende der DDR wurde Potsdam<br />

als „Hauptstadt der Mecker-Ossis“<br />

diffamiert, inzwischen wird sie<br />

als „heimliche Hauptstadt Ostdeutschlands“<br />

bejubelt. Wiesehen Sie<br />

Ihre Stadt im Vergleich der ostdeutschen<br />

Landeshauptstädte?<br />

Erst einmal waren und sind beide<br />

Prädikate natürlich Übertreibungen.<br />

Aber sie zeigen, wie die Stadt vonaußen<br />

wahrgenommen wurde und<br />

wird. Es ist richtig: BisEnde der 90er-<br />

Jahregab es hier auch reichlich Fatalismus<br />

und Unzufriedenheit, weil<br />

vielerorts unklar war, wie es weitergeht.<br />

Doch dann ging es aufwärts.<br />

Ende der 90er-Jahre hatten wir<br />

129 000 Einwohner.Nun sind wir bei<br />

mehr als 175 000. Vorallem: Potsdam<br />

blüht und gedeiht. Im Vergleich zu<br />

anderen Landeshauptstädten muss<br />

man schon sagen: Potsdam ist wirklich<br />

außergewöhnlich. Die Stadt<br />

wächst seit Jahrzehnten, wir haben<br />

die niedrigste Arbeitslosenquote,die<br />

höchsten Wertschöpfungspotenziale.<br />

Bei den Landeshauptstädten<br />

werden wir inzwischen eher mit dem<br />

Westen als dem Osten verglichen.<br />

Unter Ihrer Regentschaft hat Potsdam<br />

einen enormen Aufstieg erlebt.<br />

Wiegroßist Ihr Anteil daran?<br />

Es ist immer schwierig, das selbst<br />

zu beurteilen, aber ich halte mir zugute,<br />

den Veränderungsprozess wesentlich<br />

mitgestaltet zu haben, natürlich<br />

mit Mitstreitern, zum Beispiel<br />

den Stadtverordneten. Es gab<br />

lange und harte Diskussionen, aber<br />

am Ende meist konsensuale Entscheidungen.<br />

Ichempfinde mich als<br />

jemand, der andere insolchen Prozessen<br />

mitnehmen kann.<br />

Neuerdings heißt es gern: „Dort, wo<br />

Berlin am schönsten ist, heißt es Potsdam.“<br />

Ist die Nähe zu Berlin nicht<br />

auch ein wenig nervig, weil die meisten<br />

Touristen in Berlin wohnen und<br />

nur zu einem Tagesausflug nach<br />

Potsdam reisen?<br />

Also ich habe das nie als Konkurrenz<br />

empfunden. Potsdam hat seine<br />

eigenen Qualitäten. Und wir waren<br />

immer gut beraten, dass wir zum<br />

Beispiel bei Immobilienmessen mit<br />

Berlin gemeinsam aufgetreten sind.<br />

Zwischen beiden Städten gibt es Synergieeffekte,von<br />

denen beide profitieren.<br />

Es war ja wohl auch klar,dass<br />

wir das mit den Touristen nicht umdrehen<br />

können: Dass die Masse der<br />

Besucher in Potsdam wohnt und nur<br />

einen Tagnach Berlin fährt, um sich<br />

das Brandenburger Toranzusehen.<br />

DieRegionalbahn fährtnur 30 Minuten<br />

vom<strong>Berliner</strong> Alex zum Potsdamer<br />

Hauptbahnhof. Wurde Potsdam damit<br />

zur Hauptstadt der Gentrifizierung<br />

im Osten? Und gibt es überhaupt<br />

noch freie Bauflächen?<br />

Potsdam hat eine irre Entwicklungsdynamik,<br />

die zusätzlich befördertwirddurch<br />

den massiven Zuzug<br />

nach Berlin. Aber wir können in den<br />

nächsten Jahren 16 000 Wohnungen<br />

bauen. Das ist beschlossen. Für ein<br />

Drittel besteht bereits Baurecht. Wir<br />

sind also gut gerüstet. Dazu kommt<br />

allerdings noch die enorme Herausforderung,<br />

rings um die neuen Wohnungen<br />

eine Infrastruktur zu schaf-<br />

Ein Mann mit Humor:Jann Jakobs, gebürtiger Ostfriese.<br />

ZUR PERSON<br />

BERLINER ZEITUNG/MARKUS WÄCHTER<br />

Jann Jakobs wurde am 22. Dezember 1953 in Eilsum, Ostfriesland, geboren. Er ist verheiratet<br />

und hat vier Kinder.Die Familie hat sich im Potsdamer Norden ein Haus gebaut.<br />

