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saargeschichte|n 75<br />
verbindende Idee der Gartenschau hervor und<br />
Bischof Dibelius erinnerte an das unsägliche<br />
Leid der Vergangenheit. Mit ihm verbunden die<br />
Gefallenen bei der Schlacht von Spichern, die<br />
Saarbrücker Zeitung zitierte seine bewegenden<br />
Ausführungen: »An diesem Tage aber, da die Vertreter<br />
ehemals feindlicher Völker zu gemeinsamer<br />
Feier zusammengekommen seien, könne man<br />
sagen: Hier hat der Friede begonnen«. Die Landwirtschaftsminister<br />
beider Länder, Henri Rocherau<br />
(1908–1999) und Werner Schwarz (1900–<br />
1982) bekräftigten die Ausführungen der Bischöfe.<br />
Der Saarbrücker Oberbürgermeister Fritz Schuster<br />
(1916–1988) beschrieb in blumigen Worten,<br />
»das Schussfeld zwischen zwei Völkern sei in<br />
einen blühenden Garten verwandelt worden, an<br />
dem Gärtner aus dem Raum zwischen Berlin und<br />
der Riviera in friedlichem Wettbewerb und seltener<br />
Eintracht zusammengearbeitet hätten«.<br />
Damit sprach Schuster den symbolträchtigen Ort<br />
an. Am 16. Oktober 1870 war hier ein neuer Friedhof<br />
für die Gefallenen der Schlacht von Spichern<br />
unter dem Namen Ehrental eingeweiht worden.<br />
Und in der NS-Zeit verliefen nicht weit entfernt<br />
Teile des Westwalls. Auch wenn das Ehrental der<br />
erste Soldatenfriedhof für Deutsche und Franzosen<br />
war, so entwickelte sich der Ort bis 1945 zu<br />
einer nationalen Weihestätte. Ministerpräsident<br />
Dr. Franz-Josef Röder (1909–1979) zugleich<br />
seinerzeit Bundesratspräsident, dankte bei der<br />
Gedenkstunde in Spichern Bundeskanzler Konrad<br />
Adenauer (1876–1967) und dem französischen<br />
Ministerpräsidenten Michel Debré (1912–1996)<br />
für die Schirmherrschaft. Beide waren aber nicht<br />
nach Saarbrücken gekommen – warum eigentlich<br />
nicht? [2]<br />
Das weiße Kreuz, das als Mahnmal den Spicherer<br />
Berg überragte, schenkte der Veranstaltung eine<br />
besondere Würde und machte ihn zum zentralen<br />
Ort der Veranstaltung. [3]<br />
Ein Tag zuvor war übrigens die Französische Woche<br />
im Saarland eröffnet worden und zeitgleich lief<br />
die Saarmesse. Dazu war Frankreichs Botschafter<br />
in der Bundesrepublik, François Seydoux de<br />
[2] Ebda.<br />
[3] Bernd Loch, Der Deutsch-Französische Garten in Saarbrücken.<br />
Geschichte und Führer, Saarbrücken 2000, S. 21.<br />
Clausonne, nach Saarbrücken gekommen, der<br />
zugleich das neu errichtete Centre Culturel in der<br />
Saarbücker Cecilienstraße eröffnete. Saarbrücken<br />
und das Saarland standen im Zeichen der Tricolore<br />
und überall warben Michel und Marianne<br />
für die neue Zeit friedlicher Nachbarschaft. [4]<br />
Beide Figuren spielten die Hauptrolle bei der<br />
Deutsch-Französischen Gartenschau. Die Tochter<br />
von Philippe Koenig, damals Leiter der Kulturabteilung<br />
beim französischen Generalkonsulat<br />
in Saarbrücken, spielte die Marianne und der von<br />
den Städtischen Bühnen Köln kommende Joachim<br />
Liman den Michel. [5]<br />
Deutsch-Französische Freundschaft war kein<br />
Gründungsmotiv<br />
Wenn man auf die Spurensuche in die Archive<br />
geht, stellt man aber fest, dass die deutsch-französische<br />
Freundschaft nicht das Gründungsmotiv<br />
der Gartenschau gewesen ist. Am Anfang, im Juni<br />
1956, stand der Wunsch, die Bundesgartenschau<br />
nach Saarbrücken zu holen. Sie sollte der Stadt<br />
wie dem Saarland, das zum 1. Januar 1957 dem<br />
Geltungsbereich des Grundgesetzes beitreten<br />
würde, ein attraktives Forum bilden. Das junge<br />
Bundesland wollte sich der deutschen Öffentlichkeit<br />
präsentieren und Gäste aus der ganzen<br />
Bundesrepublik an die Saar locken. So wandte<br />
sich die Stadtverwaltung am 25. Juni 1956 an den<br />
Zentralverband des Deutschen Gemüse-, Obstund<br />
Gartenbaus in Bonn. Leider musste man<br />
erfahren, dass die Termine für die Bundesgartenschau<br />
schon verplant seien und Saarbrücken<br />
könne vor 1965 nicht berücksichtigt werden. In<br />
dieser Situation sattelte die Stadt um, und es entstand<br />
die Idee, die Saarmesse mit einer deutschfranzösischen<br />
Gartenschau zu verbinden. Das bot<br />
sich auch geradezu an, da das Deutschmühlental<br />
als Ort der Gartenschau im Norden an den Standort<br />
der Saarmesse angrenzte. Die in der Autonomiezeit<br />
gegründete Saarmesse präsentierte<br />
sich nach der Saarabstimmung als deutsch-französische<br />
Austauschmesse. Eine deutsch-französische<br />
Gartenschau konnte da reibungslos integriert<br />
und zugleich die Saarmesse aufgewertet<br />
[4] Saarbrücker Zeitung vom 23. und 25. April 1960.<br />
[5] Saarbrücker Zeitung vom 15./16. Mai 1980.<br />
An den Eröffnungsfeierlichkeiten<br />
nahmen neben den<br />
französischen und<br />
deutschen Landwirtschaftsministern<br />
Henri Rocherau und<br />
Werner Schwarz<br />
u.a. der französische<br />
Bischof Pierre-<br />
Marie Théas sowie<br />
der Ratsvorsitzende<br />
der evangelischen<br />
Kirche in Deutschland,<br />
Bischof Otto<br />
Dibelius, teil, ebenso<br />
der saarländische<br />
Ministerpräsident Dr.<br />
Franz-Josef Röder, der<br />
Saarbrücker Oberbürgermeister<br />
Fritz<br />
Schuster, Kurt Conrad,<br />
Vorsitzender der SPD-<br />
Landtagsfraktion,<br />
sowie Bundeswirtschaftsminister<br />
Werner<br />
Schwarz.<br />
(Stadtarchiv SB, Nl M<br />
1142/36; Nl M 1142/26)