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Rolf Gfeller, Wählt<br />
freisinnig, Für eine<br />
starke freie Demokratie,<br />
Auftraggeber:<br />
Freisinnig-<br />
Demokratische<br />
Partei der Schweiz,<br />
1951, Farblithographie<br />
127,5 x<br />
90,5cm. (Plakatsammlung<br />
Bern,<br />
SNL_POL_<strong>58</strong>6)<br />
Abstimmung um eine nationale Entscheidung<br />
unabhängig politischer Rahmenbedingungen. [19]<br />
Der Zweibrücker Gebrauchsgrafiker Semar stellte<br />
sein künstlerisches Talent regelmäßig in den<br />
Dienst des Nationalsozialismus. Sein Aushang<br />
»Zu Deutschland« strahlt eine enorme Entschlossenheit<br />
und Siegeszuversicht aus. Ein muskulöser,<br />
ganz in schwarz gekleideter Arbeiter in<br />
Rückansicht stößt mit einem mächtigen Kraftakt<br />
ein schweres Tor auf. Es ist das Tor zum Dritten<br />
Reich. Endlich tritt der junge Mann aus der französischen<br />
Unterdrückung heraus und in das wärmende<br />
Licht des Hakenkreuzes. Für Semar stand<br />
ohne Zweifel fest, wo die Zukunft des Saarlandes<br />
liegen sollte.<br />
In seiner ästhetischen Gestaltung erinnert das<br />
Plakat unweigerlich an ein Plakat des Berner<br />
Künstler Rolf Gfeller. Für die Freisinnig-Demokratische<br />
Partei der Schweiz gestaltete er in den<br />
Fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ein<br />
[19] Franz Maier; Sylvain Chimello; Charles Hiegel, Krieg auf<br />
Plakaten – La Guerre par l‘Affiche, Koblenz 2000, S. 77.<br />
nahezu identisches Plakat. Zumindest<br />
aus formalen Gesichtspunkten. Ebenfalls<br />
in Rückansicht stößt ein hermsärmeliger<br />
junger Mann, nicht ganz<br />
so muskulös, in zeitgenössischer Kleidung<br />
kraftvoll zwei Türflügel auf und<br />
eröffnet sich und dem Betrachter den<br />
Weg in die Zukunft. Anders als bei<br />
Semar liegt die Zukunft aber nicht im<br />
nationalsozialistischen Terrorregime,<br />
sondern in einer starken und freien<br />
Demokratie. Es ist wohl gewiss, dass<br />
Gfeller nicht Semars Plakat zum Vorbild<br />
nahm. Vielmehr erinnern die beiden<br />
Plakate in ihren Kompositionen und<br />
der malerischen Stile an ein bekanntes<br />
Schweizer Gemälde. Wären statt<br />
der Türflügel schroffe Felsen und Wolken,<br />
würde man unweigerlich an den<br />
Hodlerschen Tell denken. Der Schweizer<br />
Nationalmaler Ferdinand Hodler<br />
erschuf um 1896 den überlebensgroßen<br />
»Wilhelm Tell«. Der Schweizer<br />
Freiheitskämpfer steht frontal auf<br />
einer Anhöhe, fixiert den Betrachter<br />
mit grimmigem Ausdruck, in der linken<br />
Hand trägt er die Armbrust als<br />
Zeichen der Kampfbereitschaft. Links<br />
und rechts sind die bekannten Wolken,<br />
aus denen er hervortritt. Durch<br />
die Kehrtwende der Figur verändern<br />
beide Künstler die Aussage. Sie sprechen<br />
den Betrachter nicht mehr direkt an, sondern<br />
zeigen ihm den künftigen Weg. Der könnte<br />
unterschiedlicher nicht sein. Bei Semar endet<br />
der Weg im Nationalsozialismus endet, Gfeller<br />
macht sich für eine freie Demokratie stark. Am<br />
18. Januar beschloss der Völkerbund die Wiedervereinigung<br />
des Saargebiets mit dem Deutschen<br />
Reich zum 1. März 1945. An jenem Tag fanden an<br />
der Saar große Feierlichkeiten statt und Adolf<br />
Hitler nahm vor dem Saarbrücker Rathaus den<br />
Vorbeimarsch der »Deutschen-Front«-Formation<br />
ab. »Getreu bis in den Tod« hatten sich die Saarländer<br />
dem nationalsozialistischen Deutschland<br />
verschworen und leisteten diesen Schwur noch<br />
einmal auf einem Plakat vom 1. März. Wie wir<br />
wissen, kam der Tod bereits wenige Jahre später.<br />
Was aber bis heute blieb sind die Bildmotive – die<br />
Schlagbilder – die ihre Kraft aus den Varianten<br />
langer Überlieferungen gewinnen und die an der<br />
Saar, weit weg der eidgenössischen Heimat, offen<br />
für unterschiedliche, mitunter divergierende<br />
Interpretationen sind.