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Berliner Zeitung 21.09.2019

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WASUNSER LAND AM LAUFEN HÄLT<br />

Seite 3<br />

Lust an der Praxis<br />

Fürden Buchhändler Florian Valerius<br />

ging Probieren über Studieren<br />

Florian Valerius hat seine große Leidenschaft,<br />

das Lesen, zum Beruf gemacht.<br />

„Ich fahre jeden Morgen gerne zur Arbeit“,<br />

sagt der 36-Jährige. „Der Laden ist<br />

mein zweites Wohnzimmer.“Inder TriererBuchhandlung<br />

Stephanus „wohnt“<br />

er seit 15 Jahren –seit er dort im Schaufenster<br />

einen Aushang „Suchen Auszubildenden“las<br />

und entschied, sein So-<br />

ziologiestudiumabzubrechenundstatt-<br />

dessen Buchhändler zu lernen. „Die Uni<br />

war mir nicht praxisnah genug“, erinnert<br />

er sich. „Ich muss mich bewegen, mit<br />

Menschen sprechen, brauche Abwechslung.“<br />

Die hat er seitdem zur Genüge:<br />

„Ausbildung und Beruf sind unglaublich<br />

vielseitig. Jeder Tag, jeder Kunde, jede<br />

Aufgabe ist anders –Langeweile existiert<br />

nicht.“ Zumal auch die Verantwortung,<br />

die Valerius trägt, stetig gewachsen<br />

ist: Vor gut zwei Jahren ist er zum<br />

Filialleiter aufgestiegen. Nebenher ist<br />

er höchst erfolgreich als Literatur-Blogger<br />

aktiv: AufInstagram hat er mehr als<br />

15.000 Follower, 2017 wurde er mit dem<br />

Buchblog-Awardvom Börsenverein des<br />

Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.<br />

Im August erschien sein erstes eigenes<br />

Buch, dessen Titel wie das Motto seines<br />

Berufsweges klingt: „Leseglück“.<br />

MADITABRAUER<br />

Mehr<br />

Mutzur<br />

Technik<br />

Ebenso wenig wie<br />

Rollenbilder aufbrechen –<br />

InfosimWeb:<br />

klischee-frei.de<br />

Berufefür eine<br />

digitaleWelt<br />

Duale Ausbildungsberufewerden<br />

modernisiert –oder neu geschaffen<br />

Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel wirdergänzt durch<br />

Kaufmann/Kauffrau im E-Commerce<br />

Rund 60 Milliarden Euro<br />

beträgt der Umsatz im<br />

deutschen Onlinehandel.<br />

Wer kauft, kauft immer<br />

häufiger im Netz. Hier sind<br />

andereFertigkeiten, Kenntnisse<br />

und Fähigkeiten als<br />

in den klassischen kaufmännischen<br />

Berufen notwendig.<br />

Also höchste Zeit<br />

für einen neuen Ausbildungsberuf:<br />

Seit August 2018 gibt es den Kaufmann/die<br />

Kauffrau im E-Commerce.<br />

Absolventinnen und Absolventen<br />

beherrschen digitale Shopsysteme<br />

und Buchungsportale sowie die Beratung,<br />

Vertragsabwicklung und das<br />

Marketing im Internet. Ab 2020 wird<br />

auch die Fortbildung zum/zur Fachwirt/-in<br />

im E-Commerce angeboten.<br />

AusKfz-Mechaniker/-in wurde<br />

Kfz-Mechatroniker/-Mechatronikerin<br />

Viele Betriebe haben längst erkannt, dass<br />

sie nur mit einer vielfältigen Belegschaft<br />

das volle Fachkräftepotenzial ausschöpfen<br />

können. Dazu braucht es aber auch<br />

mehr Anfängerinnen in sogenannten<br />

MINT-Berufen (Mathematik, Informatik,<br />

Naturwissenschaft und Technik). So wie<br />

Madita Brauer. Die 22-Jährige aus Kalkarwar<br />

„Azubi des Jahres 2018“ und absolviert<br />

nach einer Banklehrederzeit ein<br />

triales Studium zur Anlagenmechanikerin<br />

mit Meisterabschluss –dazu studiert sie<br />

die Vorliebe für Schoko-Eis,<br />

für Technik geschlechterabhängig.<br />

Betrachtet man Fachkräftemangel und<br />

Golden Retriever oder Ibiza ist ein Interesse<br />

Unddie Begabung dafürauch nicht.<br />

Verdienstmöglichkeiten, besteht bei der<br />

Berufswahl kein Grund, technische Jobs den Männern zu überlassen.<br />

noch Handwerksmanagement. „Ich würde<br />

gerne allen interessierten Frauen und<br />

Mädchen zurufen: ‚Probiert es aus!‘“, so<br />

Madita Brauer selbstbewusst. „Dass Frauen<br />

nicht ins Handwerk gehören, denken nur<br />

noch ein paar alte Herren. 50 Prozent der<br />

Frauen wären meiner Erfahrung nach fürs<br />

Handwerk gemacht, wissen es aber nicht.“<br />

