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Berliner Zeitung 21.09.2019

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18 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 220 · 2 1./22. September 2019<br />

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Schönes Wochenende<br />

WEINKUNDE<br />

FUNDSTÜCKE<br />

VonAnna Klein<br />

Haben Sie auchetwas Neues in derStadtentdeckt?<br />

Bitte schreiben Sie uns an: berlin.fundstuecke@dumont.de<br />

VonRomana Echensperger<br />

IMAGO IMAGES<br />

PET SHOP BOYS<br />

Auch beim Wein ist Bio<br />

teurer –und im Kommen<br />

Seit über zehn Jahren wächst weltweit die Zahl der Rebflächen,<br />

die biologisch bewirtschaftet werden. Laut diesjährigem<br />

Bericht der Forschungseinrichtung zur biologischen<br />

Landwirtschaft sind es derzeit über 403 000 Hektar –macht<br />

knapp sechs Prozent der weltweitenWeinberge.90Prozent davonbefinden<br />

sich in Europa und gehören dortvor allem den<br />

GroßerzeugerninSpanien, Italien und Frankreich. Dass der<br />

Anteil an Biowein aber weltweit zunimmt, liegt ebenso am persönlichen<br />

Anspruch derWinzer wie an der langsam, aber stetig<br />

wachsenden Nachfrage.<br />

In Deutschland werden derzeit etwas über sieben Prozent<br />

der Rebflächen biologisch bewirtschaftet. Dass es bei unseren<br />

NachbarninSachen Bioanbau schneller vorangeht, hat klimatische<br />

Ursachen. In mediterranen Klimazonen regnet es nicht<br />

während der Wachstumsperiode und die Winzerkollegen<br />

müssen sich deutlich weniger mit Pilzkrankheiten herumschlagen.<br />

Echter und Falscher Mehltau sind die Herausforderungen<br />

im kontinentalen deutschen Klima. Auch im Bioanbau<br />

muss dagegen gespritzt werden. Allerdings mit für diese Wirtschaftsweise<br />

zugelassenen Pflanzenschutzmitteln. Weil die<br />

Mittel dann weniger wirksam sind und schlechter haften,<br />

muss deutlich häufiger gespritzt werden als im konventionellen<br />

Anbau.Wichtig für die Qualität ist eine gewisse Schlagkraft,<br />

das erfordertzusätzliche Investitionen in Mitarbeiter und Maschinen.<br />

Kosten, die man in einem so wettbewerbsintensiven<br />

Umfeld wie derWeinbranche nicht immer an den Kunden weitergeben<br />

kann. Daher verzeichnen das größte Bio-Wachstum<br />

hierzulande die etablierten Spitzenwinzer.Beim renommierten<br />

Verband Deutscher Prädikatsweingüter sind mittlerweile<br />

50 Bio-Betriebe zertifiziert, das ist jeder vierte Betrieb.Diese<br />

Weingüter erzielen aufgrund ihres Renommees höhereFlaschenpreise<br />

und können Mehrkosten so besser abfedern.<br />

Im südfranzösischen Languedoc mit seinem mediterranen<br />

Klima kennt man diese Probleme nicht. Hier lässt sich Bioanbau<br />

viel einfacher und kostengünstiger umsetzen. EinBeispiel<br />

ist das ehemalige Klostergut AbbayedeValmagne.Dortwird<br />

seit 1996 in allen Spitzenlagen auf Bioanbau gesetzt. Diesaftige<br />

und kräftige Cuvée aus Syrah, Gernache und Mourvèdre<br />

bietet ein sehr gutes Preis-Genussverhältnis.ImGlas zeigen<br />

sich intensiveAromen vondunklen Kirschen, Pflaumen, Pfeffer,mediterranen<br />

Kräuternund einem Hauchvon Leder.Am<br />

Gaumen kraftvoll strukturiertmit angenehm zupackendem<br />

Tanningerüst und langem, würzigem Nachhall. Es ist ein vollmundiger,saftiger<br />

