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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 220 · 2 1./22. September 2019 13 *<br />
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Berlin<br />
„Liebe Grüße aus dem Chaos“<br />
Mal wieder ohne Stadtbahn: Eine Stellwerkstörung verursacht stundenlange Ausfälle im S-Bahn-Verkehr<br />
VonJulia Haak<br />
Freitagfrüh am Ostbahnhof<br />
geht erst mal überhaupt<br />
nichts mehr. „Bitte Ansage<br />
beachten“, heißt es auf den<br />
digitalen Anzeigetafeln. Menschen<br />
ziehen ihre Mobiltelefone aus den<br />
Taschen und versuchen im Internet<br />
eine Möglichkeit zu finden, ganz<br />
ohne S-Bahn zur Arbeit zu kommen.<br />
Denn die S-Bahn fährt nicht mehr.<br />
Eine technische Störung, so heißt es<br />
über Lautsprecher, sei die Ursache.<br />
Wielange die andauernwird, ist erst<br />
mal vollkommen unklar.<br />
Zwei Stunden unterwegs<br />
Eine Stellwerksstörung zwischen<br />
Ostbahnhof und Charlottenburghat<br />
am frühen Freitagmorgen auf den<br />
Stadtbahnlinien S3, S5, S7 und S9 zu<br />
Ausfällen und Verzögerungen geführt.<br />
Fahrgäste mussten auf Busse<br />
und U-Bahnen ausweichen, die dadurch<br />
zum Teil überfüllt waren und<br />
an manchen Stationen gar nicht alle<br />
Fahrgäste aufnehmen konnten.<br />
Gegen 6Uhr war der Zugbetrieb<br />
auf der Stadtbahn vorübergehend<br />
eingestellt worden. Pendler berichteten<br />
von Chaos und beklagten fehlende<br />
Durchsagen am Bahnsteig. So<br />
schreibt es die Deutsche Presseagentur<br />
am späteren Vormittag.<br />
Aber den Erregungszustand der<br />
Betroffenen im Berufsverkehr spiegelt<br />
der trockene Nachrichtentext<br />
natürlich nicht wider.Auf dem Kurznachrichtenkanal<br />
Twitter klingt die<br />
Sache dann so: „Liebe Grüße aus<br />
Da steht sie, die S-Bahn. Gefühlt nehmen die Ausfälle bei der Stadtbahn eindeutig zu. Das tun sie aber nicht.<br />
dem Verkehrschaos in Berlin. Frau<br />
Schumacher ist jetzt zwei Stunden<br />
Öffis gefahren. Ausfall von2!!!!!! Stellwerken<br />
der S-Bahn. Es war der Horror<br />
inden verzweifelten Menschenmassen,<br />
die sich dann in den UBahnen<br />
drängten. Kinder und alte Menschen<br />
und Hunde schön mit dabei“.<br />
Kollegen erzählen sich gegenseitig<br />
auch in der Redaktion, wie sie auf<br />
abenteuerlichen Wegen an diesem<br />
Tagzur Arbeit gekommen sind. Und<br />
dann ist auch noch Klimastreik. Die<br />
Stadt ist voll mit Schülern, die auf<br />
dem Wegzur Demonstration die S-<br />
Bahn nutzen wollten.<br />
Am späteren Vormittag verkehrten<br />
die meisten S-Bahnen zwar wieder<br />
im Fünf-Minuten-Takt. Wie die<br />
Bahn mitteilte, sollten Pendler nach<br />
Potsdam und Berlin-Mitte jedoch<br />
weiter auf andereNahverkehrsmittel<br />
ausweichen. Die S7entfiel am Vormittag<br />
zwischen Westkreuz und<br />
Potsdam Hauptbahnhof, sodass<br />
Pendler nach Potsdam auf den Regionalverkehr<br />
oder Busse ausweichen<br />
mussten.<br />
VomBahnhof Lichtenberg nutzten<br />
Fahrgäste nach Berlin-Mitte und<br />
in den Westen zunächst die Regionalbahn<br />
bis Ostkreuz, um von dort<br />
aus mit anderen Regional- und U-<br />
Bahnen zum Alexanderplatz oder<br />
zur Friedrichstraße zu kommen.<br />
Es war ein Notfallkonzept, nachdem<br />
die S-Bahn am Vormittag verkehren<br />
musste. Von einem solchen<br />
spricht gegen Mittag S-Bahn-Sprecherin<br />
Sandra Spieker. „Es war eine<br />
technische Störung. Betroffen war<br />
die Betriebszentrale der S-Bahn in<br />
IMAGO IMAGES<br />
Halensee“, sagt sie. Computerprobleme<br />
in der Leitzentrale vonDBNetz<br />
in Halensee,der wichtigsten Koordinierungsstelle<br />
für den Zugverkehr<br />
der Deutschen Bahn und der <strong>Berliner</strong><br />
S-Bahn, hatten vor zehn Tagen<br />
schon einmal für Zugausfälle, damals<br />
sogar über zehn Stunden gesorgt.<br />
Betroffen war auch der Fernverkehr.<br />
Diesmal waren es nur zwei<br />
Stunden und nur die S-Bahn. Ob die<br />
Probleme allerdings diesmal ähnliche<br />
waren, kann die S-Bahn-Sprecherin<br />
nicht sagen. „Wir suchen<br />
noch nach den Ursachen“, sagt<br />
SandraSpieker.<br />
DieS-Bahn transportiertinBerlin<br />
jeden Tag 1,5 Millionen Fahrgäste.<br />
Gezählt werden ein- und aussteigende<br />
Fahrgäste. Wie viele Menschen<br />
von der Störung am Freitag<br />
insgesamt betroffen waren, kann die<br />
S-Bahn nicht sagen.<br />
Pünktlichkeit gesteigert<br />
Orientiert man sich am eigenen Gefühl,<br />
nehmen Ausfälle bei der S-<br />
Bahn eindeutig zu. Das tun sie allerdings<br />
nicht. Laut Statistik nehmen<br />
nur äußere Einflüsse zu, die den Betrieb<br />
des Tochterunternehmens der<br />
Deutschen Bahn (DB) stören. Im ersten<br />
Halbjahr gab es 2120 Fremdeinwirkungen,<br />
die zu Störungen führten.<br />
Im Vergleich zum selben Zeitraum<br />
des Jahres 2018 ist das ein Anstieg<br />
um rund elf Prozent.<br />
Verantwortlich sind Unfälle, Menschen<br />
auf den Gleisen, Notarzteinsätzebei<br />
Fahrgästen.<br />
Gleichzeitig hat die S-Bahn allerdings<br />
Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit<br />
auf den Linien gesteigert. Die<br />
Zahl der Zugausfälle nahm laut Bilanz<br />
aus dem Hause der S-Bahn um<br />
33 Prozent ab. Die Zahl der Fahrzeugstörungen<br />
sank um 23 Prozent –<br />
von3740 auf 2885. Beider Leit- und<br />
Sicherungstechnik, für die DB Netz<br />
zuständig ist, gingen die Störungen<br />
im Vergleich zum Vorjahreszeitraum<br />
um zwölf Prozent zurück –von 1132<br />
auf 998. Daspasst natürlich zum Gefühl<br />
an einem Freitagmorgen im Berufsverkehr.<br />
(mit dpa)<br />
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