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Saargeschichten Ausgabe 58/59 (1/2-2020)

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Brief von Le Corbusier<br />

mit einer<br />

abschlägigen Antwort<br />

auf die Anfrage<br />

der Landesregierung,<br />

ob Corbusier Mitglied<br />

einer Jury für<br />

den bevorstehenden<br />

Architekturwettbewerb<br />

sein könne.<br />

(LA SB, InfA)<br />

Doch begleiteten den Aktionismus und die Euphorie<br />

auch Zweifel, wie das Rücktrittsschreiben Peter<br />

Zimmers vom Vorsitz des Aktionsausschusses am<br />

23. September 1953 belegt. Darin bemängelt er<br />

die Unentschiedenheit im Vorgehen und bei der<br />

Bereitstellung eines entsprechenden Etats. Es<br />

gebe nur »ein paar schöne Fotos von besetzten<br />

Hochhäusern, die wir »evtl.« frei machen könnten.<br />

(…), dass wir mit dem gleichen Recht und der<br />

gleichen Wurstigkeit mit ein paar schönen Fotos<br />

von unseren Kasernen im Saarland den Nachweis<br />

führen könnten, dass bei uns im Saarland<br />

alle Voraussetzungen zur Abwehr einer russischen<br />

Invasion bestehen könnten.« [21] Auch der<br />

Vertreter des Wirtschaftsministeriums, Dr. Krause-Wichmann<br />

gab in einem Vermerk für den<br />

Direktor des Amtes für auswärtige und europäische<br />

Angelegenheiten vom 1. Dezember 1953 zu<br />

Protokoll, dass Saarbrücken wenig Chancen als<br />

Hauptstadt der Montanunion habe, »da es nicht<br />

den Ruf einer schönen Stadt genießt« [22] Offenbar<br />

hatte er sich in der immer noch vom Krieg<br />

gezeichneten Stadt umgesehen und geahnt,<br />

dass es noch andere Herausforderungen als die,<br />

Hauptstadt der Montanunion zu werden, zu<br />

meistern galt. Er riet daher dazu, die Trümmer<br />

[21] LASB AA 570: Schreiben Peter Zimmer, 23. September<br />

1953.<br />

[22] LASB AA 544: Vermerk Dr. W. Krause-Wichmann für Direktor<br />

Lorscheider, 1. Dezember 1953.<br />

aus der Stadt zu entfernen und die Infrastruktur<br />

zu verbessern. Das sollte ein paar Monate später<br />

auch einem weiteren Minister auffallen. Doch zur<br />

selben Zeit entstand der Entwurf eines Schreibens<br />

an Jean Monnet, Präsident der Europäischen<br />

Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der für die<br />

Bestimmung Saarbrückens »zum endgültigen<br />

Sitz der Behörden der Gemeinschaft« warb, weil<br />

dies »ein maßgeblicher Schritt und eine wesentliche<br />

Förderung des Zustandekommens einer<br />

europäischen Saarlösung darstellen würde.« [23]<br />

Das Schreiben bekundet den Willen und ein großes<br />

Entgegenkommen, das die von Zimmer kritisierten<br />

wortreichen Versprechungen formuliert.<br />

So wolle man »in allen Punkten den Wünschen<br />

der EGKS entgegen (…) kommen und sowohl<br />

den Bau von Verwaltungsgebäuden als auch<br />

der Wohnsiedlungen nach den Wünschen Ihrer<br />

Behörde (…) unternehmen. Es stehen uns verschiedene<br />

Gebäude am Rande und in der Stadt<br />

Saarbrücken zur Verfügung, auf denen das Saarland<br />

gerne bereit ist, auch eine eigene »europäische<br />

Stadt« zu errichten.« [24] Entsprechendes<br />

hatte der Saar-Landtag bereits am 1. Oktober<br />

1953 beschlossen, vor der endgültigen Entscheidung<br />

für Saarbrücken, dort mit dem Bau<br />

von Gebäuden zu beginnen. Dazu wurde am 1.<br />

Juni 1954 ein Ideenwettbewerb ausgelobt. Die<br />

Begründung »für diese Umkehr der zeitlichen<br />

Reihenfolge« lieferte eine Pressemeldung im<br />

Auftrag des Ministerpräsidenten vom 19. Januar<br />

1954. Das sei im »Geist der Verständigung zwischen<br />

Deutschland und Frankreich« geschehen<br />

und finde seinen Ausdruck im Bau einer »kleinen<br />

europäischen Stadt« am südlichen Stadtrand. [25]<br />

Bereits am nächsten Tag vermeldete die »Saarbrücker<br />

Zeitung«: »Saarland zur Aufnahme der<br />

Montanunion bereit«. [26] Ob es die Montanunion<br />

auch war, war eine andere Frage.<br />

Das Saarland ging unverdrossen in Vorlage,<br />

um der Konkurrenz in Luxemburg und Straßburg<br />

zuvorzukommen. Der Ideenwettbewerb<br />

wurde am 1. Juni 1954 ausgerufen. Die Jury, der<br />

anstelle des zuerst genannten Le Corbusier dann<br />

auch Georges-Henri Pingusson angehörte, kam<br />

Anfang Mai 1955 zusammen, um über die 34 Ein-<br />

[23] LASB AA 570: Undatierter Entwurf eines Schreibens an<br />

[24] Ebd.<br />

Jean Monnet, der zwischen Schreiben aus dem November/Dezember<br />

1953 abgelegt wurde.<br />

[25] LASB Bestand Informationsamt (Infa) Nr. 146: Pressemeldung<br />

vom 19. Januar 1954.<br />

[26] Saarbrücker Zeitung, 20. Januar 1954: »Saarland zur<br />

Aufnahme der Montanunion bereit«.

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