Rotwein, der ideal zur sich ankündigenden<br />

kühlen Jahreszeit passt.<br />

2017Abbaye de Valmagne,Languedoc.<br />

Für 8,40 Euro erhältlich zum Beispielbei Jacques’ Wein-Depot.<br />

Essen &Trinken<br />

Dolce Vita<br />

für sieben Euro<br />

Wenn sich der Sommer dem Ende entgegenneigt, ist Vorsorge<br />

angesagt. DieSchweißbäche der zurückliegenden<br />

Monate werden wir wohl nicht vermissen, aber Sommer,<br />

Sonne,Dolce Vita? Kann man nie genug haben! Jetzt ist Berlin<br />

nicht Palermo und ein Kurztrip aus Gründen vonReiselogistik<br />

bis Klimakrise eher umständlich. Umso schöner, dass dieses<br />

Wochenende eine italienische Tradition an der Spree zuGast<br />

ist: L’aperitivo! Das bedeutet: ein Getränk bezahlen und den<br />

ganzen Abend kleine Portionen der Spezialitäten des Hauses<br />

genießen. Beim True Italian Food Festival locken bis Sonnabend<br />

insgesamt 55 Restaurants,Pizzerien undWeinhandlungen<br />

mit einem Getränk inklusiveSnack für sieben Euro.Focaccia<br />

mit Büffelmozzarella, sizilianische Arancini, sardische Ravioli<br />

oder vielfältige Pasta-Sorten aus der Emilia Romagna –<br />

mein Hunger auf einen kulinarischen Kurztrip ist geweckt.<br />

True ItalianFood Festival Sonnabend bis 23 Uhr.Karte mit allen 55 Restaurants:<br />

https://bit.ly/2kvVY6P<br />

Wannsee<br />

Adieu,<br />

Strandbad<br />

Sommer in der Stadt ist gleich Strandbad. Mirfällt kein besseres<br />

Symbol für„Summer in the City“ ein, und weil wir davondieses<br />

Jahr eine Rekord-Version erleben durften, ist es nur<br />

recht und billig, dass die <strong>Berliner</strong> Bäder ihreSaison verlängert<br />

haben. Höchste Zeit also, dieses Wochenende ein letztes Mal<br />

in dieser Saison dem urbanen Kulturgut Strandbad zu huldigen<br />

–mit einem Ausflug zum Wannsee. Schlange stehen am<br />

Kassenhäuschen, Pommes vomPappteller und ein Fleckchen<br />

Sandstrand unter blauem <strong>Berliner</strong> Himmel: das ultimative<br />

Strandbad-Programm. Geöffnet hat das Wannsee-Bad an diesem<br />

Sonnabend bis 24 Uhr, denn zum krönenden Abschluss<br />

der Badesaison wird ein großes Feuerwerk abgebrannt. Deshalb:<br />

Pack’ die Badehose ein, nimm vielleicht noch eine<br />

warme Jacke für den Abend mit, und dann nischt wie raus<br />

nach Wannsee.<br />

Wannsee in Flammen Sa 10–24 Uhrgeöffnet, Eintritt ab 18 Uhr: 3,50 Euro<br />

IMAGO IMAGES<br />

Britpop<br />

Sehnsucht<br />

nach dem Alex<br />

Das Traumland britischer Popmusiker liegt unter dem Alexanderplatz.<br />

Zumindest, wenn es nach dem neusten Musikvideo<br />

der PetShop Boys geht. Darinist der dortige U-Bahnhof<br />

nämlich Kulisse für das titelgebende Dreamland, nach<br />

dem sich die beiden Brexit-geplagten Pop-Briten „tired of my<br />

homeland“ offenbar ziemlich sehnen. Kacheln blinken in verschiedenen<br />

Türkistönen, während eine animierte Version der<br />

U5 durchs Bild rattert. An dieser Stelle muss ich mich als Fan<br />

der Pop-Veteranen aus Großbritannien outen, die den Hipstern<br />

zusehr Mainstream und dem Mainstream zu unaufgeregt<br />

sein mögen. Werallerdings seit mehr als dreißig Jahren<br />

Millionenverkäufe mit Popmusik macht, darfdiesen Umstand<br />

auch getrostignorieren. DasErgebnis klingt, wie die PetShop<br />

Boys nun mal klingen –als tanze man beschwingt und voller<br />

Tatendrang die Stufen vonder U-Bahn in die Herbstsonne hinauf<br />

zum Alex.<br />

PetShop Boys Dreamland<br />

Anziehen<br />

Farbspektakel<br />

für graue Tage<br />

Eswird Herbst, und für mich beginnt damit die Saison für<br />

Kleider und Röcke.Klingt unlogisch? Eben nicht. Denn die<br />

Temperaturen für Schweißausbrüche sind vorüber,stattdessen<br />

steht das Thermometer auf: Strumpfhosen! Ja, ich gehöre zu<br />

Menschen mit chronisch kalten Füßen und ganzjähriger Sommernostalgie.Deshalb<br />

binich empfänglich für fuß- und herzerwärmende<br />

Textilien –und bei GreenFuzz in der Oranienstraße<br />

fündig geworden. Eine farbenfrohe Mischung aus Nostalgie<br />

und Rock ’n’Roll begrüßt mich, die feine Auswahl an kreativen<br />

Stoffen und Mustern ist eine launige Ansage gegen jede Tristesse.Flamingos,Krebse,Bienen<br />

