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Street-Art
Siegen wird bunter
Ein Hingucker in der Frankfurter Straße, das Fassadengemälde am Löhrtor-Gymnasium (GAL)
Na, so was! Ein Rieseneisbär mit Selfiestick und gleich
um die Ecke ein riesiger Affe, der mit frechen Gesten
und Zähnefletschen wohl eine Botschaft für die Betrachter
hat. Heiß diskutiert wurde im Herbst 2017 über das
neue Fassadengemälde des Gymnasiums am Löhrtor (GAL)
an der Frankfurter Straße. Das Künstlerteam Jan Bresinski aus
Eitorf und Charles Bhebe aus Simbabwe stellten das Mega-
Bild in nur zwei Wochen fertig. Im Vorfeld wurde das Thema
Nachhaltigkeit mit Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums
recherchiert, lange diskutiert, und gemeinsam projektiert.
Die Aufgabe war es, die Agenda 2030 der Vereinten Nationen
mit 17 Nachhaltigkeitszielen
auf 300 Quadratmetern
zu visualisieren.
Dieses Fassadenbild gehörte
zu der Kampagne
Angst.
Fassadenteil am GAL
„Weltbaustellen NRW“.
Ein Mega-Projekt für alle
Beteiligten.
Zu Themen wie Armut,
Bildung, Ungleichheit
oder Klimawandel
wurden zwei Zonen gestaltet.
Übrigens knapp
ein Jahr vor dem ersten
Schulstreik von Greta
Thunberg mit ihrem
legendären Plakat vor
dem schwedischen Parlament,
aus dem dann
die Fridays-for-Future-
Bewegung wurde. Die untere Zone zeigt, ja, die da unten
im Überlebenskampf. Und oben, fernab der Lebenswelt der
„Normalbürger“, die da oben. Die in einer fernen, abgeschotteten
und kalten Metropole in ihrer eigenen Parallelwelt leben.
Der Reichtum ist undurchschaubar und anonym, er zeigt kein
Gesicht. Es besteht keine Verbindung zwischen beiden Ebenen.
Den Menschen unter den Brückenpfeilern steht das Wasser
bis zum Hals, sie müssen jeden Tag neu kämpfen, haben
Ängste und Sorgen. Jedenfalls hält uns das Wandbild überspitzt
und kritisch einen Spiegel unserer Gesellschaft vor Augen.
Menschen, Tieren und Pflanzen droht buchstäblich der
Untergang mit der nächsten Flutwelle. Es ist fünf vor zwölf!
Die bunte, poppige Malerei entpuppt sich eher als Horrorszenario
unserer globalen Welt. Ob die Undurchlässigkeit und
Ungleichheit unserer Gesellschaft bestehen bleibt, beschäftigt
sicher noch die kommenden Generationen.
Die beiden Künstler Bhebe und Bresinski wollten natürlich
keine eigenen Erklärungen abgeben. „Es lässt Spielraum
für eigene Interpretationen“, sagten sie in einem Interview.
Es ist fünf vor zwölf, mahnt auch das im Juni dieses
Jahres geschaffene Graffito „Leave No One behind“ (Lass
niemanden zurück) an einem Lieblingsplatz von Siegen,
der sonnigen Flaniermeile am Siegufer. Geschaffen wurde
es im Sommer 2020 im Rahmen des Siegener Urban-Art-
Festivals „Out And About“. Beim 2003 gegründeten Kulturund
Jugendverein Style Fiasko steht die Hip-Hop-Kultur
im Mittelpunkt. Ziel ist es, Jungendlichen Wege zu zeigen,
Konflikte nicht mit Gewalt, sondern im kreativen Wettbewerb
auszutragen. Fröhliche Hip-Hop-Musik, Breakdance,
Rap oder gemeinsame künstlerische Aktionen schaffen
eine positive Lebenseinstellung. Lieber eine coole Truppe
als gewaltbereite Gangs. Eine Aktion konnte am 13. Juni
live miterlebt werden. Gut gelaunte Jugendliche sprayten
mit Farben, Eimern, Leitern, Mund- und Nasenschutzmasken
ausgerüstet ihr Statement an die Wand. „Leave No One
Behind“ steht in markanten, kantigen Lettern neben dem
Schiff: das Motto der internationalen Hilfsorganisation
Seebrücke. Durch Corona steht seit März dieses Jahres das
Flüchtlingsthema nicht mehr so im Fokus der Öffentlichkeit.
