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Saargeschichten Ausgabe 58/59 (1/2-2020)

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Rolf Gfeller, Wählt<br />

freisinnig, Für eine<br />

starke freie Demokratie,<br />

Auftraggeber:<br />

Freisinnig-<br />

Demokratische<br />

Partei der Schweiz,<br />

1951, Farblithographie<br />

127,5 x<br />

90,5cm. (Plakatsammlung<br />

Bern,<br />

SNL_POL_<strong>58</strong>6)<br />

Abstimmung um eine nationale Entscheidung<br />

unabhängig politischer Rahmenbedingungen. [19]<br />

Der Zweibrücker Gebrauchsgrafiker Semar stellte<br />

sein künstlerisches Talent regelmäßig in den<br />

Dienst des Nationalsozialismus. Sein Aushang<br />

»Zu Deutschland« strahlt eine enorme Entschlossenheit<br />

und Siegeszuversicht aus. Ein muskulöser,<br />

ganz in schwarz gekleideter Arbeiter in<br />

Rückansicht stößt mit einem mächtigen Kraftakt<br />

ein schweres Tor auf. Es ist das Tor zum Dritten<br />

Reich. Endlich tritt der junge Mann aus der französischen<br />

Unterdrückung heraus und in das wärmende<br />

Licht des Hakenkreuzes. Für Semar stand<br />

ohne Zweifel fest, wo die Zukunft des Saarlandes<br />

liegen sollte.<br />

In seiner ästhetischen Gestaltung erinnert das<br />

Plakat unweigerlich an ein Plakat des Berner<br />

Künstler Rolf Gfeller. Für die Freisinnig-Demokratische<br />

Partei der Schweiz gestaltete er in den<br />

Fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ein<br />

[19] Franz Maier; Sylvain Chimello; Charles Hiegel, Krieg auf<br />

Plakaten – La Guerre par l‘Affiche, Koblenz 2000, S. 77.<br />

nahezu identisches Plakat. Zumindest<br />

aus formalen Gesichtspunkten. Ebenfalls<br />

in Rückansicht stößt ein hermsärmeliger<br />

junger Mann, nicht ganz<br />

so muskulös, in zeitgenössischer Kleidung<br />

kraftvoll zwei Türflügel auf und<br />

eröffnet sich und dem Betrachter den<br />

Weg in die Zukunft. Anders als bei<br />

Semar liegt die Zukunft aber nicht im<br />

nationalsozialistischen Terrorregime,<br />

sondern in einer starken und freien<br />

Demokratie. Es ist wohl gewiss, dass<br />

Gfeller nicht Semars Plakat zum Vorbild<br />

nahm. Vielmehr erinnern die beiden<br />

Plakate in ihren Kompositionen und<br />

der malerischen Stile an ein bekanntes<br />

Schweizer Gemälde. Wären statt<br />

der Türflügel schroffe Felsen und Wolken,<br />

würde man unweigerlich an den<br />

Hodlerschen Tell denken. Der Schweizer<br />

Nationalmaler Ferdinand Hodler<br />

erschuf um 1896 den überlebensgroßen<br />

»Wilhelm Tell«. Der Schweizer<br />

Freiheitskämpfer steht frontal auf<br />

einer Anhöhe, fixiert den Betrachter<br />

mit grimmigem Ausdruck, in der linken<br />

Hand trägt er die Armbrust als<br />

Zeichen der Kampfbereitschaft. Links<br />

und rechts sind die bekannten Wolken,<br />

aus denen er hervortritt. Durch<br />

die Kehrtwende der Figur verändern<br />

beide Künstler die Aussage. Sie sprechen<br />

den Betrachter nicht mehr direkt an, sondern<br />

zeigen ihm den künftigen Weg. Der könnte<br />

unterschiedlicher nicht sein. Bei Semar endet<br />

der Weg im Nationalsozialismus endet, Gfeller<br />

macht sich für eine freie Demokratie stark. Am<br />

18. Januar beschloss der Völkerbund die Wiedervereinigung<br />

des Saargebiets mit dem Deutschen<br />

Reich zum 1. März 1945. An jenem Tag fanden an<br />

der Saar große Feierlichkeiten statt und Adolf<br />

Hitler nahm vor dem Saarbrücker Rathaus den<br />

Vorbeimarsch der »Deutschen-Front«-Formation<br />

ab. »Getreu bis in den Tod« hatten sich die Saarländer<br />

dem nationalsozialistischen Deutschland<br />

verschworen und leisteten diesen Schwur noch<br />

einmal auf einem Plakat vom 1. März. Wie wir<br />

wissen, kam der Tod bereits wenige Jahre später.<br />

Was aber bis heute blieb sind die Bildmotive – die<br />

Schlagbilder – die ihre Kraft aus den Varianten<br />

langer Überlieferungen gewinnen und die an der<br />

Saar, weit weg der eidgenössischen Heimat, offen<br />

für unterschiedliche, mitunter divergierende<br />

Interpretationen sind.

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