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Saargeschichten Ausgabe 58/59 (1/2-2020)

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Die Karte vom Cours<br />

de la Sarre von 1703<br />

zeigt die französische<br />

Saarprovinz mit ihrer<br />

»Hauptstadt«, der<br />

Festungsstadt Saarlouis<br />

(LA SB, Kartensammlung<br />

Hellwig)<br />

philer Kräfte bis zum Frühjahr 1919 nie namentlich<br />

in Erscheinung. Nicht einmal nach der<br />

Abfuhr, die er sich bei Bürgermeister Gilles und<br />

den Beigeordneten geholt hatte: Die Saarlouiser<br />

Abordnung, die am 19. April für eine Woche mit<br />

Unterstützung der Militärregierung nach Paris<br />

reiste, tat dies ohne den sich immer deutlicher<br />

Frankreich nähernden Arzt vom Großen Markt. [16]<br />

Dass diese Annäherung in einem reziproken Verhältnis<br />

zur Distanzierung von Gilles’ »deutschem«<br />

Konfrontationskurs (so dürfte ihn jedenfalls Hector<br />

gedeutet haben) geschah, ist mehr als wahrscheinlich.<br />

Ebenso wie die nicht durch Quellen zu<br />

stützende Vermutung, dass Hector bei der zweiten<br />

Saarlouiser Delegationsreise nach Paris, die<br />

nur wenige Tage nach der ersten stattfand, mit<br />

an Bord gewesen sein könnte.<br />

Jedenfalls kam es genau nach diesem zweiten<br />

Saarlouiser Bittgang gen Süden zu einem von<br />

Frankreich gewünschten Machtwechsel im Rathaus.<br />

Am 28. April hatte Dr. Gilles noch seine<br />

Protestnote gegen die Requierierung der Wandbehänge<br />

und eine entsprechende Eingabe an die<br />

deutsche Delegation in Versailles unterschrieben,<br />

wenige Tage später war er bereits abgesetzt und<br />

durch Dr. Hector kommissarisch ersetzt worden.<br />

Am 12. Mai wurde er gar gemeinsam mit<br />

dem Saarlouiser Landrat ins Rechtsrheinische<br />

ausgewiesen, folgte damit einigen unbeliebt<br />

[16] Weißbuch Nr. 19, S. 45f. Allerdings wird ebda., Anm. 2,<br />

auch erläutert, dass man sich bei einer Vorbesprechung<br />

dieser Reise darauf geeinigt hatte, dass nach den Vorkommnissen<br />

des 17. März kein Stadtverordneter unter<br />

den Delegierten sein solle.<br />

gewordenen Mitbürgern, die schon eine Woche<br />

zuvor die Reise ins unfreiwillige Exil hatten<br />

antreten müssen. Wie sehr der neue Bürgermeister<br />

Hector die Unterstützung Frankreichs<br />

besaß, wurde spätestens am nächsten Tag ganz<br />

klar. Am 13. Mai nämlich wurde er auch offiziell<br />

vom Stadtrat zum neuen Stadtoberhaupt<br />

gewählt, nachdem der in der Sitzung anwesende<br />

Leutnant Fabvier zuvor erklärt hatte, dass General<br />

Andlauer wünsche, dass Hector in dieses Amt<br />

gewählt würde. 20 von 22 anwesenden Stadtverordneten<br />

folgten diesem »Wunsch« und der<br />

gebürtige Saarlouiser Fabvier sprach danach<br />

seine Hoffnung aus, dass nun in der Stadt wieder<br />

mehr Ruhe einkehren möge. Jakob Hector nahm<br />

das Ergebnis der geheimen Abstimmung dankbar<br />

an. [17]<br />

Das gute Jahr, das Hector als Saarlouiser Bürgermeister<br />

verbrachte, war nicht gerade eines, in<br />

dem man die Stadt vom Ruhekissen aus regieren<br />

konnte. Erst recht nicht dann, wenn man wie Hector<br />

weiterhin auch seinem bürgerlichen Beruf als<br />

praktischer Arzt nachging. Da waren zum einen,<br />

wie die überlieferten Protokolle und Berichte<br />

von den Stadtverordnetenversammlungen ausweisen,<br />

die vielen elementaren Probleme, die die<br />

Kommune nach dem langen Krieg zu bewältigen<br />

hatte. Lebensmittelknappheit, Wohnungsnot,<br />

die mangelhaften Verhältnisse von Straßen und<br />

Infrastruktur, die Not der Gewerbetreibenden,<br />

verschärft durch die Folgen von Streiks und<br />

[17] Weißbuch Nr. 24, S.49. Dieser Bericht entspricht dem<br />

Protokoll der Stadtverordnetenversammlung vom 13.<br />

Mai 19, vgl. Beschlussbuch 1913–1920, S. 540ff.

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