An grundsätzlichem Interesse mangelt es<br />

nicht, so ihre Beobachtung, eher an gezielter<br />

Förderung und weiblichen Rollenvorbildern<br />

–sosehen es auch Bildungsexpertinnen<br />

und -experten.Als „Frauimhandwerk“<br />

postet Brauer daher online<br />

Geschichten und Bilder von sich bei der<br />

Arbeit mit schweremGerät.<br />

„Das Schönste ist,etwas mit seinen eigenen<br />

Händen zu erschaffen, das andere Menschen<br />

glücklich macht. Spannend ist auch<br />

der Umgang mitneuer Technik, die uns im<br />

Handwerk und in der Baubranche unterstützt.<br />

Die Perspektive für Handwerkerinnen<br />

ist meiner Meinung nach in den kommenden<br />

Jahren gut.“<br />

Rauf auf dieKarriereleiter<br />

Weiterkommen mit Weiterbildung –und staatlicher Hilfe!<br />

„BenzinimBlut“reichtnichtmehraus.<br />

Autos gleichen heute Hochleistungsrechnern<br />

auf vier Rädern, ein moderner<br />

Mittelklassewagen verfügt über<br />

rund 70 Bordcomputer.Die Ausbildung<br />

zum/zur Kfz-Mechatroniker/-in<br />

ist dementsprechend IT-lastig. Mit<br />

Blick auf die Zunahme von Elektroantrieben<br />

und Hybridmotoren wurde<br />

die Ausbildungsordnung schon<br />

2013 um System- und Hochvolttechnik<br />

sowie Karosserietechnik<br />

erweitert.<br />

AusDrucker/-in, Schriftsetzer/-in, Fotolaborant/-in und Co.wurde<br />

Mediengestalter/Mediengestalterin<br />

Wir leben in einerWelt der Bilder.Fotos,<br />

Grafiken und Videos bestimmen<br />

den Alltag –und die gefragtesten Bilderlieferanten<br />

heißen: Mediengestalterinnen<br />

und Mediengestalter Digital<br />

undPrintsowieMediengestalterinnen<br />

und Mediengestalter Bild undTon.Sie<br />

visualisieren Inhalte auf Websites, auf<br />

Flyern oder in Filmanimationen. Vor<br />

sechs Jahren wurde die Ausbildung<br />

bereits um Aufgaben wie Social Media<br />

und 3-D-Grafik ergänzt. Weitere<br />

Techniken werden2020in Formneuer<br />

Wahlqualifikationen folgen.<br />

Es gibt viele gute Gründe, im Beruf aufsteigen<br />

zu wollen: ein höheres Gehalt, ein<br />

sicherer Arbeitsplatz, aber auch mehr Verantwortung<br />

und anspruchsvollereAufgaben<br />

–kurz: mehr Spaß und Zufriedenheit<br />

im Job. Dabei ist die Karriereleiter<br />

keineswegs nur Studienabsolventinnen<br />

und -absolventen vorbehalten. Gerade<br />

das System der dualen Ausbildung bietet<br />

vielfältige Chancen, über Qualifizierungsmaßnahmen<br />

eigene Stärken weiterzuentwickeln.<br />

Damit der Aufstieg nicht an den Kosten<br />

scheitert, bietet der Staat auf verschiedene<br />

Weise finanzielle Unterstützung an.<br />

ZumBeispiel durch das Weiterbildungsstipendium<br />

in Zusammenarbeit mit Wirtschaftsverbänden,<br />

das sich an talentierte<br />

Fachkräfte unter 25 Jahren mit abgeschlossener<br />

Ausbildung richtet und bis zu<br />

drei Jahre inAnspruch genommen werden<br />

kann.<br />

Oder dasAufstiegs-BAföGfür alle,die sich<br />

auf eine anspruchsvolle Fortbildungsprüfung<br />

vorbereiten. Es besteht aus einem<br />

Zuschuss plus einem Darlehen. Anspruch<br />

auf das Aufstiegs-BAföGauf Grundlage<br />

des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes<br />

(AFBG), das es seit über 20 Jahren<br />

gibt (früher als„Meister-BAföG“ bekannt),<br />

hat jeder,der zur öffentlich-rechtlichen<br />

WeitereInformationen<br />

Kostenfreies Infotelefon „Weiterbildungsberatung“<br />

des Bundesbildungsministeriums:<br />

0800 2017909 (Mo.–Fr.,9–17 Uhr)<br />

Informationen zu den verschiedenen Fördermaßnahmen<br />

aufder Internetseite des Bundesbildungsministeriums:<br />

bmbf.de im Bereich Weiterbildung<br />

Fortbildungsprüfung oder zur entsprechenden<br />

Fachschule zugelassen wird. Die<br />

Bildungsprämie wiederum unterstützt<br />

vorallem diejenigen, die bislang in erster<br />

Linie aus Kostengründen auf eine Weiterbildung<br />

verzichtet haben, mit Gutscheinen,<br />

die zum Teil direkt für individuelle<br />

berufliche Weiterbildungen eingesetzt<br />

werden können.

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