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Saarbrücker Meldekarte<br />
des Johannes<br />
Kuhlemann. (StA SB)<br />
vielleicht hätte Auskunft geben können, wurde<br />
mit der Villa des Unternehmers Anfang Juli 1943<br />
bei einem Bombenangriff auf Köln zerstört. Feinhals-Collofino<br />
starb am 1. Mai 1947, und zwar auf<br />
Schloß Randegg, dem Wohnsitz seines Freundes,<br />
des in St. Avold geborenen expressionistischen<br />
Schriftstellers und Kunstsammlers Hans Koch.<br />
In einer biographischen Skizze, der Einleitung<br />
zu einer <strong>Ausgabe</strong> von Gedichten Kuhlemanns in<br />
Kölner Mundart, geht Otto Brües kurz auf dessen<br />
Saarbrücker Zeit ein: »Er wird dort Schriftleiter,<br />
und die Weite seiner Bildung ermöglicht<br />
ihm, sich auf vielerlei Gebieten zu tummeln, vor<br />
allem kann er seiner Neigung zur Musik nachgehen.<br />
Seine Musikkritiken gehören zum Besten,<br />
was er wertend hinterlassen hat.« Brües erwähnt<br />
auch dunkle Seiten Kuhlemanns: »Daß sein äußeres<br />
Leben nun gesichert scheint, bedeutet ihm<br />
wenig. In seinem Innern ist er, der leicht Verletzliche,<br />
zutiefst verwundet, auch die Freundschaft<br />
vieler junger Menschen, die sich um ihn<br />
scharen, bringt ihm keinen Trost. […] Er wird nun<br />
im Übermaß der Eindrücke leiblich und seelisch<br />
krank, und die Freunde finden ihn manchmal auf<br />
dem Bette wie tot.« (S. 11) Dies scheint auf eine<br />
depressive Veranlagung Kuhlemanns hinzudeuten,<br />
zudem war er offenbar dem Alkohol nicht<br />
gänzlich abgeneigt. Das legt ein seinem Gedicht<br />
»Der Botengänger« beigefügtes Motto des französischen<br />
Lyrikers Charles-Louis Philippe nahe: »Il<br />
y a un bon Dieu pour les ivrognes« (Gott sei auch<br />
den Trunkenbolden, den Säufern, gnädig …)<br />
Der Schriftsteller Karl Willy Straub (1880–1971),<br />
der nach dem Ersten Weltkrieg in Saarbrücken<br />
lebte, begegnete dort Kuhlemann. In einem drei<br />
Jahrzehnte später entstandenen Gedenkartikel<br />
erinnerte er sich recht herablassend an ihn: »Seines<br />
Zeichens ein Dichter. Ein schmächtiger, mit<br />
einer Hornbrille bewaffneter junger Mensch, der<br />
es nicht dabei bewenden ließ, selbst in die Saiten<br />
seiner etwas verstimmten Lyra zu greifen, sondern<br />
auch die vor ihm und neben ihm dichtenden<br />
Kollegen von Goethe bis Stefan George einer<br />
ihm lauschenden Gemeinde nahe zu bringen<br />
versuchte. Einen besonderen Kreis von Hörern<br />
bildete eine Anzahl junger Menschen beiderlei<br />
Geschlechts, meistens Pennäler und höhere<br />
Töchter der oberen Schülerklassen. Da es Kuhlemann,<br />
dem Vermittler besserer Literatur, an<br />
einem geeigneten Raum fehlte (in seine Mietbude<br />
konnte er wirklich niemanden einladen,<br />
ohne missverstanden zu werden), so verlegte er<br />
seine wöchentlich einmal abzuhaltenden Privatissima<br />
kurzerhand in das Schloßcafé. Hier in<br />
einer stillen Ecke versammelten sich die Adepten<br />
einer brotlosen Kunst und lauschten bei Kaffee<br />
und Kuchen den Ausführungen des vom Nymbus<br />
[!] der Dichtkunst umgebenen Meisters. War die<br />
Stunde abgelaufen, dann türmte sich das Honorar<br />
in Gestalt von Crèmeschnitten, Nußschiffchen<br />
und Mohrenköpfen auf Kuhlemanns Teller. Aber<br />
wohin mit dem Segen? Der Meister wußte sich<br />
zu helfen. Er verschwand geheimnisvoll im W.C.<br />
Wenn er wiederkam, entnahm er seiner Rocktasche<br />
mehrere Meter des bekannten schmalen<br />
grauen oder rosanen Kreppapiers und begann,<br />
dem Naturalien-Honorar einen Verband anzulegen,<br />
um dessen Kunstfertigkeit ihn mancher<br />
Sanitäter hätte beneiden können. Für die Speisekammer<br />
der nächsten Tage hatte Johannes Kuhlemann<br />
gesorgt.<br />
Zehn Jahre später schlug mir ein Teilnehmer der<br />
Rheinischen Dichtertagung in Freiburg [1931] auf<br />
die Schulter. Es war ein sehr korpulenter Mann<br />
mit dicker Hornbrille und Baskenmütze. Die Art<br />
der Begrüßung eines mir völlig Fremden ging<br />
mir auf die Nerven, weshalb ich wohl etwas<br />
zurückhaltend meinen Namen nannte. ›Sie kennen<br />
mich nicht mehr?‹, lachte der Dicke. ›Ja, ich<br />
habe mich ein bißchen verändert, das muß ich<br />
zugeben: Johannes Kuhlemann aus dem Schloßcafé<br />
in Saarbrücken.‹ ›Ach, Sie sind es‹, rief ich<br />
nun, versöhnt mit der burschikosen Begrüßung.