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Aus der Region
Aus der Region
viel Geld in die Kasse, dass erstmals in der viele hundert
Jahre umfassenden Geschichte des Flammersbacher Haubergs
„Dividende“ in Form von Bargeld an die Anteilseigner
ausgeschüttet werden konnten. Und die Verständigeren
unter den Genossen wussten natürlich genau, dass sie dies
der Handlungsweise ihrer Ahnen zu verdanken hatten.
Der Bedarf an Brennholz wurde unterdessen wegen des
damals sehr billigen Öls und anderer Energieträger immer
geringer. Viele Anteilseigner verloren das Interesse an der
Arbeit im Wald. Und als Folge machten immer mehr traditionelle
Laubwaldflächen der Fichte Platz. Dass dies Naturschützer
auf den Plan rief, darf nicht überraschen.
Der Hilchenbacher Ehrenbürger Wilhelm Münker (1874
– 1970) war in unserer Region der bekannteste unter ihnen.
Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hatte er dem Altenaer
Lehrer Richard Schirrmann mit Rat und Tat helfend
unter die Arme gegriffen, um dessen Idee zur Schaffung von
Übernachtungsmöglichkeiten für die wandernde Jugend zu
verwirklichen. Das Deutsche Jugendherbergswerk verdankte
der organisatorischen Kraft Münkers zu einem sehr großen
Teil seine Existenz.
Für den Siegerländer Wald indes wurde der begeisterte
Wanderer und SGVler vor allem dadurch wichtig, dass er in
zahlreichen Abhandlungen immer wieder eindringlich eine
Lanze für den Laubwald brach. Der Hilchenbacher war realistisch
genug, um anzuerkennen: „Es ist ein wirtschaftliches
Unding, in Zeiten größter Holznot draußen im Walde
nur Brennholz zu ziehen. Das gibt es … in ganz Deutschland
schon lange nicht mehr. Dabei sind sich alle einig, dass leider
die anspruchsvolle und sehr langsam wachsende Eiche nur
noch in beschränktem Umfang gehalten werden kann. Die
Kernfrage lautet also, mit
welchem Hundertsatz soll
die Fichte Einzug halten?“
An anderer Stelle äußerte
er sich ähnlich: „Keiner
will die Fichte verbannen.
Jeder weiß, dass wir sie
gar nicht entbehren können.“
Doch mit Nachdruck
stellte er abschließend
fest: „Aber was zu viel
ist, ist zu viel!“ Manch ein
Haubergsgenosse wird bei
diesen Sätzen wohl nachdenklich
geworden sein.
Kurz nach dessen Eröffnung
vor knapp zwei
Jahrzehnten erwanderte
ich mit einer SGV-Gruppe
den Rothaarsteig von
Dillenburg nach Brilon.
Bis zur Ginsberger Heide
hielt sich der Anteil
Foto: Ulli Weber
der Fichten am Wegesrand in Grenzen. Von da ab jedoch
säumten rechts und links kontrastarme Nadelbäume den
Weg. Hierdurch hielt eine düstere und ermüdende „Monotonie
unter Fichten“ bei den Wandernden Einzug. Stundenlang
sah man mitunter kaum ein grünes Blatt, man vernahm
kein Vogelgezwitscher, kein Reh und kein Hase ließen sich
sehen. Für einen naturinteressierten Wanderer ist eine derartige
Eintönigkeit – noch dazu auf einem „Weg der Sinne“
– einfach deprimierend!
Ein Jahr nach dem Kyrill-Orkan wanderte ich erneut auf
dieser Strecke. Die unzähligen Stümpfe der umgeblasenen
Fichten stellten zwar auch keine optische Offenbarung dar,
doch nun konnte man wenigstens den Blick in die Weite
schweifen lassen und die zuvor verstellten Ausblicke genießen.
Wandersmann „Willi“, wie Münker freundschaftlich von
seinen Bekannten genannt wurde, hatte wohl diese Region
vor Augen als er feststellte: „Auf den Bergen wird es
schwarz und immer schwärzer. Der Siegeszug der Fichte
geht nahezu ungehemmt weiter.“ Und die Gründe für seine
kritische Einstellung erstreckten sich keineswegs nur auf
den Aspekt des Wanderns: „Die Nachteile betreffen vor allem
die bedenkliche Schädigung der Bodenwuchskraft, die
vermehrte Anfälligkeit für Feuer, Bruch und Käfer sowie
die starke Minderung der nutzbar werdenden Wassermenge
und schließlich auch die Verödung der Landschaft. Man
überlässt den Enkeln und Urenkeln die Sorge, mit dem fast
hoffnungslos verdorbenen Boden fertig zu werden.“
Seine Warnungen gipfelten in einer Stellungnahme im
Heimatkalender 1968: „Und wie war es doch mit der unheimlichen
Dürre 1959? Wenn nun gar zwei solcher Jahre
hintereinander kämen? Es gäbe eine Katstrophe von
gar nicht vorstellbarem Ausmaß. Noch immer rächt sich
Am 18. Januar 2007 legte hier der Orkan Kyrill ein ganzes Fichtenwäldchen flach.
jegliche Sünde wider die Natur. Zu alledem: Gilt nicht seit
Jahrhunderten bei allen Wirtschaftlern der alte Lehrsatz: Du
sollst nicht alles auf eine Karte setzen?!“
Dass diese Sätze prophetischer Natur waren, zeigt sich
derzeit. Wir erlebten zwei Dürrejahre hintereinander und
im Anschluss ein trockenes Frühjahr, das die Vermehrungsfreude
des von Münker genannten Käfers enorm anregte.
