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Unterhaltung

Unterhaltung

Redewendungen aus der Historie

Liebe Leserinnen und Leser, Hand aufs Herz, wie

steht es mit Ihrer Ehrlichkeit? Haben Sie schon einmal

Geld angenommen oder gefunden, das Ihnen

gar nicht zustand? Haben Sie dabei ein schlechtes Gewissen

gehabt? Oder einfach schlicht und ergreifend gedacht:

Geld stinkt nicht! Diese Redewendung würde mir sofort

als Entschuldigung einfallen.

Der römische Kaiser

Vespasian (9 bis 79 n. Chr.)

sann über neue Geldquellen

nach und kam auf die Idee,

eine „Urinsteuer“ einzuführen.

Die gut besuchten

Bedürfnisanstalten wurden

Bild: wikimedia commons

einer Gebührenordnung

unterzogen und jeder Latrinenbenutzer

musste fortan

löhnen! Darüber empörten

sich nicht nur die Bürger,

auch des Kaisers Sohn Titus

war regelrecht verärgert

und hielt diese Abgabe für

ungerecht. Doch Vespasian trat dem entgegen, hielt dem

Sohn das Geld unter die Nase und fragte ihn, ob es streng

rieche? Die lateinische Feststellung: „Pecunia non olet“: Es

stinkt nicht gilt als der Ursprung dieser Redewendung. Bereits

im alten Rom wurde Urin weiterverwertet. Gerbereien

brauchten alten, besonderes gefaulten Urin für die Lederverarbeitung.

Im Urin bildet sich alkalischer Ammoniak, den die

Römer auch für die Reinigung von Wäsche nutzten.

Hier eine weitere Redewendung, die dem einen oder anderen

Leser vielleicht auch schon einmal über die Lippen

kam. Wer hat sich noch nie über eine unentschuldigt fehlende

Person aufgeregt und dann ironisch die Worte durch

Abwesenheit glänzen gedacht oder gesagt? Die Erklärung für

„glänzen“ lässt sich bis in die römische Antike zurück verfolgen.

Marie-Joseph de Chenier (1764-1811) war ein französischer

Dramatiker, der in „Tiberius“, seinem letzten Werk,

schrieb: „Brutus et Cassius brillaient par leur absence“.

Übersetzt: „Brutus und Cassius glänzten durch ihre Abwesenheit“.

Der Satz verweist auf eine Stelle in den „Annalen“

des Tacitus, eines um 116 n. Chr. verstorbenen römischen

Geschichtsschreibers. Ticitus berichtete, dass Junia, die Witwe

des Cassius und Schwester des Brutus bestattet worden

sei, ohne dass die Bildnisse dieser Angehörigen vorangetragen

worden seien. Es war nämlich im alten Rom üblich,

dass bei Leichenbegräbnissen auch Bilder von verstorbenen

Angehörigen und Ahnen gezeigt wurden. Weil aber Brutus

und Cassius als die Mörder von Cäsar galten, durften sie

nach der Bestimmung im kaiserlichen Rom auch nicht als

Bildnisse öffentlich präsentiert werden.

„Zu Dionys, dem Tyrannen schlich, Damon, den Dolch im

Gewande. Ihn schlugen die Häscher in Bande. Was wolltest

du mit dem Dolche, sprich!“ Wer kennt noch den ganzen Text

dieser Ballade, die aus der Feder Friedrich Schillers stammt?

Unsere nächste Redensart spielte sich in Syracus im Hause jenes

beschriebenen Zeitgenossen ab. Damokles lebte um 400

v. Chr. in Syrakus als Günstling seines Herren, nämlich des

Tyrannen Dionysios I. Aber auch bei allem Wohlwollen, aller

Huld und Gewogenheit, und dazu neigten die Menschen zu

allen Zeiten, Damokles beneidete seinen Herrn und Herrscher

um seine Macht und sein Glück. Dies blieb natürlich dem Tyrannen

nicht verborgen und er sann über eine List nach. Bei

einem opulenten Mahl ließ Dionysios über dem Haupt des

Damokles ein Schwert an einem dünnen Rosshaar befestigen,

um ihm so die ständige Bedrohung und das Risiko des Lebens

vor Augen zu führen. Diese Überlieferung steht für die

Redewendung unter dem Damoklesschwert leben.

Aus der Antike kennen wir den Begriff: die Gelegenheit

beim Schopfe packen und hier denkt jeder sogleich an den

pfiffigen Baron von Münchhausen. Er erzählte zwar auch,

er habe sich an seinem eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen,

Das ist aber nicht der Ursprung. Eine viel ältere

Überlieferung, die aus der griechischen Mythologie stammt,

ist an ein sprachliches Bild, dem „Kairomythos“ angelehnt.

Der als Gott verehrte Kairo, der auch in Olympia sehr verehrt

wurde, verkörperte das sprachliche Bild des günstigen Augenblickes.

Dargestellt wurde er mit seiner langen Stirnlocke,

aber einem kurz geschorenen Hinterkopf. Teilweise auch als

Davonfliegender, der eine günstigste Gelegenheit meist dann

zu greifen suchte, wenn es zu spät war. Der Dichter Poseidippos

von Pella beschrieb im dritten Jahrhundert v. Chr. Dialoge

des Kairo, wie wir uns ihn als Menschen vorstellen könnten,

und deren Wortlaute klingen schon arg eigenartig:

„Wer bist du?

Ich bin Kairos, der alles bezwingt!

Warum läufst du auf Zehenspitzen?

Ich, der Kairos, laufe unablässig.

Warum hast du Flügel am Fuß?

Ich fliege wie der Wind.

Warum trägst du in deiner Hand ein spitzes Messer?

