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Saargeschichten Ausgabe 58/59 (1/2-2020)

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saargeschichte|n 89<br />

sche und auswärtige Angelegenheiten erneuert<br />

und bereits entsprechende Räumlichkeiten aquiriert:<br />

Darunter waren der Neubau der Landesversicherungsanstalt,<br />

das Behördenhaus Am Stadtgraben,<br />

das spätere Finanzamt und das Hohe<br />

Kommissariat in der Alleestraße, das wegen des<br />

geplanten Neubaus frei werde. [16] Auch der von<br />

dem Saarbrücker Architekten Otto Renner am 21.<br />

Juli 1952 im »Bau-Anzeiger«, Nr. 13/14 vorgelegte<br />

Entwurf für »die Unterbringungsmöglichkeiten«<br />

der Montanunion in Saarbrücken – wie die Hohe<br />

Behörde, der Gerichtshof, der Ministerrat und das<br />

Plenum – siedelte diese links und rechts des Neubaus<br />

der französischen Botschaft an. In einem<br />

Beitrag des »Bau-Anzeigers«, einer Sonderseite<br />

in der »Saarbrücker Zeitung« vom 29. November<br />

1952, die sich mit der Eignung Saarbrückens<br />

als Sitz der Montanunion befasste, legte Renner<br />

nach und prognostizierte: Dass die Botschaft<br />

»nach entsprechenden Begründungen und Verhandlungen<br />

wohl mit in den Gebäudekomplex<br />

des endgültigen Sitzes der Montanunion eingegliedert<br />

werden könnte.«<br />

Der Druck, das Projekt Hauptstadt der Montanunion<br />

voranzutreiben, hatte sich seit Juni 1952 stetig<br />

aufgebaut, befeuert unter anderem von einer<br />

AFP-Meldung vom 28. Juni 1952. Darin war von<br />

einem Treffen von Außenminister Schuman und<br />

Ministerpräsident Pinay die Rede, die gegenüber<br />

einer Delegation von Bas-Rhin sich für Straßburg<br />

als Sitz der Montanunion ausgesprochen hätten.<br />

Darüber informierte das Amt für auswärtige<br />

und europäische Angelegenheiten Botschafter<br />

Grandval. Umso entschlossener ging man in<br />

Saarbrücken ans Werk. So hieß es in einer Anzeige<br />

der Saarbrücker Zeitung vom 25. November 1952:<br />

»Wenn das Saarland europäisiert wird, dann wird<br />

Saarbrücken die Hauptstadt der Montanunion.<br />

Das ist schon jetzt beschlossen. Die Europäisierung<br />

kommt nur, wenn alle Saarländer einverstanden<br />

sind.« Um sicher zu gehen, dass dies der<br />

Fall ist, ließ die saarländische Regierung einen<br />

Tag vor der Landtagswahl am 30. November 1952<br />

aus einem Flugzeug Flugblätter abwerfen. Sie<br />

zeigten den Rohbau des Botschaftsgebäudes.<br />

Dabei war die Bezeichnung »Französische Botschaft«<br />

durchgestrichen und mit einem »Nein!«<br />

bekräftigt und zugleich die eigentliche Funktion<br />

des Gebäudes genannt: »Sitz der Montan-Union«.<br />

Damit war auch eine Begründung dafür gegeben,<br />

dass das für das Saarland im Grunde zu große<br />

Botschaftsgebäude von vorneherein für ganz<br />

[16] LASB AA 565: Schreiben Dr. Adams an Direktor Lorscheider,<br />

13. Juni 1952.<br />

andere Aufgaben vorgesehen war. Paul Burgard,<br />

der die Baugeschichte der französischen Botschaft<br />

vollumfänglich aufgearbeitet hat, ordnet<br />

diese Behauptung als »nachgeschobene Sinnstiftung<br />

aus »JoHos Wahlkampfmaschine« [17] ein.<br />

Längst hatte der Plan, aus Saarbrücken die Hauptstadt<br />

der Montanunion zu machen, eine Eigendynamik<br />

entwickelt. Am 25. Februar 1953 konstituierte<br />

sich unter dem Vorsitz des Saarbrücker<br />

Bürgermeisters Peter Zimmer der Aktionsausschuss<br />

»Montanunionstadt Saarbrücken«. Dieser<br />

kanalisierte den Aktionismus in einer Stadt,<br />

in der die Wohnungsnot groß war und gleichzeitig<br />

unablässig Neubauten für die erhofften<br />

europäischen Institutionen zur Verfügung stellte.<br />

Ungeachtet dessen schuf Luxemburg Fakten<br />

und hielt einen Neubau für die Hohe Behörde<br />

bereit, die die »Saarländische Volkszeitung« am 5.<br />

Januar 1953 vermeldete. Zudem habe Luxemburg<br />

den Auftrag für den Bau einer »Schumanplan-<br />

Gartenstadt« erteilt und dafür 100 Millionen<br />

Franc bereitgestellt. Die ersten Gebäude sollten<br />

im November des gleichen Jahres bezugsfertig<br />

sein. Schon am nächsten Tag sandte die Landesregierung<br />

ein Schreiben an Robert Schuman mit<br />

der Erinnerung daran, dass die Entscheidung<br />

über den Sitz der Hauptstadt der Montanunion<br />

noch offen sei. [18]<br />

Die Antwort an Ministerpräsident Johannes<br />

Hoffmann kam am 3. Februar 1953 vom französischen<br />

Außenminister Bidault und erinnerte<br />

diesen daran, dass die Entscheidung für Saarbrücken<br />

abhängig sei von den deutsch-französischen<br />

Verhandlungen über das Saarstatut.<br />

Da dies noch offen sei, so ließe sich der weitere<br />

Inhalt des Schreibens übersetzen, habe<br />

man in Luxemburg schon mal angefangen. [19]<br />

Dem wollte man in Saarbrücken nicht nachstehen,<br />

ungeachtet der Fakten, die bereits<br />

durch Gebäude in Luxemburg und Straßburg<br />

geschaffen worden waren. Das Protokoll der 3.<br />

Sitzung des Aktionsausschusses Montanunionstadt<br />

Saarbrücken vom 18. Mai 1953 bewertet<br />

daher die Chance für Saarbrücken, Hauptstadt<br />

der Montanunion zu werden, als »sehr groß« [20] .<br />

[17] Siehe Anm. 14.<br />

[18] LASB AA 565: Schreiben des Ministerpräsidenten an Außenminister<br />

Robert Schuman, 6. Januar 1953.<br />

[19] LASB AA 565: Schreiben Außenminister Bidault an Ministerpräsident<br />

Johannes Hoffmann, 3. Februar 1953.<br />

[20] St A, Bestand Großstadt Saarbrücken, Nr. 4276, Akte<br />

»Aktionsausschuss Montanunionstadt Saarbrücken«, 3.<br />

Sitzung vom 18. Mai 1953.

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