Tageszeitungen, Magazine und das Fernsehen berichteten
immer wieder mit bestürzenden Bildern über hingestreckte
Wälder. Und wer sich selbst auf eine Wanderung begibt, der
benötigt nicht lange um vor einem der unzähligen Brachfelder
zu stehen. Das nur sechs Millimeter große Insekt hat
die Wasserknappheit und den hieraus resultierenden Mangel
des schützenden Harzes dazu genutzt, dass die „Katastrophe“
tatsächlich kam.
Die Gesundheit des Waldes, in dem auch Buchen und
Eichen „schwächeln“, war noch nie so schlecht. In der forstlichen
Welt ist dies das alles beherrschende Thema. Keiner
unter den derzeit lebenden Förstern hat so etwas in seiner
Laufbahn erlebt. Die trotz aller Gegenmaßnahmen nicht zu
stoppende Borkenkäferart mit dem unverfänglichen Vornamen
„Buchdrucker“ dürfte seinem Wirt, der Fichte, wohl
eher über kurz als über lang den Garaus machen.
Unbeeindruckt vom Toben des wilden Riesen Kyrill
pflanzten viele Eigner seinerzeit auf den Kahlflächen erneut
Fichten an. Man hatte den Knall nicht vernommen. Die
Titanic sank, die Kapelle spielte weiter. Es musste erst ein
unter der Borke kriechender sanfter Winzling in regenarmen
Jahren kommen, damit bei den frustrierten Waldbesitzern
ein Umdenken einsetzte. Doch ihre Ratgeber, die Forstleute,
sind einstweilen selbst noch ratlos. Welche Baumart wird
13 Jahre später ist ohne menschliches Zutun ein grüner Mischwald entstanden.
mit den künftig zu erwartenden Anforderungen klar kommen?
Welche wird dazu einen wirtschaftlichen Erfolg bringen?
Gefragt sind Konzepte für die nächsten Stürme, Hitzewellen
und Käferinvasionen. Willi Münker hatte sich seine
Meinung schon 1958 gebildet. Da erschien sein 400 Seiten
dickes Buch mit dem Titel „Dem Mischwald gehört die Zukunft“.
Viele vorausschauende Waldbesitzer und Forstleute
kommen in dem Werk im Titelsinne zu Wort.
Zu deren Glück gibt es Haubergsgenossenschaften, die
nicht alles auf eine Karte setzten. Eine nicht geringe Anzahl
hat sogar den Fichtenanteil unterhalb der 40-Prozent-Grenze
gehalten. Der Weidenauer Heimatautor Hermann Böttger
befürchtete zwar im Heimatkalender 1952: „Langsam aber
sicher wird der Hauberg aus der Siegerländer Landschaft
verschwinden; am Ende des Jahrhunderts wird er der Vergangenheit
angehören.“ Weil aber die Verantwortlichen danach
bei Neuanpflanzungen auch der Buche den Vorzug gaben, Eichen
zu Hochwald wachsen ließen und den Wald wieder in
stärkerem Maße zur Brennholzgewinnung nutzten, ist Böttgers
Mutmaßung nicht eingetroffen. Und deshalb prägen immer
noch große Laubwaldanteile das Landschaftsbild.
Am nördlichen Ortseingang von Flammersbach blies vor
13 Jahren der schon genannte Kyrill ein an der Kreisstraße
liegendes Fichtenwäldchen beinahe komplett um. Weil
die Bebauung auf der anderen Straßenseite inzwischen an
das etwas mehr als ein Hektar große Areal angrenzte, verbot
sich eine erneute – und zudem kostspielige – Bepflanzung
mit Fichten. Und so überließ man das Grundstück erst
einmal sich selbst und pflanzte nicht einen einzigen Baum.
Unser Foto zeigt, was in 13 Jahren hieraus geworden ist. Es
ist ein grüner Mischwald, in dem sich unter anderem Espe,
Haselnuss, Ahorn, Weide, Holunder, Birke, Eberesche, Eiche,
Kirsche und Buche,
dazu jede Menge Sträucher
und sonstiges Gehölz um die
Fichtenstümpfe versammelt
haben und dem Ortseingang
ein überaus freundliches
Bild verschaffen.
Bei diesem Anblick
drängt sich der Gedanke auf,
dass vielleicht tatsächlich
ein natürlich gewachsener
Mischwald mit den Katastrophen
der Zukunft klar
kommen kann – vom wirtschaftlichen
Ertrag einmal
abgesehen. Und dann könnte
die Zeit gekommen sein, in
der erneut ein das Siegerland
Foto: Ulli Weber
besuchender Naturwissenschaftler
in sein Tagebuch
schreiben wird: „Fichten
sind wenige oder keine hier.“
Ulli Weber
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