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Saargeschichten Ausgabe 58/59 (1/2-2020)

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saargeschichte|n 83<br />

schau durch den neuen Kanzler, so äußerte sich<br />

Oberregierungsrat Marwede gegenüber Beamten<br />

des Kanzleramtes im Mai 19<strong>59</strong>. Hintergrund<br />

waren Adenauers damalige Ambitionen auf<br />

das Amt des Bundespräsidenten, so wird Marwede<br />

wie folgt zitiert: »Inzwischen könne man<br />

nach der Wahl des neuen Bundeskanzlers auch<br />

bezüglich der gemeinsamen deutsch-französischen<br />

Schirmherrschaft klarer sehen. Nach seiner<br />

Meinung komme eine Schirmherrschaft deutscher<br />

Bundespräsident/französischer Staatspräsident<br />

nicht in Betracht. Damit würde man<br />

die Ausstellung überbewerten, vielleicht sollte<br />

der neue deutsche Bundeskanzler zusammen<br />

mit dem französischen Premierminister die<br />

gemeinsame Schirmherrschaft antreten (…)«. [27]<br />

Hier deutet sich an, dass Teile der saarländischen<br />

Administration Adenauer auf keinen Fall in Saarbrücken<br />

sehen wollten.<br />

Adenauer blieb aber Kanzler und Lübke (1894–<br />

1972) wurde Bundespräsident. Im Saarland<br />

zeichneten sich aus Adenauers Sicht positive<br />

Entwicklungen ab. Durch die Vermittlung der<br />

bayerischen CSU war die CVP bereit, in der CDU<br />

Saar aufzugehen. Am 19. April 19<strong>59</strong> setzten sich<br />

auf einem Parteitag die innerhalb der CVP vermittelnden<br />

Kräfte durch und beschlossen mehrheitlich<br />

den Beitritt zur CDU. Einer der Gegner dieses<br />

Kurses, Hubert Ney, hatte die Partei schon im<br />

Februar 19<strong>59</strong> verlassen, ebenso der sogenannte<br />

Blutrichter von Prag und gesuchte Kriegsverbrecher<br />

Erwin Albrecht. Die Spaltung des christlichen<br />

Lagers war damit überwunden. Wie würde<br />

sie sich in der Praxis bewähren? Immerhin gab es<br />

einige Verweigerer in Reihen der CVP wie etwa<br />

Erwin Müller, er gründete die SVP. Für Heinrich<br />

Schneider war die Vereinigung eine erste Niederlage,<br />

schmolzen doch seine Chancen dahin, die<br />

DPS zur stärksten politischen Kraft nicht nur in<br />

Saarbrücken zu machen. Ende des Jahres 19<strong>59</strong><br />

verbesserte sich für das Saarland das Klima im<br />

Kanzleramt. Auf den tödlich verunglückten Reinert<br />

folgte Franz-Josef Röder (1909–1979) am<br />

30. April 19<strong>59</strong> als Ministerpräsident. Möglicherweise<br />

half Bundesaußenminister Heinrich von<br />

Brentano, der am 12. Oktober 19<strong>59</strong> an Adenauer<br />

schrieb, um das Kanzleramt zur aktiven Unterstützung<br />

zu bewegen. Brentano war zuvor in<br />

Saarbrücken gewesen: »Ich kann nur sagen, dass<br />

ich sowohl von dem Ministerpräsidenten [Röder]<br />

wie auch von seinem Kabinettskollegen [Schneider<br />

gehörte dem Kabinett nicht mehr an] einen<br />

[27] BA, B 136, Nr. 8643, Vermerk vom 5. Mai 1956 über Gespräch<br />

mit Marwede am 3. Mai 19<strong>59</strong>.<br />

sehr guten Eindruck gewonnen habe«. Weiter<br />

empfahl von Brentano, wohl auf Wunsch der<br />

saarländischen Landesregierung, das Patronat<br />

des Kanzlers und des französischen Ministerpräsidenten:<br />

»Ich halte diesen Vorschlag für einen<br />

glücklichen Gedanken,. Wir sollten gerade im<br />

Saarland die deutsch-französische Zusammenarbeit<br />

propagieren. (…) Die Übergangsschwierigkeiten,<br />

die notwendigerweise eintreten mussten<br />

und auch noch nicht behoben sind, werden<br />

dann an Bedeutung verlieren«. Am 19. Oktober<br />

19<strong>59</strong> vermerkte Globke, Adenauer übernehme<br />

die Schirmherrschaft, wenn auch der französische<br />

Ministerpräsident dies tue. Nun schien die<br />

Sache in trockenen Tüchern, da kam aus Paris im<br />

Dezember 19<strong>59</strong> die Nachricht, Ministerpräsident<br />

Debré verzichte auf die Schirmherrschaft. Er<br />

begründete dies mit Terminzwängen und teilte<br />

mit, der französische Landwirtschaftsminister<br />

werde die französische Regierung vertreten.<br />

Das Bundeskanzleramt teilte dies der Landesregierung<br />

am 16. Dezember 19<strong>59</strong> mit. Röder intervenierte<br />

wohl und als er Adenauer zu dessen<br />

Geburtstag am 5. Januar 1960 persönlich gratulierte,<br />

wurde vereinbart, Adenauer und Debré<br />

übernehmen die Schirmherrschaft. Röder sollte<br />

Debré nochmals persönlich darum bitten. Debré<br />

erklärte sich nun dazu bereit. Wegen eines wohl<br />

wirklich wichtigen anderen Termins vertrat ihn<br />

der französische Landwirtschaftsminister und<br />

sein deutscher Kollege den Kanzler. Die Saarbrücker<br />

Zeitung behauptete 1980 fälschlicherweise,<br />

Lübke sei der Schirmherr gewesen. Zur<br />

Freude der Saarbrücker Verwaltung besuchte er<br />

die Deutsch-Französische Gartenschau am 8. Juli<br />

1960. [28]<br />

Auch wenn es ursprünglich gar nicht beabsichtigt<br />

war, setzte die Deutsch-Französische Gartenschau<br />

ein Zeichen für eine neue Zeit deutschfranzösischer<br />

Beziehungen. Gut zwei Jahre<br />

nach der Eröffnung der Deutsch-Französischen<br />

Gartenschau besuchte Adenauer vom 2. bis 8.<br />

Juli 1962 Frankreich. De Gaulle (1890–1970) reiste<br />

im September 1962 in die Bundesrepublik. De<br />

Gaulles Staatsbesuch war eine historische Zäsur<br />

für die Deutschen, ein mediales Ereignis, das die<br />

bundesdeutsche Öffentlichkeit tief bewegte, ein<br />

Aufbruch in eine neue Zeit. Der Präsident eines<br />

Landes, das die Deutschen 1940 überfallen und<br />

besetzt hatten, reiste durch die Bonner Republik<br />

und sprach in deutscher Sprache zu den Menschen.<br />

Der von Deutschen zu verantwortende<br />

Zweite Weltkrieg mit mindestens 50 Millionen<br />

[28] Saarbrücker Zeitung vom 15./16. Mai 1980.

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