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saargeschichte|n 51<br />
zu dir«. Es erfüllt im besten Sinne ein wesentliches<br />
Merkmal politischer Plakate, wie es in der<br />
Schweiz von Plakatkennern vor vielen Jahren<br />
formuliert wurde: »Es wird an unterschwellige<br />
Regungen appelliert, und es werden Emotionen,<br />
manchmal Aggressionen ausgelöst.« [15]<br />
Die »Nationale Front« zielte mit ihrem Plakat<br />
auf die »Ausschaltung des kalt rechnenden Verstandes«<br />
und die »Eroberung des Herzens«. [16] Für<br />
Schweitzer, der unter dem Pseudonym Mjölnir<br />
gestaltete, ist die Rückkehr des Saarlandes zum<br />
Dritten Reich etwas sehr persönliches. Es ist, als<br />
komme der Sohn heim und falle in die Arme der<br />
Mutter. Mjölnir, einer der bekanntesten nationalsozialistischen<br />
Plakatkünstler, proklamierte<br />
unmissverständlich: Deutscher Sohn, komm<br />
heim ins Reich! Der Sohn hat auf dem Plakat die<br />
französische Fabrikkulisse hinter sich gelassen<br />
und überquert die saarländisch-französsiche<br />
Grenze. Erschöpft fällt er in seiner deutschen Heimat<br />
seiner Mutter vor dem Trier Dom in die Arme.<br />
In einer Zeit voller Ungewissheit greift Mjölnir<br />
die latenten Bedürfnisse der saarländischen<br />
Bevölkerung nach Geborgenheit und Sicherheit<br />
auf. Das großdeutsche Reich als hilfsbereite Mutter<br />
versprach in Zeiten der großen Wirtschaftskrise<br />
den Menschen an der Saar vermeintlich<br />
Arbeit und Brot. Die enge Koppelung der Begriffe<br />
Mutter und Heimat bot, wie die beiden Publizis-<br />
[15] Willy Rotzler; Fritz Schärer; Karl Wobmann, Das Plakat<br />
In der Schweiz, Zürich 1991, S. 11.<br />
[16] Paul; Schock, 1987, S. 61.<br />
tinnen Maruta Schmidt und Gabi Dietz<br />
aufzeigen, den Nationalsozialisten<br />
eine entsprechende Projektionsfläche,<br />
um die Begeisterung und Bindung<br />
der Volksgemeinschaft an die eigene<br />
Nation und deren vermeintliche<br />
Größe anzufachen. [17] Die gesellschaftliche<br />
Überhöhung des Mutterbildes<br />
und vor allem der Bildtypus der liebevoll<br />
und schützenden Mutter, die<br />
sich dem Kind zuneigt und es schützend<br />
umfaßt, ist in der politischen<br />
Ikonographie wohlbekannt. In der<br />
Schweiz ging die »Matrona Helvetia«<br />
als mütterliche Personifikation in der<br />
Ikonographie des 19. Jahrhunderts ein.<br />
Im Konflikt mit Preußen um den Kanton<br />
Neuenburg 1856 und zur Zeit der<br />
ersten Gesamtrevision der Verfassung<br />
1874 trat die Helvetia als gerüstete<br />
Mutter wehrhafter Söhne mit Speer,<br />
Schild und Panzer auf. [18] Dieses Bild<br />
der angriffslustigen Helvetia hat sich während<br />
des Ersten Weltkriegs gewandelt. Von nun an<br />
hat sich die Helvetia Schild und Speer abgelegt.<br />
Ganz im Sinne des Zeitgeists zeigt eine Postkarte<br />
des Roten Kreuz zur Bundesfeier 1917 sie in<br />
ihrer mütterlichen Rolle. Nach einem Gemälde<br />
von Eugène Burnand gibt sie sich als einfache<br />
Bürgersfrau, gekleidet in einen groben Mantel,<br />
und hilft den Schwachen und Verfolgten. Barmherzig<br />
nimmt sie ihre Landeskinder unter den<br />
Mantel. Die häufige Darstellung der Helvetia als<br />
Mutter für bedrängte Kinder, Alte und Flüchtende<br />
in der Not ist ein typisches Schlagbild der Schweizer<br />
Ikonographie. Jedoch tritt sie immer jung<br />
und aufrecht auf. Mjölnirs Darstellung der älteren<br />
Frau in gebückter Haltung und grauem Haar<br />
zeugt von den Qualen, die der verlorene Weltkrieg<br />
und der Versailler Vertrag über sie – also über<br />
Deutschland – gebracht haben. Macht weit auf<br />
die Tore Ein besonderes Plakat ist Sepp Semars<br />
»Zu Deutschland«. Am oberen Rand prangt ein<br />
lichtdurchflutetes Hakenkreuz. Es ist eines der<br />
wenigen Plakate, das mit nationalsozialistischer<br />
Symbolik wirbt. Ansonsten verzichtete die »Deutsche<br />
Front« darauf, derart offen ihre politische<br />
Heimat zur Schau zu stellen. Die Plakate sollten<br />
den Eindruck erwecken, es handle sich bei der<br />
[17] Maruta Schmidt; Gabi Dietz, Frauen unterm Hakenkreuz.<br />
Eine Dokumentation, München 1985, S. 56–67.<br />
[18] Ted Stoll, Helvetia und ihre Schwestern: Trouvailles aus<br />
der Rumpelkammer der Geschichte: ein inoffizieller<br />
Beitrag zum Jubeljahr 1991, Bern 1990, S. 76.<br />
Sepp Semar, Zu<br />
Deutschland, Auftraggeber:<br />
Deutsche<br />
Front 1934, Zweifarbendruck,<br />
82 x 117<br />
cm. (Bundesarchiv<br />
Koblenz, Plak 003-<br />
004-020)