Industrieanzeiger 01-02.2021
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
news & management<br />
miert durchlaufen. So entwickelte der Lkw-Hersteller<br />
MAN einen Telematikdienst, der Fahrzeugdaten für die<br />
vorrausschauende Wartung übermittelt. MAN konnte<br />
damit die Fahrzugausfälle senken – und somit Lieferkettenunterbrechungen<br />
bei seinen Kunden verhindern.<br />
Diese Beispiele zeigen: Wer Digitalisierung mehr als<br />
Chance denn als Bedrohung begreift, kann mit innovativen<br />
Geschäftsmodellen einen größeren Mehrwert bieten<br />
und sich langfristig am Markt behaupten.<br />
Die Umsetzung ist vielfältig<br />
Die Transformation oder Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen<br />
jeglicher Art wird durch strategische<br />
Ziele geleitet. Im ersten Schritt sollten Verantwortliche<br />
eine Bestandsaufnahme ihrer Geschäftsmodelle vornehmen,<br />
die aus einer Ist-Analyse und einer Soll-Bewertung<br />
besteht. Was sind unsere Geschäftsmodelle? Wie sieht<br />
unser Operating Model aus? Wie zukunftsfähig ist es?<br />
Und: Wo wollen wir hin? Mehr Deckungsbeitrag, mehr<br />
Umsatz, mehr Neukunden, neue Märkte?<br />
Die nächste Frage lautet, wie Unternehmen ihre Ziele<br />
erreichen. Selbstverständlich müssen Verantwortliche<br />
die Märkte beobachten und Trends frühzeitig erkennen.<br />
Die Konsequenzen, die aus dieser Beobachtung resultieren,<br />
müssen mit Kunden und Stakeholdern besprochen<br />
und analysiert werden, um Prozesse auf die Veränderungen<br />
abzustimmen sowie erforderliche Kapazitäten zu<br />
bestimmen. Diese bestehen aus Mitarbeiter-Knowhow,<br />
Ressourcen oder Infrastruktur.<br />
Die strategischen Ebenen schließen dabei Finanzen,<br />
Märkte, Prozesse und Potenziale ein. All diese Ebenen<br />
bedingen sich untereinander. Ein strategisches Ziel auf<br />
der Marktebene ist immer auch mit Prozess- oder Potenzialzielen<br />
verknüpft. Die aus den Zielen abgeleiteten<br />
Handlungsfelder sind vielfältig – und müssen von Geschäftsführung<br />
und Führungsteams priorisiert werden.<br />
Ist ein Finanzziel beispielsweise „Umsatzsteigerung“,<br />
können Unternehmen auf der Marktebene den Kundenwert<br />
steigern, wie es MAN und Walter mit ihren Servicemodellen<br />
gemacht haben. Oder sie können ihre<br />
Markenpräsenz erhöhen. Je nachdem, was die Führungsteams<br />
auf der Marktebene priorisieren, müssen sie<br />
dann auch an Stellschrauben auf der Potenzial- und<br />
Prozessebene drehen. Beim Thema „Markenpräsenz erhöhen“<br />
können Unternehmen unter anderem ihr Vertriebs-Knowhow<br />
verbessern und ihre externe Kommunikation<br />
verstärken.<br />
Doppelbelastung Transformation<br />
Eine Veränderung im Geschäftsmodell ist nicht wie ein<br />
Schalter, den man einfach umlegt. Verantwortliche müssen<br />
sukzessiv an die Transformation herangehen. Zeitweise<br />
bedeutet das eine Doppelbelastung für alle Beteiligten:<br />
Einerseits muss das operative Tagesgeschäft weiterlaufen,<br />
andererseits muss das neue Geschäftsmodell<br />
implementiert und angekurbelt werden. Eventuell kannibalisiert<br />
das neue Modell das alte zeitweise. Doch hier<br />
gilt der Satz von Gisbert Rühl, Vorstand des Duisburger<br />
Metallhändlers Klöckner & Co.: „Ich kannibalisiere<br />
mein Geschäft, bevor es andere tun.“<br />
Erfolgsfaktor Belegschaft<br />
Dieser Wandel gelingt nur, wenn die Mitarbeiter den<br />
Wandel annehmen und mitziehen. Dafür müssen Verantwortliche<br />
sie frühzeitig in das Veränderungsvorhaben<br />
einbeziehen – und auch mitgestalten lassen. Studien<br />
zeigen immer wieder: Eine Business Model-Transformation<br />
erfordert einen Kulturwandel im Unternehmen. Die<br />
erfolgreiche Implementierung eines Geschäftsmodells<br />
gelingt nur, wenn die Mitarbeiter diese mit Leben füllen.<br />
Hierfür muss sich die Geschäftsführung fragen: Erfordern<br />
die neuen Prozesse auch ein neues Verständnis von<br />
Führung? Müssen wir für einen Kulturwandel auch das<br />
Managementsystem adaptieren oder die Organisation<br />
verändern?<br />
Auch wenn Unternehmen des industriellen Mittelständs<br />
unter Handlungsdruck stehen, bedeutet das<br />
nicht, dass die Verantwortlichen panisch irgendwelchen<br />
Trends nachjagen sollten. Eine gründliche Analyse zur<br />
aktuellen Situation muss jeder Veränderung vorangehen.<br />
Bei der Entscheidungsfindung ist es aber notwendig,<br />
die eigene Komfortzone zu verlassen, Mut aufzuwenden<br />
und unternehmerisches Risiko einzugehen, anstatt<br />
lieber nur den Status quo zu verwalten und so lange<br />
am Geschäftsmodell festzuhalten, bis es irgendwann<br />
keines mehr ist.<br />
•<br />
Dipl.-Ing. Olaf Arns, MBA<br />
Unternehmensberater für den industriellen Mittelstand<br />
in Wenden bei Olpe<br />
Die Entscheidungsfindung<br />
erfordert es, die eigene<br />
Komfortzone zu verlassen<br />
anstatt nur den Status<br />
quo zu verwalten und so<br />
lange am Geschäftsmodell<br />
festzuhalten, bis es irgendwann<br />
keines mehr ist.<br />
Bild: andranik123/stockadobe.com<br />
<strong>Industrieanzeiger</strong> <strong>01</strong>/02.21 25