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Saargeschichten Ausgabe 58/59 (1/2-2020)

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saargeschichte|n 49<br />

Schwurs hat das Saarland aber nicht exklusiv. In<br />

der politischen Agitation der Schweiz erlebte der<br />

Rütlischwur vor allem während der Geistigen<br />

Landesverteidigung einen Höhepunkt. Die Geistigen<br />

Landesverteidigung war eine politisch-kulturelle<br />

Bewegung von den 1930er bis in die 60er<br />

Jahre, die »schweizerische« Werte stärken und<br />

das Land gegen die Bedrohung von Nationalsozialismus,<br />

Faschismus und später Kommunismus<br />

schützen sollte. Freilich war die Bewegung<br />

nicht vor faschistischen Tendenzen sicher. Beinahe<br />

zeitgleich warb die »Nationale Front« im<br />

Kanton Bern zu den Grossrats- und Regierungsratswahlen<br />

mit der Schwurhand. Beide<br />

Bewegungen waren in ihrer politischen Haltung<br />

identisch. Auch die »Nationale Front« lehnte sich<br />

an die NSDAP an und machte aus ihrer Liebe<br />

zum Nationalsozialismus keinen Hehl. [9] Statt<br />

schwarz-weiß-rot sollte auf dem Plakat eine rote<br />

Schwurhand samt weißem Kreuz die patriotischem<br />

Gefühle ansprechen. In beiden Plakatbeispielen<br />

ging der freiheitsstrebende Schwur und<br />

der Nationalsozialismus eine unheilvolle Symbiose<br />

ein.<br />

Die Gegner der Rückgliederung des Saarlandes<br />

traten für den Staus Quo ein. Sie mussten im<br />

Abstimmungskampf gegen eine Welle des<br />

[9] Jakob Tanner, Geschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert,<br />

München 2015, S. 234.<br />

Nationalgefühls ankämpfen. Da die<br />

Befürworter einer Rückkehr zum Großdeutschen<br />

Reich die nationale Unzuverlässigkeit<br />

der Linken betonten,<br />

mussten die Anhänger des Status Quo<br />

ihre Liebe für die Heimat und ihr nationales<br />

Bekenntnis unter Beweis stellen.<br />

»Nur Status Quo schützt unsere<br />

Heimat« verkündet das bekannteste<br />

Plakat der Einheitsfront aus Sozialisten,<br />

Antifaschisten und Kommunisten.<br />

Wie auch ihre politische Kontrahenten<br />

vertrauten sie der Wirkmacht der<br />

Schwurhand. Mit ihr in tiefer Nacht<br />

über einem stilisierten Saargebiet<br />

voller Kirchtürme und Fördergerüste<br />

wollten sie die Propaganda der Gegner<br />

vereinnahmen und das Nationalgefühl<br />

von links instrumentalisieren.<br />

In der Schweizer Plakatgeschichte ist<br />

es keine Seltenheit, dass dasselbe Plakatsujet<br />

während einer Abstimmung<br />

von rechts, wie auch von links vereinnahmt<br />

wird. [10] Der Rütlischwur<br />

hat viele Zungen. Er ist länderübergreifend<br />

offen für unterschiedliche, mitunter<br />

divergierende Interpretationen. Auch an der<br />

Saar.Auch auf ihrem Plakat »Volksfront für Status<br />

Quo« stellte die Einheitsfront den schweizerischen<br />

Gründungsmythos in ihre Sache. Die<br />

drei Eidgenossen wurden ab dem 18. Jahrhundert<br />

zu einem beliebten Motiv im eidgenössischen<br />

Kunstschaffen. Eine der prominentesten Visualisierungen<br />

der freiheitsgewillten Eidgenossen<br />

ist sicherlich Johann Heinrich Füsslis Gemälde<br />

»Die drei Eidgenossen beim Schwur auf dem<br />

Rütli« von 1781. Anfang des 20. Jahrhunderts vollzog<br />

sich die schrittweise Ablösung vom konkreten<br />

Ort und die Ausdrucksfähigkeit der Gruppe<br />

wurde für einen allgemeinen politischen Kontext<br />

vereinnahmt. [11] Auf dem Plakat des Status-Quo-<br />

Bündnisses haben die drei Schwörenden ihre historische<br />

Kleidung zugunsten des »Dresscodes«<br />

der vorkriegszeitlichen Drei-Klassen-Gesellschaft<br />

eingetauscht. Sie verkörpern die Vereinigung des<br />

Bürgertums, der Arbeiter- und der Bauernschaft.<br />

In ähnlicher Tonlage hat Friedrich Schiller in sei-<br />

[10] Siehe hierzu etwa: Bruno Margadant, Das Schweizer Plakat:<br />

1900–1983, Basel 1983 oder auch Bruno Margadant,<br />

»Für das Volk – gegen das Kapital«: Plakate der schweizerischen<br />

Arbeiterbewegung von 1919 bis 1973: 99 Plakate,<br />

Zürich 1973.<br />

[11] Florian Bührer, Die Ikonographie Schweizer Abstimmungsplakate,<br />

Berlin 2015, S. 49.<br />

Anonym, Volksfront<br />

für Status<br />

Quo, Auftraggeber:<br />

Status-quo-Bündnis,<br />

1934, Schwarzer<br />

Druck auf weißem<br />

Grund, 91 x 61 cm.<br />

(Hoover Institution<br />

Library & Archives,<br />

Stanford University,<br />

XX343.8994)

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