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Saargeschichten Ausgabe 58/59 (1/2-2020)

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Saarbrücker Meldekarte<br />

des Johannes<br />

Kuhlemann. (StA SB)<br />

vielleicht hätte Auskunft geben können, wurde<br />

mit der Villa des Unternehmers Anfang Juli 1943<br />

bei einem Bombenangriff auf Köln zerstört. Feinhals-Collofino<br />

starb am 1. Mai 1947, und zwar auf<br />

Schloß Randegg, dem Wohnsitz seines Freundes,<br />

des in St. Avold geborenen expressionistischen<br />

Schriftstellers und Kunstsammlers Hans Koch.<br />

In einer biographischen Skizze, der Einleitung<br />

zu einer <strong>Ausgabe</strong> von Gedichten Kuhlemanns in<br />

Kölner Mundart, geht Otto Brües kurz auf dessen<br />

Saarbrücker Zeit ein: »Er wird dort Schriftleiter,<br />

und die Weite seiner Bildung ermöglicht<br />

ihm, sich auf vielerlei Gebieten zu tummeln, vor<br />

allem kann er seiner Neigung zur Musik nachgehen.<br />

Seine Musikkritiken gehören zum Besten,<br />

was er wertend hinterlassen hat.« Brües erwähnt<br />

auch dunkle Seiten Kuhlemanns: »Daß sein äußeres<br />

Leben nun gesichert scheint, bedeutet ihm<br />

wenig. In seinem Innern ist er, der leicht Verletzliche,<br />

zutiefst verwundet, auch die Freundschaft<br />

vieler junger Menschen, die sich um ihn<br />

scharen, bringt ihm keinen Trost. […] Er wird nun<br />

im Übermaß der Eindrücke leiblich und seelisch<br />

krank, und die Freunde finden ihn manchmal auf<br />

dem Bette wie tot.« (S. 11) Dies scheint auf eine<br />

depressive Veranlagung Kuhlemanns hinzudeuten,<br />

zudem war er offenbar dem Alkohol nicht<br />

gänzlich abgeneigt. Das legt ein seinem Gedicht<br />

»Der Botengänger« beigefügtes Motto des französischen<br />

Lyrikers Charles-Louis Philippe nahe: »Il<br />

y a un bon Dieu pour les ivrognes« (Gott sei auch<br />

den Trunkenbolden, den Säufern, gnädig …)<br />

Der Schriftsteller Karl Willy Straub (1880–1971),<br />

der nach dem Ersten Weltkrieg in Saarbrücken<br />

lebte, begegnete dort Kuhlemann. In einem drei<br />

Jahrzehnte später entstandenen Gedenkartikel<br />

erinnerte er sich recht herablassend an ihn: »Seines<br />

Zeichens ein Dichter. Ein schmächtiger, mit<br />

einer Hornbrille bewaffneter junger Mensch, der<br />

es nicht dabei bewenden ließ, selbst in die Saiten<br />

seiner etwas verstimmten Lyra zu greifen, sondern<br />

auch die vor ihm und neben ihm dichtenden<br />

Kollegen von Goethe bis Stefan George einer<br />

ihm lauschenden Gemeinde nahe zu bringen<br />

versuchte. Einen besonderen Kreis von Hörern<br />

bildete eine Anzahl junger Menschen beiderlei<br />

Geschlechts, meistens Pennäler und höhere<br />

Töchter der oberen Schülerklassen. Da es Kuhlemann,<br />

dem Vermittler besserer Literatur, an<br />

einem geeigneten Raum fehlte (in seine Mietbude<br />

konnte er wirklich niemanden einladen,<br />

ohne missverstanden zu werden), so verlegte er<br />

seine wöchentlich einmal abzuhaltenden Privatissima<br />

kurzerhand in das Schloßcafé. Hier in<br />

einer stillen Ecke versammelten sich die Adepten<br />

einer brotlosen Kunst und lauschten bei Kaffee<br />

und Kuchen den Ausführungen des vom Nymbus<br />

[!] der Dichtkunst umgebenen Meisters. War die<br />

Stunde abgelaufen, dann türmte sich das Honorar<br />

in Gestalt von Crèmeschnitten, Nußschiffchen<br />

und Mohrenköpfen auf Kuhlemanns Teller. Aber<br />

wohin mit dem Segen? Der Meister wußte sich<br />

zu helfen. Er verschwand geheimnisvoll im W.C.<br />

Wenn er wiederkam, entnahm er seiner Rocktasche<br />

mehrere Meter des bekannten schmalen<br />

grauen oder rosanen Kreppapiers und begann,<br />

dem Naturalien-Honorar einen Verband anzulegen,<br />

um dessen Kunstfertigkeit ihn mancher<br />

Sanitäter hätte beneiden können. Für die Speisekammer<br />

der nächsten Tage hatte Johannes Kuhlemann<br />

gesorgt.<br />

Zehn Jahre später schlug mir ein Teilnehmer der<br />

Rheinischen Dichtertagung in Freiburg [1931] auf<br />

die Schulter. Es war ein sehr korpulenter Mann<br />

mit dicker Hornbrille und Baskenmütze. Die Art<br />

der Begrüßung eines mir völlig Fremden ging<br />

mir auf die Nerven, weshalb ich wohl etwas<br />

zurückhaltend meinen Namen nannte. ›Sie kennen<br />

mich nicht mehr?‹, lachte der Dicke. ›Ja, ich<br />

habe mich ein bißchen verändert, das muß ich<br />

zugeben: Johannes Kuhlemann aus dem Schloßcafé<br />

in Saarbrücken.‹ ›Ach, Sie sind es‹, rief ich<br />

nun, versöhnt mit der burschikosen Begrüßung.

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