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Brief von Le Corbusier<br />
mit einer<br />
abschlägigen Antwort<br />
auf die Anfrage<br />
der Landesregierung,<br />
ob Corbusier Mitglied<br />
einer Jury für<br />
den bevorstehenden<br />
Architekturwettbewerb<br />
sein könne.<br />
(LA SB, InfA)<br />
Doch begleiteten den Aktionismus und die Euphorie<br />
auch Zweifel, wie das Rücktrittsschreiben Peter<br />
Zimmers vom Vorsitz des Aktionsausschusses am<br />
23. September 1953 belegt. Darin bemängelt er<br />
die Unentschiedenheit im Vorgehen und bei der<br />
Bereitstellung eines entsprechenden Etats. Es<br />
gebe nur »ein paar schöne Fotos von besetzten<br />
Hochhäusern, die wir »evtl.« frei machen könnten.<br />
(…), dass wir mit dem gleichen Recht und der<br />
gleichen Wurstigkeit mit ein paar schönen Fotos<br />
von unseren Kasernen im Saarland den Nachweis<br />
führen könnten, dass bei uns im Saarland<br />
alle Voraussetzungen zur Abwehr einer russischen<br />
Invasion bestehen könnten.« [21] Auch der<br />
Vertreter des Wirtschaftsministeriums, Dr. Krause-Wichmann<br />
gab in einem Vermerk für den<br />
Direktor des Amtes für auswärtige und europäische<br />
Angelegenheiten vom 1. Dezember 1953 zu<br />
Protokoll, dass Saarbrücken wenig Chancen als<br />
Hauptstadt der Montanunion habe, »da es nicht<br />
den Ruf einer schönen Stadt genießt« [22] Offenbar<br />
hatte er sich in der immer noch vom Krieg<br />
gezeichneten Stadt umgesehen und geahnt,<br />
dass es noch andere Herausforderungen als die,<br />
Hauptstadt der Montanunion zu werden, zu<br />
meistern galt. Er riet daher dazu, die Trümmer<br />
[21] LASB AA 570: Schreiben Peter Zimmer, 23. September<br />
1953.<br />
[22] LASB AA 544: Vermerk Dr. W. Krause-Wichmann für Direktor<br />
Lorscheider, 1. Dezember 1953.<br />
aus der Stadt zu entfernen und die Infrastruktur<br />
zu verbessern. Das sollte ein paar Monate später<br />
auch einem weiteren Minister auffallen. Doch zur<br />
selben Zeit entstand der Entwurf eines Schreibens<br />
an Jean Monnet, Präsident der Europäischen<br />
Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der für die<br />
Bestimmung Saarbrückens »zum endgültigen<br />
Sitz der Behörden der Gemeinschaft« warb, weil<br />
dies »ein maßgeblicher Schritt und eine wesentliche<br />
Förderung des Zustandekommens einer<br />
europäischen Saarlösung darstellen würde.« [23]<br />
Das Schreiben bekundet den Willen und ein großes<br />
Entgegenkommen, das die von Zimmer kritisierten<br />
wortreichen Versprechungen formuliert.<br />
So wolle man »in allen Punkten den Wünschen<br />
der EGKS entgegen (…) kommen und sowohl<br />
den Bau von Verwaltungsgebäuden als auch<br />
der Wohnsiedlungen nach den Wünschen Ihrer<br />
Behörde (…) unternehmen. Es stehen uns verschiedene<br />
Gebäude am Rande und in der Stadt<br />
Saarbrücken zur Verfügung, auf denen das Saarland<br />
gerne bereit ist, auch eine eigene »europäische<br />
Stadt« zu errichten.« [24] Entsprechendes<br />
hatte der Saar-Landtag bereits am 1. Oktober<br />
1953 beschlossen, vor der endgültigen Entscheidung<br />
für Saarbrücken, dort mit dem Bau<br />
von Gebäuden zu beginnen. Dazu wurde am 1.<br />
Juni 1954 ein Ideenwettbewerb ausgelobt. Die<br />
Begründung »für diese Umkehr der zeitlichen<br />
Reihenfolge« lieferte eine Pressemeldung im<br />
Auftrag des Ministerpräsidenten vom 19. Januar<br />
1954. Das sei im »Geist der Verständigung zwischen<br />
Deutschland und Frankreich« geschehen<br />
und finde seinen Ausdruck im Bau einer »kleinen<br />
europäischen Stadt« am südlichen Stadtrand. [25]<br />
Bereits am nächsten Tag vermeldete die »Saarbrücker<br />
Zeitung«: »Saarland zur Aufnahme der<br />
Montanunion bereit«. [26] Ob es die Montanunion<br />
auch war, war eine andere Frage.<br />
Das Saarland ging unverdrossen in Vorlage,<br />
um der Konkurrenz in Luxemburg und Straßburg<br />
zuvorzukommen. Der Ideenwettbewerb<br />
wurde am 1. Juni 1954 ausgerufen. Die Jury, der<br />
anstelle des zuerst genannten Le Corbusier dann<br />
auch Georges-Henri Pingusson angehörte, kam<br />
Anfang Mai 1955 zusammen, um über die 34 Ein-<br />
[23] LASB AA 570: Undatierter Entwurf eines Schreibens an<br />
[24] Ebd.<br />
Jean Monnet, der zwischen Schreiben aus dem November/Dezember<br />
1953 abgelegt wurde.<br />
[25] LASB Bestand Informationsamt (Infa) Nr. 146: Pressemeldung<br />
vom 19. Januar 1954.<br />
[26] Saarbrücker Zeitung, 20. Januar 1954: »Saarland zur<br />
Aufnahme der Montanunion bereit«.