Umso wichtiger war es Style Fiasko, dieses Thema nachdrücklich
noch einmal plakativ mitten in Siegen auf eine 20
Meter lange Mauer zu sprayen. Neben der Sieg scheint das
schnelle Rettungsschiff auf die Betrachter zuzukommen mit
seiner Mahnung, keinen zurück zu lassen und fordert unsere
Empathie und Solidarität ein. Noch bis Ende August mahnte
die „Seebrücke“ an das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer.
Eine andere Jugendgruppe wird die Malfläche übernehmen
und uns wahrscheinlich mit einem frechen Henner und Frieder
Comic überraschen.
Typisch für Straßenkunst: oft ist sie nicht permanent,
sie ändert sich oder verschwindet ganz. Hier ist alles legal.
Meist sind aber Graffiti illegal, werden anonym oder unter
Pseudonym gesprayt oder eher geschmiert. Vor allem
rund um Bahnhöfe und Züge, an Autobahnen und Schallschluckwänden
überbieten sich die Sprayer mit waghalsigen
Manövern, um ihre Botschaften zu verewigen. Um
diese Schmierereien zu beseitigen, geben die Kommunen
Geld ohne Ende aus. Doch kaum ist der Reinigungstrupp
weg, kommen schon wieder andere Graffiti-Sprayer.
Die Gruppe Style Fiasko hatte auch vor einiger Zeit
schon für Aufsehen gesorgt, als sie die Unterführungen
Titel
zum Bahnhof und zur Siegerlandhalle mit freundlich
bunten Grafitti heller und freundlicher gestaltete. Vorher
waren diese Passagen eher Orte, die man meidet. Und ein
Spielfeld für Vandalen mit der Spraydose.
Ein Freiraum für Jugendliche in Siegen ist der Skatepark
am Goldammerweg in Eiserfeld. Nachmittags kann
man hier vor allem sportbegeisterte Jungen mit ihren BMX-
Rädern, Roller-Skates oder Stunt-Scootern beim Trainieren
treffen. Und natürlich beim chillen. Hier werden auch
Kurse in den verschiedenen Disziplinen angeboten. Action
ist auf dem Spielplatz mit den verschiedenen Rampentypen
angesagt. Oben hinter der Hauptrampe sieht man ein
dazu passendes grellbuntes Graffito – wieder mit typischen
markanten, kantigen und übergroßen Buchstaben, die sich
nicht recht entziffern lassen. Aber sie vermitteln Explosion,
Aktion und Dynamik. Hier können sich die Kids so richtig
auspowern. Frust und Aggression abbauen. Der Skatepark
wurde 2004/5 von der Stadt Siegen gebaut.
Ein paar Straßen weiter vom Siegufer entfernt im Häutebachweg
9 sieht man heute noch die Fassadenmalerei
von Uwe Pieper und Walter Helsper, einst bunt und spektakulär.
Fast 40 Jahre hält nun schon die mystische Malerei
der Witterung stand. Wenn auch inzwischen verblasst – die
Farbe bröckelt – verzaubert sie Betrachter von heute mit
ihrem morbiden Charme. „Ich freue mich jedes Mal, wenn
ich an dieser Fassade vorbei gehe“, sagt eine ältere Passantin
„wenn auch das Haus der ehemaligen Galerie heute in
einem eher desolaten Zustand ist“.
Man sieht einen theatralischen Prospekt, den das Künstlerteam
zur Eröffnung der Galerie Kaiser am 3.10.1981 hier
Weltuntergang, Ausschnitt aus dem Fassadengemälde am GAL
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