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Saargeschichten Ausgabe 58/59 (1/2-2020)

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saargeschichte|n 51<br />

zu dir«. Es erfüllt im besten Sinne ein wesentliches<br />

Merkmal politischer Plakate, wie es in der<br />

Schweiz von Plakatkennern vor vielen Jahren<br />

formuliert wurde: »Es wird an unterschwellige<br />

Regungen appelliert, und es werden Emotionen,<br />

manchmal Aggressionen ausgelöst.« [15]<br />

Die »Nationale Front« zielte mit ihrem Plakat<br />

auf die »Ausschaltung des kalt rechnenden Verstandes«<br />

und die »Eroberung des Herzens«. [16] Für<br />

Schweitzer, der unter dem Pseudonym Mjölnir<br />

gestaltete, ist die Rückkehr des Saarlandes zum<br />

Dritten Reich etwas sehr persönliches. Es ist, als<br />

komme der Sohn heim und falle in die Arme der<br />

Mutter. Mjölnir, einer der bekanntesten nationalsozialistischen<br />

Plakatkünstler, proklamierte<br />

unmissverständlich: Deutscher Sohn, komm<br />

heim ins Reich! Der Sohn hat auf dem Plakat die<br />

französische Fabrikkulisse hinter sich gelassen<br />

und überquert die saarländisch-französsiche<br />

Grenze. Erschöpft fällt er in seiner deutschen Heimat<br />

seiner Mutter vor dem Trier Dom in die Arme.<br />

In einer Zeit voller Ungewissheit greift Mjölnir<br />

die latenten Bedürfnisse der saarländischen<br />

Bevölkerung nach Geborgenheit und Sicherheit<br />

auf. Das großdeutsche Reich als hilfsbereite Mutter<br />

versprach in Zeiten der großen Wirtschaftskrise<br />

den Menschen an der Saar vermeintlich<br />

Arbeit und Brot. Die enge Koppelung der Begriffe<br />

Mutter und Heimat bot, wie die beiden Publizis-<br />

[15] Willy Rotzler; Fritz Schärer; Karl Wobmann, Das Plakat<br />

In der Schweiz, Zürich 1991, S. 11.<br />

[16] Paul; Schock, 1987, S. 61.<br />

tinnen Maruta Schmidt und Gabi Dietz<br />

aufzeigen, den Nationalsozialisten<br />

eine entsprechende Projektionsfläche,<br />

um die Begeisterung und Bindung<br />

der Volksgemeinschaft an die eigene<br />

Nation und deren vermeintliche<br />

Größe anzufachen. [17] Die gesellschaftliche<br />

Überhöhung des Mutterbildes<br />

und vor allem der Bildtypus der liebevoll<br />

und schützenden Mutter, die<br />

sich dem Kind zuneigt und es schützend<br />

umfaßt, ist in der politischen<br />

Ikonographie wohlbekannt. In der<br />

Schweiz ging die »Matrona Helvetia«<br />

als mütterliche Personifikation in der<br />

Ikonographie des 19. Jahrhunderts ein.<br />

Im Konflikt mit Preußen um den Kanton<br />

Neuenburg 1856 und zur Zeit der<br />

ersten Gesamtrevision der Verfassung<br />

1874 trat die Helvetia als gerüstete<br />

Mutter wehrhafter Söhne mit Speer,<br />

Schild und Panzer auf. [18] Dieses Bild<br />

der angriffslustigen Helvetia hat sich während<br />

des Ersten Weltkriegs gewandelt. Von nun an<br />

hat sich die Helvetia Schild und Speer abgelegt.<br />

Ganz im Sinne des Zeitgeists zeigt eine Postkarte<br />

des Roten Kreuz zur Bundesfeier 1917 sie in<br />

ihrer mütterlichen Rolle. Nach einem Gemälde<br />

von Eugène Burnand gibt sie sich als einfache<br />

Bürgersfrau, gekleidet in einen groben Mantel,<br />

und hilft den Schwachen und Verfolgten. Barmherzig<br />

nimmt sie ihre Landeskinder unter den<br />

Mantel. Die häufige Darstellung der Helvetia als<br />

Mutter für bedrängte Kinder, Alte und Flüchtende<br />

in der Not ist ein typisches Schlagbild der Schweizer<br />

Ikonographie. Jedoch tritt sie immer jung<br />

und aufrecht auf. Mjölnirs Darstellung der älteren<br />

Frau in gebückter Haltung und grauem Haar<br />

zeugt von den Qualen, die der verlorene Weltkrieg<br />

und der Versailler Vertrag über sie – also über<br />

Deutschland – gebracht haben. Macht weit auf<br />

die Tore Ein besonderes Plakat ist Sepp Semars<br />

»Zu Deutschland«. Am oberen Rand prangt ein<br />

lichtdurchflutetes Hakenkreuz. Es ist eines der<br />

wenigen Plakate, das mit nationalsozialistischer<br />

Symbolik wirbt. Ansonsten verzichtete die »Deutsche<br />

Front« darauf, derart offen ihre politische<br />

Heimat zur Schau zu stellen. Die Plakate sollten<br />

den Eindruck erwecken, es handle sich bei der<br />

[17] Maruta Schmidt; Gabi Dietz, Frauen unterm Hakenkreuz.<br />

Eine Dokumentation, München 1985, S. 56–67.<br />

[18] Ted Stoll, Helvetia und ihre Schwestern: Trouvailles aus<br />

der Rumpelkammer der Geschichte: ein inoffizieller<br />

Beitrag zum Jubeljahr 1991, Bern 1990, S. 76.<br />

Sepp Semar, Zu<br />

Deutschland, Auftraggeber:<br />

Deutsche<br />

Front 1934, Zweifarbendruck,<br />

82 x 117<br />

cm. (Bundesarchiv<br />

Koblenz, Plak 003-<br />

004-020)

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