Karriere: Jakobs lernte Flugzeugbauer,war Erzieher in Kinderheimen, trat 1974 der SPD bei,<br />

machte Zivildienst, studierte Sozialpädagogik, Jura und Soziologie. Ab 1979 lebte er in Berlin<br />

und arbeitete in der Jugendhilfe im Bezirksamt Spandau. Ab 1993 war er Jugendamtsleiter in<br />

Potsdam, ab 1997 dann Beigeordneter für Soziales. Seit dem 28. November 2002 ist Jakos<br />

Oberbürgermeister.Seine Amtszeit endet offiziell am 29. November 2018.<br />

fen: Schulen, Kitas, öffentlichen<br />

Nahverkehr. Wir haben in den vergangenen<br />

Jahren 250 Millionen Euro<br />

für Schulen ausgegeben, gerade fließen<br />

50 Millionen in den Nahverkehr.<br />

Das sind die großen Herausforderungen<br />

für meinen Nachfolger.<br />

Potsdam wird meist als die Stadt der<br />

Preußischen Schlösser und der<br />

Prachtvillen wahrgenommen. Oft<br />

wird vergessen, dass fast ein Drittel<br />

der Bevölkerung in DDR-Plattenbauvierteln<br />

lebt. Ist der Gegensatz zwischen<br />

arm und reich, oben und unten<br />

in Potsdam besonders groß?<br />

Dies wärerichtig, wenn wir nichts<br />

gemacht hätten. Aber wir haben die<br />

DDR-Bauten hervorragend saniert,<br />

immer mit zwei Zielen. Erstens:<br />

niedrige Mieten –Ausrufezeichen –,<br />

damit die Leute dort wohnen bleiben<br />

können. Dazu kommt ein städtebauliches<br />

Gesamtkonzept. So haben<br />

wir eine große Straße in einen<br />

Park umgewandelt. Eine Idee,die internationale<br />

Beachtung fand. Wirleben<br />

hier nicht auf einer Insel. Der<br />

Druck auf dem Wohnungsmarkt<br />

nimmt zu.Wirmüssen bauen, vorallem<br />

im sozialen Wohnungsbau. Den<br />

gab es 15 Jahre lang gar nicht mehr.<br />

Aber jetzt gibt es wieder Fördergeld,<br />

und das nutzen wir natürlich.<br />

Aufwelchen Fehler hätten Siepersönlich<br />

gern verzichtet?<br />

Die Debatte um den möglichen<br />

Abriss des „Mercure“, des ehemaligen<br />

Interhotels aus DDR-Zeiten. Die hätten<br />

wir uns schenken können. Dafür<br />

war die Zeit noch nicht reif, aber die<br />

Debatte kommt wieder.<br />

Worauf sind Siebesonders stolz?<br />

AufdreiDinge: Mirund vielen anderen<br />

ist es gelungen, dass wir in<br />

Potsdam ein Klima der Toleranz und<br />

Weltoffenheit haben, das vonder Bevölkerung<br />

mitgetragen wird. DieVersuche,bei<br />

uns so etwas wie Pegida zu<br />

etablieren, sind kläglich gescheitert.<br />

Beiuns waren immer mehr Leute auf<br />

der Straße,die die Grundwerte unsererGesellschaft<br />

verteidigt haben. Als<br />

Zweites: die Potsdamer Mitte, diese<br />

Verbindung aus historischer Rekonstruktion<br />

von all dem, was im Krieg<br />

zerstört wurde, inVerbindung mit<br />

modernen Mitteln. Nun wird sogar<br />

eine neue Synagoge gebaut.<br />

Unddas Dritte?<br />

Jahrelang hatten wir zu tun, die<br />

Verwaltung und die städtischen Unternehmen<br />

auf einen Konsolidierungskurs<br />

zu bringen und dann den<br />

Umschwung auf Wachstum hinzubekommen<br />

–mit neuen Leuten und<br />

einem Mentalitätswechsel – das<br />

halte ich mir zugute.<br />

So,nun ein wenig Werbung: Ihr Lieblingsplatz<br />

in Potsdam?<br />

DerFörstergarten in Bornim.<br />

Ihr LieblingsortinBerlin?<br />

Café Einstein, Kurfürstenstraße.<br />

Ihr Lieblingsrestaurant in Potsdam?<br />

Mehrere. Zum Beispiel Mario<br />

Kades Restaurant „Am Pfingstberg“.<br />

Ihr Lieblingsbuch über Potsdam?<br />

Ein Krimi: „Der Fall Garnisonkirche“<br />

von Christine Anlauff, die zur<br />

Fraktion „Die Andere“ gehört.<br />

Ihr Potsdamer Lieblingsspruch?<br />

„Dakannste nicht meckern“ –als<br />

höchstes Lob.<br />

