Calluna Sommer 2019

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LANDLEBEN Am Waldrand haben die Friedrichs 6000 Heidelbeerensträucher stehen. Damit diese viele Früchte tragen, sind sie auf die Bestäubung durch Bienen angewiesen. Reinhard Friedrich (Bild unten) schaut nach den beiden Völkern, die ein Imker bei ihm in der Plantage stehen hat. ••• von Wildbienen und anderen Insekten berücksichtigt werden. Die Landwirte haben die Wahl, können die Arten für ihren Blühstreifen entsprechend der Bodenverhältnisse oder auch der gewünschten Höhe zusammenstellen. Auch sonst wurde der Anbau genau durchdacht. Mais wird wegen der Nachtfrostgefahr relativ spät gesät, die Blumensamen sollten erst danach in die Erde. Der Gedanke dabei: Der Mais erhält einen Wachstumsvorsprung. Sobald er dem Kindesalter entwachsen ist, wird die Kultur nämlich in Ruhe gelassen. »Dann spritzt man nicht mehr«, erläutert Landwirt Friedrich. Die größeren Pflanzen unterdrücken aufkommendes Unkraut. Die Gasse wird dann nicht mehr befahren und tatsächlich nur noch für die Beregnung genutzt. Die Friedrichs machen sich überhaupt keine Sorgen, dass dabei viele der Blumen unter die Räder geraten. Nicht nur deshalb, weil ihr Schlepper ohnehin nicht das größte Modell ist. »Ein paar bestimmt«, sagt Kerstin Friedrich, aber der Standort hat vor allem einen eindeutigen Vorteil. »In der Beregnungsgasse bekommt die Blühfläche auf jeden Fall Wasser ab.« Seit dem vergangenen Hitzesommer fehlten bis in den Juni in Neu-Lutterloh schon 700 Millimeter Niederschlag gemessen am langjährigen Durchschnitt. Der Sandboden trocknet schnell aus. Ohne Beregnung geht es deshalb nicht. Die Friedrichs hatten schon einmal einen Blühstreifen angelegt, damals mit Unterstützung der EU. Die Vorgaben waren streng. Außer einer fünfjährigen Bindung durften sie den Blühstreifen nicht bearbeiten und nicht beregnen. Als Folge habe nicht viel geblüht und nach fünf Jahren war der Streifen voller Unkraut. »Das würden wir nicht mehr machen«, sagt Reinhard Friedrich. Am Kaffeetisch kommen wir ins Reden und Nachdenken. Kerstin und Reinhard Friedrich haben den Eindruck, dass es bei ihnen sogar mehr Insekten als in früheren Jahren gibt. Das mag aber auch mit den vielen Fruchtsträuchern auf ihrem Grund zu tun haben, außerdem steht eine große Linde im Hof und dann bauen die Friedrichs auch noch Erbsen in der Vermehrung an. Eine Landwirtschaft, die auf so vielen Füßen steht, hat heute Seltenheitswert. »Früher haben alle Bauern alles angebaut, dafür vielleicht nicht so perfekt«, sagt Reinhard Friedrich. Kartoffeln mit Schorf würden heute beim Handel allerdings ebenso durchfallen wie beim Kunden. »Die Vielfalt von 1950 bekommen wir nicht zurück«, ist er überzeugt. Seit damals haben die Betriebe sich spezialisiert, wurden die vielen kleinen Felder zu großen Einheiten zusammengelegt. Die schmalen Unkrautstreifen, Gehölze und Baumgruppen verschwanden gleich mit. Vielfalt gebe es noch immer, aber verteilt auf viel größerer Fläche – für kleine Insekten ergeben sich dadurch unüberwindbare Entfernungen. Umso wichtiger sind solche Inseln wie in Neu-Lutterloh. »Wir haben es immer blühen lassen, wenn auch nicht in so einem großen Umfang.