14.02.2021 Aufrufe

Saargeschichten Ausgabe 58/59 (1/2-2020)

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

saargeschichte|n 69<br />

Wir brauchen nur die Taschentücher und Strümpfe<br />

zu waschen und die Halsbinden.« [16] Nur selten<br />

und knapp kommen klare Worte: »Es gefällt mir<br />

immer noch gut, wenn es auch manchmal scheisse<br />

ist« [17] , dann geht es positiv weiter: »Auf unserer<br />

Stube liegen alles Pfälzer oder Mannheimer,<br />

und wir haben eine Bombenkameradschaft.<br />

Einen Volksempfänger haben wir uns auch schon<br />

zugelegt.« [18]<br />

Also »bestens versorgt« hatten die Rekruten auch<br />

viele Vergnügungen, schenkt man den Briefen<br />

von Ernst Schmeyer Glauben. »Wir bekommen<br />

[…] am Freitag Geld und unser Soldbuch und<br />

dann können wir allein ausgehen. Hier in Wiesbaden<br />

ist ein schönes Treiben in den Lokalen und<br />

ganz tolle Mädels, und als Soldat hat mans ziemlich<br />

leicht, um mit Mädels weg zu gehen.« [19]<br />

Und weil die Mutter kritisch nachfragte, schrieb<br />

Ernst: »Du machst Dir bestimmt zu schlimme<br />

Vorstellungen, was wir alles aushalten müssen.<br />

Ich glaube, daran ist nichts anderes schuld als die<br />

Wochenschau und die Bilder in der Zeitung. Das<br />

ist doch klar, das[s] die nicht Bilder bringen können,<br />

wo wir in Ruhe liegen oder sonst was treiben.<br />

Das würde die, welche zu Hause sind, doch gar<br />

nicht interessieren und würde bestimmt langweilig<br />

werden.« [20]<br />

Der jüngere Bruder Otto scheint von seinem großen<br />

Bruder gelernt zu haben, denn im Dezember<br />

1944 schreibt er über die Westfront: »Wir sind<br />

immer noch da, wo wir von Landau aus hin sind,<br />

und das weißt Du ja. Wir sollten ja zuerst nach 4<br />

Wochen wieder von hier weg, aber nun hat sich<br />

die Lage so geändert, daß wir hier bleiben müssen.<br />

Du brauchst nun aber nicht zu erschrecken, und<br />

Dir unnötige Sorge zu machen. Das ist alles halb<br />

so wild. Der Westwall ist hier ziemlich stark, und<br />

der Amerikaner wird sich bei uns schon die Zähne<br />

ausbeißen. So einen kleinen Vorgeschmack hatte<br />

er schon heute Mittag bekommen. Er war nähmlich<br />

(!) mit ein paar Panzern etwas vor gekommen,<br />

und das hat ihn unsere Ari [21] im Nu wieder vertrieben.<br />

Die ersten Kugeln sind auch schon über<br />

uns weg, und das ganze ist halb so wild, wenn<br />

man die Nase rechtzeitig in den Dreck steckt. |<br />

Und Dreck ist hier im wahrsten Sinne genug.<br />

[16] Ebd.<br />

[17] Ebd.<br />

[18] Ebd.<br />

[19] Ebd.<br />

[20] PA Schmeyer Homburg. NL Cäcila Schmeyer Best. 3,10.<br />

Brief von Ernst Schmeyer an seine Mutter und seine<br />

Brüder vom 4. Dezember 1941.<br />

[21] Ari = Angehöriger der Artillerie.<br />

Du brauchst Dir also um mich keine Sorgen zu<br />

machen, ich passe schon von selbst auf.« [22]<br />

Am 7. Januar 1945 sollte Otto Schmeyer mit 19<br />

Jahren in Stundviller/Elsass fallen. Noch vier<br />

Tage zuvor schrieb er der Mutter: »Wir liegen hier<br />

immer noch in Ruhe, und führen ein ganz tadelloses<br />

Leben. Den ganzen Tag machen wir nichts<br />

anderes als schlafen und Essen. Das Essen ist ganz<br />

prima, und zu rauchen haben wir auch genug. Du<br />

brauchst Dir also um mich überhaupt keine Sorgen<br />

zu machen. Nun will ich schließen, denn ich<br />

muß mich noch rasieren. Ich hab einen Bart wie<br />

ein U-Boot-Fahrer. Denn an Weihnachten hab ich<br />

mich das letzte mal rasiert.« [23]<br />

»Wieder im Luftschutzkeller« –<br />

Luftkrieg und Mittagsschlaf<br />

Die Luftangriffe nahmen zu. Ernst Schmeyer<br />

betonte gegenüber der Mutter das Positive.<br />

»Wenn wir Alarm haben, dann haben wir von<br />

2-3 Mittags Schlafstunde.« [24] Und später genauer:<br />

»Wegen dem Fliegeralarm brauchst Du Dir<br />

keine Angst zu machen. Wir sind nämlich Mittags<br />

immer froh, wenn wir eine Stunde länger schlafen<br />

können. Und der Fliegeralarm dauert auch<br />

höchstens nur eine Stunde, und Bomben sind<br />

noch keine […] abgeworfen worden.« [25] Zu Weihnachten<br />

äußerte sich Ernst Schmeyer, inzwischen<br />

Funker, gegenüber dem kleinen Bruder Josef ganz<br />

ehrlich: »Ich habe Deine Karte in mein Spind aufgehängt<br />

und sieht schön aus. Es ist jetzt 9 Uhr<br />

[22] PA Schmeyer Homburg. NL Cäcila Schmeyer Best.4,9.<br />

Brief von Otto Schmeyer an seine Mutter und Bruder<br />

Josef vom 16. Dezember 1944.<br />

[23] Ebd. Best.4,11. Feldpostbrief von Otto Schmeyer an seine<br />

Mutter und Bruder Josef vom 3. Januar 1945.<br />

[24] Ebd. Best. 3,5. Brief von Ernst Schmeyer an die Mutter<br />

vom 12. Oktober 1940.<br />

[25] Ebd. Best.3,6. Brief von Ernst Schmeyer an die Mutter<br />

vom 30. Oktober 1940.<br />

Baden in einem russischen<br />

See.<br />

Album mit Bildern<br />

von Otto und Ernst<br />

Schmeyer im Zweiten<br />

Weltkrieg. (PA<br />

Schmeyer Homburg.<br />

NL Cäcila Schmeyer<br />

Best. 9,1 Nr. 7)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!