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Dieses Entree<br />
im Gebäude des<br />
heutigen Saarbrücker<br />
Landgerichtes<br />
passierten<br />
Minister, Beamte<br />
und Mitarbeiter<br />
der Regierungskommission<br />
auf<br />
dem Weg zu ihren<br />
Amtsstuben. (LA SB,<br />
Bildersammlung)<br />
ten besetzt von Alfred von Boch. Einem alten<br />
Bekannten aus Saarlouis also, der bis zum Jahresbeginn<br />
noch als Landrat des Kreises amtiert<br />
hatte und dort, wenn die Nachrichten von seiner<br />
Verabschiedung zutreffen, durchaus beliebt<br />
war. Es war wohl alles andere als ein Zufall, dass<br />
die ersten drei saarländischen Minister in der<br />
Reko aus Saarlouis stammten. Zwar wurden die<br />
Kommissare offiziell vom Völkerbundrat ernannt.<br />
Aber gerade in den frühen Zwanzigern war man<br />
dort offenkundig bereit, den französischen Wünschen<br />
nach Hegemonie in diesem Gremium zu<br />
entsprechen. Ein Kandidat aus der französischsten<br />
Stadt des Saarlandes passt jedenfalls sehr<br />
gut in diese Konstellation, die mit dem mächtigen<br />
Präsidenten Rault, dem seit Jahrzehnten in<br />
Paris lebenden Dänen Moltke-Huitfeld und dem<br />
Belgier Jaques Lambert ohnehin mehr als frankophil<br />
eingefärbt war. [27]<br />
Aber schon bei dem Wohlfahrts- und Landwirtschaftsminister<br />
von Boch wurde, wie bei seinen<br />
Nachfolgern dann auch, deutlich, dass die<br />
saarländischen Vertreter in der Reko keineswegs<br />
willfährige Mitspieler in einer von französischen<br />
Interessen gelenkten Saarpolitik sein<br />
wollten. Zum frühen Bruch der ersten Kommission<br />
kam es anlässlich der Beschlüsse über das<br />
saarländische Beamtenstatut, die erste große<br />
Bewährungsprobe der Reko seit ihrem Amtsantritt<br />
im Februar. Es ging bei dem Streit zwi-<br />
[27] Zur französischen Reko-Macht der ersten Jahre vgl.<br />
Zenner, Parteien und Politik (wie Anm. 1), S. 40f..<br />
schen Regierung und (deutschen) Beamten um<br />
soziale, um Prestige- und nicht zuletzt um politisch-nationale<br />
Fragen, ein Paket, über das man<br />
sich bis August 1920 nicht einig werden konnte,<br />
so dass am 6. August ein großer Streik fast<br />
aller saarländischer Beamten begann. Rault verhängte<br />
den Ausnahmezustand, ließ das Militär<br />
aufmarschieren, es folgte eine Woche mit den<br />
bis dahin schlimmsten Zusammenstößen im<br />
Saargebiet, mit Verhaftungen, Ausweisungen,<br />
Entlassungen. Am Tag des Streikbeginns reichte<br />
von Boch seine Demission beim Generalsekretär<br />
des Völkerbundes ein. Schon in der an diesem<br />
6. August 1920 stattfindenden Sitzung der<br />
Regierungskommission fehlte von Boch, sogar<br />
ohne Angabe von Gründen. Der saarländische<br />
Stuhl am Regierungstisch sollte damit für mehrere<br />
Wochen leer bleiben, ausgerechnet in dieser<br />
sehr turbulenten Zeit. [28]<br />
Zu viert und ohne Saarländer musste also die<br />
Reko die erste große Staatskrise durchfechten,<br />
aber vielleicht war die lange Vakanz der französischen<br />
Kommissionsführung gar nicht so unrecht.<br />
Da erst in der dritten Septemberwoche im Völkerbundrat<br />
über die Akzeptanz von Bochs Demission<br />
entschieden werden konnte und dieser wiederum<br />
nur dann selbst einen Ersatzmann benennen<br />
durfte, wenn die Gründe für sein Fernbleiben von<br />
seinen vier Kollegen akzeptiert wurden, blieben<br />
die »Internationalen« bis zur Sitzung vom 11. September<br />
unter sich. Am 25. August endlich einigte<br />
sich das Gremium darauf, dass von Bochs Fernbleiben<br />
wegen »Krankheit und aus persönlichen<br />
Gründen« akzeptabel sei und man deshalb bis zur<br />
Entscheidung des Völkerbunds mit dem von ihm<br />
benannten »Übergangsminister« arbeiten könne.<br />
Die Wahl des ehemaligen Landrats fiel nicht etwa<br />
auf einen Saarlouiser Landsmann, sondern auf<br />
den Eppelborner Bartholomäus Koßmann, ehemaliger<br />
Reichstagsabgeordneter, ehemaliges<br />
Mitglied der Weimarer National- und der preußischen<br />
Verfassungsgebenden Versammlung, einflussreicher<br />
Politiker des Zentrums. [29]<br />
[28] Zum Beamtenstreik Zenner, a.a.O., S. 50f. und den Quellentext<br />
in: Weißbuch, Nr. 143, S.213–215. Exemplarisch<br />
die Denkschrift über die ungünstige finanzielle Lage<br />
der vom Deutschen Reich, Preußen und Bayern in die<br />
Dienste der Saarregierung beurlaubten Beamten, in: LA<br />
SB, EBD 550.<br />
[29] Vgl. zu den entscheidenden Sitzungen der Reko: Commission<br />
de Gouvernement de la Sarre, Procès-verbeaux<br />
vom 6., 7., 17. und 25. August sowie vom 11. September<br />
1920, in: LA SB, NL Koßmann 1, S. 99; 112; 116; 119; 195.