Um die Menschen daran zu erinnern,

dass ich spitzer bin als ein Messer.

Warum fällt dir eine Haarlocke in die Stirn?

Damit mich ergreifen kann, wer mir begegnet.

Warum bist du am Hinterkopf kahl?

Wenn ich mit fliegendem Fuß erst einmal vorbeigeglitten bin,

wird mich auch keiner von hinten erwischen

so sehr er sich auch bemüht.

Und wozu schuf Euch der Künstler?

Euch Wanderern zur Belehrung.“

Obwohl bekannt ist, dass bereits um das Jahr 1000 Leif

Eriksson, (der Sohn Eriks des Roten) amerikanischen Boden

betreten hatte, gilt nach wie vor Kolumbus als der Entdecker

Amerikas. Eriksson landete in Neufundland und benannte

diesen Teil „Vinland“. Christoph Kolumbus landete am 12.

Oktober 1492 in der Karibik. Von hier aus setzte die kontinuierliche

Erkundung des Kontinents ein. Die Geschichte über

Kolumbus und wie er die Neue Welt entdeckte, kennen wir

wohl alle von Kindesbeinen an und selbstverständlich auch

die Sache mit dem Ei des Kolumbus. Nach seiner Rückkehr,

als gefeierter Weltumsegler, soll es einmal während eines Essens

bei einem Kardinal geheißen haben, dass so eine Entdeckung

eigentlich ganz leicht sei Die neue Welt hätte jeder

andere auch finden können! Welch ein Affront! Kolumbus

bat um ein Ei und forderte alle Anwesenden auf das Ei auf

die Spitze zu stellen. Es gelang niemand und wurde als schier

unmöglich angesehen. Kolumbus nimmt das Ei, drückt die

Spitze auf den Tisch und es steht! Die Gäste protestierten, so

hätten sie es auch tun können, worauf Kolumbus antwortet:

„Sie hätten es tun können, aber ich habe es getan“.

In der griechischen Sage wurden die Seile am Streitwagen

des phrygischen Königs Gordios kunstvoll verknotet.

Für Detailliebhaber: Der Streitwagen gehörte, als Statussymbol,

dem Gründer des Phrygierreichs in Kleinasien.

Die aus dem Bast der Kornelkirsche bestehenden gedrehten

Seile waren besonders strapazierfähig. Mit einem besonders

stabilen Knoten hielten sie das Joch und die Deichsel zusammen.

Der Knoten, nach seinem Landesherrn benannt,

galt lange als legendär und ebenso unlösbar. Alexander der

Große fand im Jahre 333 v. Chr. eine einfache Lösung, er

durchschlug den gordischen Knoten mit seinem Schwert, so

wurde eine aus einer simplen Problemlösung der Ursprung

der Redewendung, den Gordischen Knoten lösen.

Bleiben wir noch etwas in der Antike. Das Daumen drücken

etwas mit dem Glück wünschen zu tun hat oder damit,

in Gedanken jemand zu unterstützen, belegt ein Zitat des

römischen Naturforschers Plinius des Älteren. Er trug schon

im ersten Jahrhundert n. Chr. das zur damaligen Zeit gesammelte

naturkundliche Wissen zusammen. In einem Kapitel

über Heilmittel findet sich der Hinweis: „Pollices, cum faveamus,

premere etiam proverbio iubemur“. Dieser Satz

lautet frei übersetzt: „Schon das Sprichwort fordert uns auf,

die Daumen zu drücken, wenn wir jemandem geneigt sind“.

Auch bei Gladiatorenkämpfen war es offenbar eine übliche

Geste des Publikums die Daumen zu drücken, um über das

Schicksal von Wettkämpfern abzustimmen.

Nach dem germanischen Volksglauben galt der Daumen

als Glücksfinger, wobei das Einschlagen des Daumens

innerhalb der Handfläche vor Dämonen und Albträumen

schützen sollte.

Wer in der Zeit der Aufklärung die Ehre eines Gegners

grob verletzt hatte, warf seinem Kontrahenten einen Handschuh

vor die Füße. Einen Fehdehandschuh werfen symbolisierte

die ehrenhafte Herausforderung zu einem Zweikampf.

Wurde der Handschuh aufgenommen, war der Kampf akzeptiert.

Das Wort Fehdehandschuh war im Mittelalter noch

nicht bekannt, diese Redewendung ist erst im 18. Jahrhundert

aufkommen. Friedrich Schiller verwendete 1798 das

Motiv in seiner Ballade: „Der Handschuh“. „Nimmt er den

Handschuh mit keckem Finger. Sehns die Ritter und Edelfrauen,

Und gelassen bringt er den Handschuh zurück“.

Wer kennt sich noch in den alten griechischen Göttersagen

aus? Auf Kreta, im Reich des Königs Minos hauste

Minotaurus, ein Stier in einem Labyrinth. Minos störte sich

daran und wollte ihn los werden. Er bot demjenigen, der ihn

von dem Stier befreite, seine Tochter Ariadne zur Frau an.

Theseus der heimliche Geliebte von Ariadne kam das gut

zu pass und er stellte sich der Herausforderung. Mit einer

List half Ariadne

ihren Geliebten

die Aufgabe zu bestehen.

Sie steckte

Theseus ein Fadenknäuel

zu, damit

er sich bei der

mörderischen Aufgabe

im Labyrinth

nicht verlaufen

konnte. Tatsächlich

gelang es ihm

das Tier zu besiegen.

Und weil er

den Faden nicht

verloren hatte,

stand dem jungen

Glück nichts mehr

im Wege.

Eva-M. Herrmann

Bild: wikimedia commons

Theseus und Ariadne

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