und Füchse tummeln sich auf<br />

Kleidern, Hemden undPullovern.Die Strumpfhosen sind geringelt,<br />

gepunktet, gefleckt, beherzt und gestreift. Zeit,den immerschwarzen<br />

Berlin-Dresscode zu brechen, schließlich umgeben<br />

uns draußen bald genügend Grautöne.<br />

Green Fuzz Oranienstraße23a, Kreuzberg.Mo–Sa 11–19 Uhr<br />

GREEENFUZZ<br />

WOHIN AM WOCHENENDE?<br />

Treppauf,<br />

treppab im<br />

Kunstkosmos<br />

Zu Besuch<br />

in den Gerichtshöfen:<br />

Künstler laden<br />

in 69 Ateliers ein<br />

VonIda Luise Krenzlin<br />

Eines der größten Kunstquartiere<br />

von Berlin befindet sich in den<br />

Gerichtshöfen. In Gesundbrunnen<br />

und zwar in unmittelbarer Nähe<br />

zum grünen Humboldthain erstreckt<br />

sich zwischen der Gerichtstraße<br />

und der Wiesenstraße über<br />

mehrere Hinterhöfe hinweg eine<br />

1912 erbaute Fabrikanlage. Schon<br />

seit den frühen Achtzigerjahren nutzen<br />

Künstler die Räume zum Wohnen<br />

und Arbeiten. An diesem Wochenende<br />

öffnen sie ihre Ateliers<br />

und laden Besucher und Nachbarn<br />

ein, sich in den Werkstätten und Höfen<br />

umzuschauen.<br />

In den Gerichtshöfen gibt es sie<br />

noch, die „<strong>Berliner</strong> Mischung“ aus<br />

Wohnen, Gewerbe und Handwerk.<br />

Im mittleren Hof amAufgang 2befindet<br />

sich an beiden Tagen der zentrale<br />

Infostand. Neben Plänen und<br />

Programmen gibt es dort auch auch<br />

Sitzgelegenheiten, Speisen und Getränke.Vor<br />

allem aber beginnen dort<br />

Blick auf die Gerichtshöfe, erbaut im Jahr 1912<br />

GERICHTSHÖFE WEDDING<br />

die einstündigen kommentierten<br />

Touren durch die Ateliers. Mit kompetenten<br />

Guides wie den Galeristen<br />

TobiasWachter(Galerie Irrgang) und<br />

Andreas Hermann (mianki.Gallery)<br />

sowie der Kuratorin und Journalistin<br />

Maxi Broecking können Besucher<br />

Werkstätten aus den verschiedensten<br />

künstlerischen Bereichen besuchen.<br />

Gutes Schuhwerk ist ratsam,<br />

denn es geht treppauf und treppab<br />

über die vielen Höfe und Eingänge<br />

zu insgesamt 69 Ateliers. Außerdem<br />

gibt es noch die Gast-Etage, auf der<br />

20 eingeladene Künstler ihre Werke<br />

präsentieren.<br />

Auch gibt es zahlreiche Sonderveranstaltungen.<br />

Im 3. Hofzeigt beispielsweise<br />

der Lichtkünstler Günter<br />

Ries am Sonnabend eine Licht-<br />

Klang-Installation in Zusammenarbeit<br />

mit dem Saxofonisten Joachim<br />

Gies und dem Percussionisten Ravi<br />

Srinivasan. Am Sonntag lädt der Fotograf<br />

Jan von Holleben ab 15 Uhr<br />

zum Foto-Event „Mega-Monster-<br />

Foto-Portraits“ in sein Atelier.<br />

Wo heute Künstler aus der ganzen<br />

Welt leben und arbeiten, befand sich<br />

ab 1860 ein Fabrikgebäude mit Speicher,<br />

Pferdeställen und Wagenremisen.<br />

Eigentümer war die„Chemische<br />

Fabrik J.D. Riedel AG“, die Arzneimittel,<br />

Chinin und Grundstoffe für<br />

Glühstrümpfe der bekannten <strong>Berliner</strong><br />

Gaslaternen herstellte. Diese<br />

teilweise explosiven Chemikalien<br />

wurden in einem Aether-Keller gelagert.<br />

1912 wurden die alten Gebäude<br />

abgerissen. J.D. Riedel gründete die<br />

„Industriestätte Nordhof“, die bis<br />

heute fast unverändert erhalten geblieben<br />

ist. Damals wurde das vierstöckige<br />

Fabrikhaus mit großen<br />

Fenstern, glasierten Ziegeln und<br />

elektrischen Aufzügen ausgestattet –<br />

alles ganz modern. Ein Teil des Gebäudes<br />

wurde 1945 zerstört.<br />

Wegen wirtschaftlicher Probleme<br />

standen in den Achtzigerjahren viele

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