Sie sind gebürtiger Ostfriese, sind gewesener<br />

<strong>Berliner</strong>, nun leben Sie seit<br />

20 Jahren in Potsdam. Dürfen Siesich<br />

aus Sicht der Alt-Potsdamer auch als<br />

Potsdamer bezeichnen?<br />

Auf gar keinen Fall. Das darf nur,<br />

wer in der Garnisonkirche getauft<br />

oder in der Friedenskirche konfirmiert<br />

wurde oder Jugendweihe im<br />

Restaurant Minsk gefeierthat.<br />

Es heißt, Siestreben keine politischen<br />

Ämter mehr an und wollen erstmal<br />

mit Ihrer Frau nach Afrika. Gibt es<br />

sonst Pläne, die Sieschon verraten?<br />

Mir dämmert mittlerweile, dass<br />

nur Reisen und der Garten auch<br />

keine Lebensaufgaben sind. Ich suche<br />

mir was Ehrenamtliches.<br />

DasGespräch führte<br />

Jens Blankennagel.<br />

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Polen kontrolliert<br />

wieder die Grenze<br />

Obwohl die Grenzkontrollen innerhalb<br />

der EU 2007 abgeschafft wurden,<br />

werden Reisende nach Polen<br />

vompolnischen Grenzschutz vorübergehend<br />

wieder kontrolliert. Vor<br />

allem an den grenzüberschreitenden<br />

Autobahnen gibt es seit Donnerstag<br />

und bis zum 16. Dezember<br />

stationäreKontrollpunkte.AnanderenTransferstellen<br />

an der Grenzesowie<br />

in grenzüberschreitenden Zügen<br />

kontrollieren mobile Einheiten. Die<br />

Kontrollen erfolgen allerdings nur<br />

stichprobenweise.Wie der polnische<br />

Grenzschutz mitteilte,sollen die<br />

Kontrollen helfen, einen sicheren<br />

und ungestörten Verlauf der UN-Klimakonferenz<br />

vom3.bis 14. Dezember<br />

im polnischen Katowice zu garantieren.<br />

(dpa)<br />

Drei gestohlene Autos auf<br />

einmal beschlagnahmt<br />

Beamte der Bundespolizei haben am<br />

Mittwoch drei gestohlene Fahrzeuge<br />

in Frankfurt(Oder) beschlagnahmt.<br />

Zeitgleich wurden zwei Streifen der<br />

gemeinsamen deutsch-polnischen<br />

Fahndungsgruppe gegen 14 Uhrauf<br />

die drei Autos aufmerksam, die<br />

scheinbar orientierungslos im Stadtgebiet<br />

unterwegs waren. DieKontrollen<br />

und Ermittlungen ergaben,<br />

dass die Autos in den vergangenen<br />

vier Tagen im Raum Hamburggestohlen<br />

worden waren. (BLZ)<br />

Ehemaliger V-Mann im<br />

Landtag befragt<br />

DerNSU-Untersuchungsausschuss<br />

im Potsdamer Landtag hat am Donnerstag<br />

erneut den früheren V-Mann<br />

„Piatto“ vernommen. AusGründen<br />

der Sicherheit waren Zuschauer und<br />

Journalisten ausgeschlossen und<br />

konnten die Vernehmung nur über<br />

eine Audioübertragung in einem anderen<br />

Raum verfolgen. DerAuftakt<br />

war erneut vonErinnerungslücken<br />

des Zeugen geprägt. DieAbgeordneten<br />

fragten unter anderem zu Waffenkäufen<br />

in der rechtsextremen<br />

Szene und geplanten Anschlägen vor<br />

etwa 20 Jahren.„Piatto“ –mit bürgerlichen<br />

Namen Carsten Szczepanski –<br />

war einst Zuträger des Landesamtes<br />

für Verfassungsschutz. DerAusschuss<br />

soll klären, ob Informationen<br />

vonihm zum NSU-Trionicht ausreichend<br />

an andereBundesländer weiterleitet<br />

wurden. (dpa)<br />

Bauarbeiten an zwei<br />

Autobahnen bis Ende 2019<br />

Aufdem Autobahnen A24und A10<br />

ist wegen Bauarbeiten weiter Geduld<br />

gefragt. In Richtung Neuruppin wird<br />

die Strecke auf vier Spuren ausgebaut.<br />

DieA10 erhält zwischen den<br />

Dreiecken Pankowund Havelland<br />

sechs Spuren. BisEnde 2019 soll der<br />

Baufertig sein, sagte Thomas Stütze<br />

vonder Havellandautobahn GmbH,<br />

die den Auftrag von1,4 Milliarden<br />

Euro übernommen hat. (dpa)

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