« Insekten- und vogelfreundlich wirtschaften Kerstin und Reinhard aus voller Überzeugung. Überall Blüten, überall in den Bäumen Nistkästen und ganz wichtig der Teich im Garten, an dem auch an diesem Nachmittag Bienen, Ameisen und andere Insekten Wasser holen. Auf dem trockenen Hügel ist ihr Teich die einzige Wasserstelle weit und breit. Mit Bienen und Hummeln verbindet sie viel mehr als das, was unter »friedlicher Koexistenz« verstanden wird. Ohne die emsigen Bestäuber ginge es auf ihrem Obsthof nicht, sie zählen zum festen »Mitarbeiterstamm«. Außer auf Wildbienen setzt das Ehepaar Friedrich auf Honigbienen. Bei den Friedrichs gibt es für die Völker viel zu holen. Vorn am Haus stehen Himbeeren in langen Reihen und hinter Fichten verborgen 6000 Kulturheidelbeeren. Die größten Sträucher sind an die zwei Meter hoch. Nur noch wenige Tage, dann beginnt die Selbstpflück- Erntesaison in der Heidelbeerplantage hinter dem Hof im Grünen. Die Bienen haben ihre Arbeit längst getan, die Büsche hängen voller Früchte. Ein Imker aus der Nachbarschaft hatte elf Völker zu den Heidelbeeren gesellt, die bis auf zwei schon wieder an andere Einsatzorte versetzt worden sind. Aber auch die wilde Verwandtschaft soll ihr Auskommen haben. Für sie wollen es die Friedrichs in ihrem Maisfeld blühen lassen • 58 Calluna I SOMMER 2019
INFO Blühstrom der SVO Die Artenvielfalt ist weltweit bedroht. Laut eines Berichts des Weltbiodiversitätsrates IPBES könnten rund eine Million Tier und Pflanzenarten aussterben. Viele davon drohen bereits in den kommenden Jahrzehnten zu verschwinden. Die SVO möchte ein regionales Zeichen für Biodiversität setzen. In Zusammenarbeit mit dem Landvolk Niedersachsen im Kreisverband Celle, dem Institut für Bienenkunde Celle und engagierten Privatpersonen wurde das Produkt Blühstrom ins Leben gerufen. Mit Blühstrom werden landwirtschaftliche Nutzflächen zu Blühflächen und vergrößern den Lebensraum von Wildtieren, Bienen und anderen Insekten. Wer zu Blühstrom wechselt, leistet hierzu einen aktiven Beitrag. Pro Kilowattstunde fließt ein Cent netto in die Errichtung von Blühflächen ein. Bei einem Verbrauch von circa 3500 Kilowattstunden pro Jahr entstehen rund 350 Quadratmeter neuer Lebensraum für Pflanzen und Insekten in unserer Region. Blühstrom ist ein zertifiziertes Naturstromprodukt, dessen Erzeuger initial Wasser und Windkraftwerke in Norwegen sind. Insbesondere die Wasserkraftwerke sind modernster Bauart und bieten hinsichtlich des Produkts eine besonders hohe Qualität. Der Strom Mix kann im Laufe der Zeit (zum Beispiel aufgrund von Preisentwicklungen) variieren und wird durch die SVO festgelegt. Bei einer Änderung der Erzeuger von Blühstrom will die SVO darauf achten, dass die Qualität des Produkts stets erhalten bleibt. Bilder aus der Ausstellung: ein Imker mit Bienenwabe und Honigbienen auf ihrer Wabe in Großaufnahme (unten). Fotos: Deutsches Bienen Journal Bienenliebe Fotoausstellung im Handwerksmuseum Suhlendorf mit faszinierenden Bildern Die großformatigen Bilder der Ausstellung ermöglichen einen Einblick in die faszinierende Welt der Bienen. Sie zeigen Honigbienen bei ihrer täglichen Arbeit – dem Blütenbesuch. Aber auch Hummeln und andere Wildbienenarten und Schwebfliegen leisten wichtige Bestäubungsarbeit, weshalb sie hier nicht fehlen dürfen. Daneben können Besucher sehen, wie Imker ihre Völker betreuen. Aufnahmen wie die aus den slowenischen Alpen oder die vom Honigjäger, der in Nepal die Waben der Riesenhonigbienen aus den Felshängen des Himalajas erntet, zeigen, wie facettenreich die Arbeit mit Bienen ist. Auf kleinen Infotexten erfährt man zudem Wissenswertes über das Leben der Bienen, die Imkerei und die Bedeutung von Bestäubern in der Natur. Die Ausstellung wurde vom »Deutschen Bienen Journal« konzipiert und wird in Kooperation mit dem Imkerverein Uelzen vom 15. bis 28. Juli gezeigt. Die Ausstellungseröffnung findet am Freitag, 5. Juli, von 15 Uhr an statt • SOMMER 2019 I Calluna 59
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