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Saargeschichten Ausgabe 58/59 (1/2-2020)

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Pariser Parkanlage berücksichtigt die 1982 formulierte<br />

Wettbewerbsanforderung, die Geschichte<br />

des Ortes bei der Planung zu berücksichtigen.<br />

Der schweizer Architekt Bernhard Tschumi schuf<br />

den 35 ha großen Park mit knallroten Pavillons,<br />

den Folies, als Knotenpunkte auf einer orthogonal<br />

gerasterten Matrix. In Barcelona wurde<br />

1985 bis 1986 ein ehemaliges Werksgelände der<br />

spanischen Eisenbahngesellschaft in einen 2,7 ha<br />

großen innerstädtischen Quartierspark, dem Parc<br />

del Clot, umgewandelt. Die Landschaftsarchitekten<br />

Dani Feixes und Vincente Miranda nahmen<br />

Industrierelikte in die Parkgestaltung auf<br />

und interpretierten sie im neuen Umfeld um.<br />

Thema dieser landschaftsarchitektonischen<br />

Bestrebungen war die Reintegration von altindustriellen<br />

Standorten in urbane Funktionsräume<br />

in städtebaulich wertvoller Lage. Aus dem<br />

Industriestandort und der Kriegsschuttdeponie<br />

wurde ein vielseitig nutzbarer Freizeitbereich.<br />

Eine Revitalisierung im industriellen Architekturkontext<br />

erfolgte im Saarland erstmals in großem<br />

Maßstab im Zusammenhang mit der Umund<br />

Nachnutzung des baulichen Bestandes<br />

des ehemaligen Eisenwerkes in Völklingen, das<br />

1994 als erstes Industriedenkmal in die Weltkulturerbeliste<br />

der UNESCO aufgenommen und<br />

dann zum Großmuseum, Veranstaltungsort und<br />

multimedialem Wissenschaftszentrum weiterentwickelt<br />

wurde.<br />

Im 21. Jahrhundert wird das Thema Industriebrachenumgestaltung<br />

seit 2006 alljährlich im Rahmen<br />

der ibug künstlerisch vereinnahmt – ein<br />

sächsisches Festival für urbane Kunst, welches<br />

Oberflächen, Räume und Plätze der Industriebrachen<br />

künstlerisch recycelt.<br />

Im Werk des Landschaftsarchitekten Peter Latz<br />

nimmt das Saarbrücker Projekt Bürgerpark<br />

Hafeninsel sicherlich einen besonderen Stellenwert<br />

ein, da er dem Saarland über lange Jahre in<br />

Leben und Arbeit verbunden war. So wuchs er im<br />

Saarland auf und gründete nach dem Studium<br />

der Landschaftsarchitektur an der TH in München<br />

und der Weiterbildung im Städtebau an der<br />

RWTH Aachen 1968 mit seiner Frau Anneliese<br />

ein Landschaftsarchitekturbüro in Aachen und<br />

zusammen mit Herbert Kruske in Saarbrücken.<br />

Zusammen mit dem Dillinger Architekten Conny<br />

Schmitz führte er bis 1976 ein Büro für interdisziplinäre<br />

Stadtplanung in Saarlouis. 1974 wurde<br />

Kassel Lebens- und Arbeitsmittelpunkt. Ab 1983<br />

an der TU München-Weihenstephan als Lehrstuhlinhaber<br />

für Landschaftsarchitektur und<br />

Planung beschäftigt, zog das Büro 1991 nach<br />

Ampertshausen bei Kranzberg/Bayern. Peter Latz<br />

wurde vielfach international ausgezeichnet. 1989<br />

erhielt er für den Bürgerpark Hafeninsel den<br />

Landschaftsarchitekturpreis des Bundes Deutscher<br />

Landschaftsarchitekten (BDLA) und 2000<br />

für die Planung des Emscher Parks in Duisburg-<br />

Nord den Ersten Europäischen Preis für Landschaftsarchitektur<br />

in Barcelona. 2001 folgte die<br />

Grande Médaille d’Urbanisme der Académie<br />

royale d’architecture in Paris und 2016 verlieh<br />

ihm die International Federation of Landscape<br />

Architects in Turin den Sir Geoffrey Jellicoe Award.<br />

Die Belassung und Einbeziehung historischer<br />

Grundstrukturen folgt dem Motto function follows<br />

form, das vom Büro Latz und Partner erstmals<br />

bei der Parkgestaltung der Saarbrücker<br />

Hafeninsel realisiert wurde. Im Werkzusammenhang<br />

erscheint der Bürgerpark als Pionierprojekt.<br />

In kleinem Maßstab wurden prototypisch Fragestellungen<br />

und Analysemethoden bezüglich der<br />

historischen, vegetabilen und städtebaulichen<br />

Matrix angewandt. Die umfassende Nutzungssuche<br />

für vorstrukturierte Areale wurde später<br />

im Großformat im Emscher Park in Duisburg-<br />

Nord ausdifferenzierter umgesetzt. Die Industrieanlagen<br />

sind keine Zitate einer abgeschlossenen<br />

Epoche wie in Seattle, sondern bleiben im Kontext<br />

verbundene interagierende Elemente<br />

analog zu Biotopen oder Gelände- und Infrastrukturen<br />

des ehemaligen Industriestandorts.<br />

Die Parkkonzeption ermöglicht und fördert die<br />

Spontanbildung von Biotopen (Teich mit neuer<br />

Flora und Fauna, Ökokiste auf dem Schutthügel).<br />

Die Weiterentwicklung natürlicher Prozesse und<br />

die damit einhergehende langsame Veränderung<br />

der Parkanlage waren im Konzept vorgesehen.<br />

Für Peter Latz war die Realität offen und<br />

interpretierbar. Eine neue Gestalt konnte<br />

durch Anreicherung mit funktionalen und<br />

gestalterischen Elementen ohne Negation oder<br />

Zerstörung des Historischen entstehen. Wichtig<br />

sei ein Park mit offenem Ende, das heißt einer<br />

Entwicklungsfähigkeit innerhalb der Grundstruktur,<br />

da auch künftig Ansprüche und Konflikte<br />

den Park neu definieren werden.<br />

Den größten Eingriff in die Parksubstanz<br />

bedeutete der Verlust einer Teilfläche im Nordosten<br />

zugunsten des langestreckten mehrteiligen<br />

Parkhauses in den 1990er Jahren. Anlässlich<br />

des Neubaus der Landeszentralbank im<br />

Winkel zwischen Westspange und Hafenstraße<br />

1990 konnte Peter Latz das südlich anschließende<br />

Gelände mit einem Kiefernhain neu gestalten.<br />

Analog dazu wurden auch die drei Kiefern im<br />

Zugangsbereich auf der Nordwestseite der<br />

Congresshalle gepflanzt. Zwischenzeitlich erfolg-

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