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Saargeschichten Ausgabe 58/59 (1/2-2020)

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saargeschichte|n 75<br />

verbindende Idee der Gartenschau hervor und<br />

Bischof Dibelius erinnerte an das unsägliche<br />

Leid der Vergangenheit. Mit ihm verbunden die<br />

Gefallenen bei der Schlacht von Spichern, die<br />

Saarbrücker Zeitung zitierte seine bewegenden<br />

Ausführungen: »An diesem Tage aber, da die Vertreter<br />

ehemals feindlicher Völker zu gemeinsamer<br />

Feier zusammengekommen seien, könne man<br />

sagen: Hier hat der Friede begonnen«. Die Landwirtschaftsminister<br />

beider Länder, Henri Rocherau<br />

(1908–1999) und Werner Schwarz (1900–<br />

1982) bekräftigten die Ausführungen der Bischöfe.<br />

Der Saarbrücker Oberbürgermeister Fritz Schuster<br />

(1916–1988) beschrieb in blumigen Worten,<br />

»das Schussfeld zwischen zwei Völkern sei in<br />

einen blühenden Garten verwandelt worden, an<br />

dem Gärtner aus dem Raum zwischen Berlin und<br />

der Riviera in friedlichem Wettbewerb und seltener<br />

Eintracht zusammengearbeitet hätten«.<br />

Damit sprach Schuster den symbolträchtigen Ort<br />

an. Am 16. Oktober 1870 war hier ein neuer Friedhof<br />

für die Gefallenen der Schlacht von Spichern<br />

unter dem Namen Ehrental eingeweiht worden.<br />

Und in der NS-Zeit verliefen nicht weit entfernt<br />

Teile des Westwalls. Auch wenn das Ehrental der<br />

erste Soldatenfriedhof für Deutsche und Franzosen<br />

war, so entwickelte sich der Ort bis 1945 zu<br />

einer nationalen Weihestätte. Ministerpräsident<br />

Dr. Franz-Josef Röder (1909–1979) zugleich<br />

seinerzeit Bundesratspräsident, dankte bei der<br />

Gedenkstunde in Spichern Bundeskanzler Konrad<br />

Adenauer (1876–1967) und dem französischen<br />

Ministerpräsidenten Michel Debré (1912–1996)<br />

für die Schirmherrschaft. Beide waren aber nicht<br />

nach Saarbrücken gekommen – warum eigentlich<br />

nicht? [2]<br />

Das weiße Kreuz, das als Mahnmal den Spicherer<br />

Berg überragte, schenkte der Veranstaltung eine<br />

besondere Würde und machte ihn zum zentralen<br />

Ort der Veranstaltung. [3]<br />

Ein Tag zuvor war übrigens die Französische Woche<br />

im Saarland eröffnet worden und zeitgleich lief<br />

die Saarmesse. Dazu war Frankreichs Botschafter<br />

in der Bundesrepublik, François Seydoux de<br />

[2] Ebda.<br />

[3] Bernd Loch, Der Deutsch-Französische Garten in Saarbrücken.<br />

Geschichte und Führer, Saarbrücken 2000, S. 21.<br />

Clausonne, nach Saarbrücken gekommen, der<br />

zugleich das neu errichtete Centre Culturel in der<br />

Saarbücker Cecilienstraße eröffnete. Saarbrücken<br />

und das Saarland standen im Zeichen der Tricolore<br />

und überall warben Michel und Marianne<br />

für die neue Zeit friedlicher Nachbarschaft. [4]<br />

Beide Figuren spielten die Hauptrolle bei der<br />

Deutsch-Französischen Gartenschau. Die Tochter<br />

von Philippe Koenig, damals Leiter der Kulturabteilung<br />

beim französischen Generalkonsulat<br />

in Saarbrücken, spielte die Marianne und der von<br />

den Städtischen Bühnen Köln kommende Joachim<br />

Liman den Michel. [5]<br />

Deutsch-Französische Freundschaft war kein<br />

Gründungsmotiv<br />

Wenn man auf die Spurensuche in die Archive<br />

geht, stellt man aber fest, dass die deutsch-französische<br />

Freundschaft nicht das Gründungsmotiv<br />

der Gartenschau gewesen ist. Am Anfang, im Juni<br />

1956, stand der Wunsch, die Bundesgartenschau<br />

nach Saarbrücken zu holen. Sie sollte der Stadt<br />

wie dem Saarland, das zum 1. Januar 1957 dem<br />

Geltungsbereich des Grundgesetzes beitreten<br />

würde, ein attraktives Forum bilden. Das junge<br />

Bundesland wollte sich der deutschen Öffentlichkeit<br />

präsentieren und Gäste aus der ganzen<br />

Bundesrepublik an die Saar locken. So wandte<br />

sich die Stadtverwaltung am 25. Juni 1956 an den<br />

Zentralverband des Deutschen Gemüse-, Obstund<br />

Gartenbaus in Bonn. Leider musste man<br />

erfahren, dass die Termine für die Bundesgartenschau<br />

schon verplant seien und Saarbrücken<br />

könne vor 1965 nicht berücksichtigt werden. In<br />

dieser Situation sattelte die Stadt um, und es entstand<br />

die Idee, die Saarmesse mit einer deutschfranzösischen<br />

Gartenschau zu verbinden. Das bot<br />

sich auch geradezu an, da das Deutschmühlental<br />

als Ort der Gartenschau im Norden an den Standort<br />

der Saarmesse angrenzte. Die in der Autonomiezeit<br />

gegründete Saarmesse präsentierte<br />

sich nach der Saarabstimmung als deutsch-französische<br />

Austauschmesse. Eine deutsch-französische<br />

Gartenschau konnte da reibungslos integriert<br />

und zugleich die Saarmesse aufgewertet<br />

[4] Saarbrücker Zeitung vom 23. und 25. April 1960.<br />

[5] Saarbrücker Zeitung vom 15./16. Mai 1980.<br />

An den Eröffnungsfeierlichkeiten<br />

nahmen neben den<br />

französischen und<br />

deutschen Landwirtschaftsministern<br />

Henri Rocherau und<br />

Werner Schwarz<br />

u.a. der französische<br />

Bischof Pierre-<br />

Marie Théas sowie<br />

der Ratsvorsitzende<br />

der evangelischen<br />

Kirche in Deutschland,<br />

Bischof Otto<br />

Dibelius, teil, ebenso<br />

der saarländische<br />

Ministerpräsident Dr.<br />

Franz-Josef Röder, der<br />

Saarbrücker Oberbürgermeister<br />

Fritz<br />

Schuster, Kurt Conrad,<br />

Vorsitzender der SPD-<br />

Landtagsfraktion,<br />

sowie Bundeswirtschaftsminister<br />

Werner<br />

Schwarz.<br />

(Stadtarchiv SB, Nl M<br />

1142/36; Nl M 1142/26)

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